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Die Darstellung der Hostienmühle in der Deufringer St. Veit-Kirche

Quelle: Aidlingen, Lehenweiler, Dachtel und Deufringen - Beiträge zur Ortsgeschichte. Aidlingen 1999. Darin das Kapitel: "Im Mittelalter oder das erste Jahrtausend - Kaplanei Deufringen - Ikonographische Anmerkungen", S. 151 - 154

Autor: Dr. Roman Janssen

Bild: Darstellung der Hostienmühle in der Deufringer St. Veit-Kirche - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Die ältere Deufringer Kirche war dem Typ nach eine Chorturmkirche und - wie im Mittelalter regulär - geostet. Ikonographisch ist dafür ein untrügliches Indiz die Plazierung einer älteren Sakramentsnische und eines jüngeren Sakramentshäuschens an der Nordseite. ... Nimmt man dazu den zentral im Gewölbe des Chorturms angebrachten Schlussstein mit dem Lamm Gottes, dem "Agnus Dei", welches genauer das triumphierende Lamm der Geheimen Offenbarung darstellt und den Ort des Altares bezeichnete, so erlaubt die Ikonographie hinsichtlich der Baugeschichte den Aufschluss, dass zwischen zwei Phasen zu unterscheiden ist: einer ersten, der vermutlich der Turm überhaupt entstammt - deren Zeitstellung wollen wir den Kunsthistorikern überlassen - und einer zweiten, welche durch einen neuen Choranbau ausgewiesen ist. Bei diesem, so das Ergebnis der Renovierung von 1971, wurde die Ostwand des Turms in voller Breite durchbrochen und in der nördlichen Durchbruchzone ein kleines Sakramentshaus eingelassen, das von einem teilweise erhaltenen Fresko mit der Darstellung einer sogenannten Hostienmühle umrahmt gewesen war. (...)

Das Bildnis der Hostienmühle wird auf 1460/1480 datiert. Seine Plazierung in der nördlich Laibung zum Chorschluss setzt diesen voraus, seine Abhängigkeit von der Hostienmühle in Loffenau (südwestlich von Herrenalb) macht Einfluss des Pfarr- und Patronatsherrn, des Stifts Baden, wahrscheinlich, weshalb man vielleicht etwas enger auf "bald nach 1460" erkennen könnte. (...)

Bild: Die Hostienmühle in der Turmkapelle der Pfarrkirche zu Loffenau. (Ausschnitt) (Bild: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg)

Das Bildnis der Hostienmühle stellt eine Rarität dar. Das ehedem sicher nicht seltene Motiv hat sich im Württembergischen nämlich nur viermal erhalten, außer in Deufringen noch in der Kirche in Malmsheim, in der Turmkapelle der Kirche zu Loffenau sowie in der Kilianskirche, der heutigen evangelischen Friedhofskirche von Mundelsheim, und zwar jeweils als Wandgemälde von erstaunlich enger zeitlicher wie sachlicher Verwandtschaft.

In Deufringen fiel die aus einer gelben und roten Borte bestehende Umrahmung abwärts über den Bildrahmen hinunter und umfasste das Sakramentshaus. Das verdeutlicht den thematisch-ikonographischen Zusammenhang, da Christus nach mittelalterlicher und katholischer Glaubensüberzeugung konkret, leibhaftig in der Hostie gegenwärtig ist. Als Aufbewahrungsort der konsekrierten Hostie kamen im 15. Jahrhundert allgemein Sakramentshäuser in Brauch.

Bild: Blick in den 1971/72 neugestalteten Chor von St. Veit in Deufringen; rechts das Sakramentshäuschen; darüber - in der Laibung des Chordurchbruchs - die Darstellung der Hostienmühle. (Bild: Hans Mozer)

Erhalten ist nur der obere Teil des Bildes, nach oben mit einem krabben- und maßwerkgeschmückten Kielbogen begrenzt, der von einer Kreuzblume gekrönt ist: Gottvater gibt seinen ans Kreuz geschlagenen Sohn in einen Mühlentrichter. Die Szene wird begleitet von den Evangelistensymbolen (links Markuslöwe und Matthäusengel, rechts Johannesadler und Lukasstier) mit Spruchbändern - die Inschriften sind verloren -, die sich in den Trichter hineinziehen. Dieser steht auf einem Gestänge aus vier dünnen Pfosten, aufgesetzt auf einen steinernen Untersatz. Zu beiden Seiten der Mühle sind je sechs Apostel dargestellt, welche, wie üblich - hier fehlen schon Teile des Bildes -, eine lange Kurbelwelle bedient haben müssen und so die Mühle in Betrieb hielten. Die weitgehende Übereinstimmung mit den Hostienmühlen in Loffenau und Mundelsheim mag einen Hinweis darauf geben, wie sich das Bild nach unten fortsetzte. Dort knien die vier Kirchenväter vor der Mühle. Ein Wolkensaum trennt darunter die himmlische von der irdischen Sphäre. Hier stehen die Vertreter der geistlichen und weltlichen Stände, angeführt von Papst und Kaiser, welche einen Kelch halten, in den die Hostien fallen.

Die mystische Mühle ist eine Allegorie des Altarsakraments: Christus, das fleischgewordene, von den Evangelisten verkündete Wort ist der nach dem Willen Gottvaters in der Mühle gemahlene Weizen, der zum Brot des Glaubens und der Eucharistie wird (Jo. 6,26-58). Die Apostel, die Säulen der Kirche, halten das Glaubensgeschehen in Bewegung, damit der Menschheit das Brot des Lebens zuteil wird. In enger Verwandtschaft dazu steht die mystische Kelter, in der Christus gleichsam der gepresste Wein ist, der als sein Blut aus ihr herausfließt.

Der Text wurde gekürzt

Mit freundlicher Genehmigung des Autors, der Gemeinde Aidlingen und der Denkmalpflege Baden-Württemberg

Internet-Links:
Wikipedia: Hostienmühle
Die St.-Veit Kirche bei KircheBB - unsere Kirchen und ihre Kunstwerke

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