"Schon lange werde ich von unzähligen Personen aus der Nähe und der Ferne in der Sache des Schwärmers Hahn in Briefen gefragt und von Manchen getadelt. Meine Amtsgeschäfte gestatten mir nicht, noch ferner Jedem besonders zu antworten. Ich rücke daher die wichtigsten Punkte, so wie ich sie aus weitläufigen Akten gezogen, als eine Endantwort an Alle ein, und bitte nun mich mit ferneren Fragen zu verschonen. Michael Hahn, ein noch sehr junger, lediger Metzger und Bauernknecht aus Altdorf, Bebenhäuser Oberamts, insgemein der Altdorfer Michele genannt, richtet schon seit einigen Jahren nicht nur in meiner Gemeinde, sondern auch weit und breit im Lande, große Verwirrungen an. Dieser Mensch gibt sich für die zweite Person in der Gottheit aus. Wenigstens folgt dieß aus seinem, an den seeligen Pfarrer Helferich geschriebenen Brief, der wörtlich also anfanget: "Jehova gebe sich Ihnen durch die sieben Geister Gottes wesentlich zu erkennen, so werden Sie von Gott und mit mir durch einen Neujahrswunsch erfreut, und mit Gnade und Friede gegrüßet seyn." Er will mit Christo auf einem weißen Pferd kommen. Denn so lautet der Beschluß des besagten Briefs: "Doch ich muß eilen und fortwachsen mit denen im Geisterreich, will ich anders mit ihnen kommen auf weißen Pferden." Er behauptet die Wundergabe zu besitzen. Aber noch ist keines seiner Wunder gerathen, und der Name Gottes ist bei jedem Versuche schröklich von ihm gemisbraucht worden. Auch seine Schülerinnen wollen Wunder thun. Eine von ihnen war bei der Feuersbrunst in Gültstein nicht aus dem Haus zu bringen, das schon in vollen Flammen stund, sondern ließ sich in der Versuchung Gottes zu Asche verbrennen. Er schreibt Vieles. Und seit kurzer Zeit überschrieb er zwey Riß Papier. All diß geschrieben will er, wann es Zeit seyn werde, drucken lassen. Er verfertiget viele Lieder. Etliche derselben sind in Versammlungen von mehr als hundert Personen gesungen worden. In einigen dieser Lieder ist manch Erbauliches. Aber das Gute daran ist nicht neu und das Neue ist nicht gut. Er schalt mich einen Geisteslästerer, da ich ihm bei dem Protokoll nach der Haube griff, da ich ihm bewies, daß er keinen weder mittel- noch unmittelbaren Beruf von Gott habe. Diß brachte ihn in Wuth, und weil er sich sonst nicht zu helfen wußte, so schimpfte er. Drei Tage darauf, nachdem ich mein Protokoll eingeschickt hatte, schrieben drei Weibspersonen einen gar leichtfertigen Brief an mich: warum ich mich unterstehe, meine Hand an den Gesalbten des Herrn zu legen? Ich solle aufhören, mir den Zorn auf den Tag des Zorns zu häufen. Sie wollten Tag und Nacht betten, daß Gott seine Auserwählte von mir rette. Weit entfernt mich darüber zu ärgern, bat ich für sie und bezeuge, daß sie als Irrende nicht gestraft werden könnten. Das einige wünschte ich, daß sie nicht ferner an mich schreiben und wegen meiner Bekehrung unbesorgt seyn möchten. Gewöhnlich gehören Streiche1* auf die Rücken der Narren. Ich bestrebte mich aber immer bisher, den Irrenden mit Belehrung und endlich mit gelinden Bestrafungsmitteln zurecht zu bringen, nemlich mit Worten. Ich habe ihm zuletzt aus meiner Gemeinde ausgeboten. Ich menge mich nicht in seine Pflug- und Brodarbeiten, kann aber auch nicht ferner zugeben2*, daß er mich in meinem Lehramte störe. In Ehesachen mengt er sich sehr viel, zu vieler Beschwerung schwacher Gewissen. Bald kommen Zinzendorfische Schäzel, bald andere Grundsätze verliebter fromm syen wollender Schwärmer aufs Tapet. Er ist ein hübscher Mann, daher werfen die Schäzel sehr devote3* Blicke auf ihn. Diß ist es, was ich allen Fragenden zur Antwort geben kann. Magister Klemm, Pfarrer zu Hildrizhausen."
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