Altdorf>>Feldpostbriefe 1917

Abschrift des Feldpostbriefes von Johannes Henne

Geschrieben den 23. Mai 1917

Lieber Vater und Geschwister!

Immer noch keine Post erhalten. Im übrigen geht es mir sehr gut und bin auch gesund. Mein Fuß ist bedeutend besser. Wie ich Euch schon vorgestern geschrieben habe, hat unser Regiment unsagbar viel Verluste gehabt. Aber an Boden haben wir nichts verloren. Der Ort, wo ich bin, ist etwa drei Stunden hinter dem ersten Graben. Ihr könnt Euch schon denken, daß ich weit genug vorne bin. Und es ist schrecklich, wenn man so von der Ferne das Trommelfeuer mit anhören muß.

In dem Ort, wo ich bin, ist die Verwundetensammelstelle für unsere Division eingerichtet. Ich gehe jeden Tag 2 bis 3 mal hinunter und schaue, was für Kameraden von meiner Kompanie verwundet worden sind. Und ich habe schon manchen von ihnen getroffen, der mehr oder weniger verwundet war. Ich schaue auch immer nach den Leuten von der 12. Kompanie und frage nach Wilhelm Henne [Bruder] ...

Ich könnte Euch manch schreckliche Szenen schreiben, aber ich darf’s nicht! ... Aber eines will ich doch erwähnen: Das 2. Bataillon meines Regiments hat in einem gut erhaltenen Eisenbahntunnel Schutz gesucht, der Franzmann nahm aber das Tunnel so unter Feuer und trommelte die Ausgänge zusammen, so daß das ganze Bataillon mit lebendigem Leibe begraben wurde, und es konnte vor lauter Trommelfeuer kein Mann gerettet werden. ...

Das Wunder, daß ich die schrecklichen Tage nicht mitmachen muß, ist so groß als das in der Bibel stehende Wunder: die Speisung der 5000 Mann.

Ich will jetzt schließen.

Es grüßt Euch
Euer Sohn und Bruder
Johannes

Auf Wiedersehen.


[ ] Redaktionelle Ergänzung
... Auslassungen im Text


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