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Deufringen>>Oberamtsbeschreibung
"eine Kleinkinderbewahranstalt ist im Beginnen"

Deufringen in der Beschreibung des Böblinger Oberamts von 1850

Quelle: Beschreibung des Oberamts Böblingen. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau. Stuttgart und Tübingen 1850.

Foto: Ansicht von Deufringen mit Rathaus, Kirche und Schloss aus dem Jahre 1907. (Bild: Gemeindearchiv Aidlingen)
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Deufringen, ein Pfarrdorf mit 715 Einwohnern, worunter 1 Katholik, das unfern des Schwarzwaldsaumes 3 Stunden westlich von der Oberamtsstadt in einem tief eingeschnittenen, engen Thale liegt.
Im Allgemeinen ist die Beschaffenheit des mit guten Straßen versehenen Orts freundlich und reinlich, die theils am nordöstlichen, theils am westlichen Abhange, meist aber in der Thalebene gelegenen Gebäude, unter denen sich mehrere ansehnliche Bauernwohnungen befinden, sind von Holz aufgeführt und häufig mit steinernem Unterstock versehen, so daß das Dorf zu den besser aussehenden des Bezirks zu zählen ist.

Gutes Trinkwasser, das übrigens nur aus Pumpbrunnen gewonnen wird, ist hinreichend vorhanden. Die bei Gechingen entspringende Würm, auch Sau genannt, fließt mitten durch das Dorf und treibt im nördlichen Theil desselben die obere Mühle mit 2 Mahlgängen und 1 Gerbgang und im südlichen die untere Mühle ebenfalls mit 2 Mahlgängen und 1 Gerbgang. Etwa 1/8 Stunde südlich vom Ort mündet der Bach in die Aid, wo er nahe des Vereinigungspunkts eine Oelmühle - und weiter unten in Gemeinschaft mit der Aid eine ansehnliche Sägemühle mit Hanfreibe in Bewegung setzt. Die Luft ist gesund, das Klima ziemlich rauh; ...

Die am südlichen Ende des Orts etwas erhöht gelegene Kirche war ursprünglich im gothischen Style erbaut, wurde aber vor etwa 60 Jahren namhaft erweitert und verlor bei dieser Veranlassung nicht nur den größten Theil ihres architektonischen Schmucks, sondern wurde auch durch Einbrechung von runden, oblongen und rundbogigen Fenstsern gräßlich entstellt. An der westlichen Giebelseite steht der viereckige massive Thurm, ein monströses aus 3 Stockwerken bestehendes Bauwesen, auf dem ein einfaches Zeltdach sitzt. ... Das Innere der Kirche ist hell, geräumig, weiß getüncht und die Decke flach getäfelt. ...
Das Pfarrhaus, welches früher ein Schloß der Freiherren von Gültlingen war, ist mit allen Bequemlichkeiten versehen und liegt frei und angenehm nur 50 Schritte von der Kirche. ... Das gegenüber der Pfarrkirche an der Hauptstraße gelegene ansehnliche Rath- und Schulhaus, mit Thürmchen und Glocke, wurde 1834 an der Stelle des alten erbaut. Im untern Stock befinden sich die Schule und die Wohnung des Schulmeisters, im obern Stock die Gelasse für den Gemeinderath. An der Schule unterrichten 1 Lehrer und 1 Lehrgehilfe. Eine Industrieschule besteht und eine Kleinkinderbewahranstalt ist im Beginnen.

Die im Allgemeinen kräftig gebauten Einwohner sind fleißig, sparsam und halten viel auf Ehrbarkeit. Ein Drittheil derselben, der sich von Feldbau und Viehzucht nährt, befindet sich in vermöglichen Umständen, die übrigen weniger Bemittelten treiben Gewerbe, Victualien-1* und Holzhandel oder leben vom Taglohnen. ...
Landwirtschaftliche Neuerungen und Verbesserungen finden wegen der verschiedenen Bodenarten, der unebenen Lage der Felder und besonders wegen des steinigen Untergrundes nicht so leicht Eingang wie in andern Gegenden. ... In der zu 1/3 angebauten Brache werden hauptsächlich Kartoffeln, Futterkräuter, Linsen, selten Flachs, aber desto mehr Hanf angebaut, welcher im Ort versponnen wird; das aus dem Garn verfertigte Tuch kommt auswärts zum Verkauf. Kraut wurde früher keines gebaut und mußte von Außen bezogen werden, erst nachdem die Gemeinde im Jahr 1818 einen Wald aufstocken ließ, der unter die Bürgerschaft zum Feldbau ausgetheilt wurde, machte der damalige Schultheiß Buz einen Versuch mit Krautbau, dieser gelang und fand Nachahmung, so daß jetzt zum großen Vortheil der Gemeinde sogar Kraut auswärts verkauft wird. Zwei Bierbrauer pflanzen Hopfen, den sie auch selbst verbrauchen. ...

Die Schafzucht ist im Abnehmen. ... Der Abstoß geht gegen die Alp und die Wolle wird an Tuchfabrikanten in der Nähe verkauft. ... Von den Gewerben sind hauptsächlich die schon oben aufgeführten Mühlen zu nennen, die das ganze Jahr hindurch viel zu thun haben. Die übrigen Gewerbe dienen meist nur dem örtlichen Bedürfniß mit Ausnahme der Nagelschmiede, die mit gutem Erfolg theils auf Bestellung, theils auf den Handel arbeiten; auch einige Schreiner verkaufen ihre Arbeiten theilweise nach Außen. Die Weberei wird stark betrieben, jedoch nur für den Ort selbst; 1 Barchetweber2* arbeitet auf Bestellung. Früher war die gegenwärtig ganz abgegangene Zeugmacherei sehr im Flor. Im Ort befinden sich 2 Schildwirthschaften3*, 2 Bierbrauereien und 1 Handlung. ...

Deufringen kommt 1268 Juli 17 erstmals vor, Tvveringen geschrieben, in einer stiftsindelfingischen Urkunde; Herren dieses Dorfes, ohne Zweifel tübingische Dienstmannen, werden nur einmal genannt: 1324 Eberlin von Deufringen, Edelknecht, welcher hiesige Güter an Kloster Bebenhausen verkaufte. Der Ort war im Besitz der Pfalzgrafen von Tübingen, von denen er im Jahr 1357 mit Böblingen an Württemberg veräußert wurde. Unter Württemberg wurden die Herren von Gültlingen damit belehnt, erstmals 1400 Febr. 3. ...

1

Lebensmittel

2

Weber des Barchent; Mischgewebe aus einer Kette aus Leinen und einem Schuß aus Baumwolle.

3

Schildwirtschaften waren, im Gegensatz zu Straußenwirtschaften, berechtigt, Gäste zu beherbigen und zu bewirten. Straußenwirtschaften waren nur zu gelegentlichem Ausschank, meist im Herbst, berechtigt.

Der Text wurde gekürzt.

Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Deufringen finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource.

Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt

Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 26. Band erschien 1850 die Beschreibung des Oberamts Böblingen. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden.

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