Böblingen>>Geschichte>>Bombenangriff 1943

Verschüttet, erstickt, verbrannt

Schreckliche Schicksale in der Bombennacht vom Oktober 1943

Quelle: Karl Bauer: Zerstörung der Kreisstadt Böblingen im Zweiten Weltkrieg und ihr Wiederaufbau. Ehrenbuch für die Gefallenen und Vermissten 1939-1945, hrsg. von der Stadt Böblingen im Oktober 1963 anlässlich des 20. Jahrestages des Luftangriffs am 7./8. Oktober 1943, S. 22-23.

Ganz furchtbar traf das Unglück die Familie Körber-Döhm. Das Haus des Malermeisters Körber stand auf halber Höhe zwischen der Marktstraße und der Kirche neben dem alten Staffelaufgang. Es hatte einen guten und tiefen Keller, zu dem 19 Stufen hinabführten. Als nun in der Nacht des 7. Oktober 1943 die nahe Sirene auf dem Schloßberg aufheulte, begab sich die Familie, wie gewohnt, in den Keller: Paul Döhm, seine Frau Sofie geb. Körber, seine drei Kinder Ruth, Margarete und Gustav, seine Schwägerin Hermine Körber geb. Reinhardt, mit ihren Kindern Erika und Elfriede und ihrem 10jährigen Neffen Erich Jäger aus Stuttgart, Sohn der Marie Jäger geb. Körber, der aus Sicherheitsgründen nach Böblingen geschickt worden war, also neun Personen. Eine Luftmine traf das Haus und verschüttete den Kellereingang. Der Notausgang wurde unpassierbar, als durch ihn der Phosphor einer Phosphorbombe brennend hinabrieselte. So mußten alle ersticken und zum Teil verkohlen. Die Mutter Hermine wurde später sitzend aufgefunden, ihre Kinder im Arm haltend. Der Neffe hatte sich hilfesuchend an sie geklammert.

Ein ähnliches Schicksal brach über die Familie Henne in der Teckstraße herein. Der Vater Otto Henne war Soldat und zur Zeit des Fliegerangriffs in Frankreich. Seine Mutter Luise Henne, seine Frau Emilie geb. Krauß und seine drei Kinder Irene, Brunhilde und Wolf gang eilten beim Alarm am 7. Oktober wie stets zum Keller. Die Großmutter, die den Schluß bildete, kam nicht mehr hinunter. Sie war gerade in Höhe der Haustüre, als zwei Volltreffer das Haus zerschmetterten und sie auf die Straße schleuderten. Sie erlitt schwere Verletzungen im Gesicht und an der Schulter, die einen Krankenhausaufenthalt von sechs Monaten nötig machten und große, tiefe Narben hinterließen. Die Mutter aber mußte mit ihren drei Kindern im Keller, dessen Ausgänge verschüttet waren, verbrennen. Brandbomben hatten die Haustrümmer und 50 Zentner Briketts, die für die von Frau Henne betriebene Wäscherei im Keller lagen, entzündet. Der Vater Otto Henne wurde durch ein Telegramm an seinen Truppenteil davon verständigt, daß bei einem Bombenangriff sein Haus getroffen worden sei. Er erhielt sofort Urlaub. Den wahren Sachverhalt erfuhr er erst im Eisenbahnwagen zwischen Stuttgart und Böblingen. Er hörte zufällig zwei Mädchen von der zerbombten Schreinerei Alber sprechen, die das Nachbargebäude vom Haus Henne war. Er fragte sie, die ihn nicht kannten, um Auskunft über die Familie Henne. Ahnungslos erzählten die Mädchen die ganze schreckliche Wahrheit vom Tod der Frau und der Kinder. Die Mädchen verstummten plötzlich, als sie die Wirkung ihres Berichts sahen. Und als der Soldat seinen Namen nannte, machten sie sich bittere Vorwürfe, weil sie diesen Mann ungewollt in einen solchen Jammer gestürzt hatten.

Am Montag, dem 11. Oktober, traf Otto Henne zu Hause ein, das nun für ihn kein Zuhause mehr war. Wen mag es wundern, daß er am 13. Oktober bei der Trauerfeier für die Opfer der Bombennacht auf dem Friedhof zusammenbrach? ...

Karl Bauer war Lehrer und später erster Rektor der Böblinger Mittelschule.


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