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Die Faust blieb in der Tasche

Böblingen im Jahre 1848

Quelle: Böblingen – Geschichte in Gestalten. Von den Anfängen bis zum Ende der Ära Brumme, Ameles Verlag, Böblingen 2003, S. 182-184

Autor: Erich Kläger

Bild: Sitzung der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, ca. Juni 1848. Zeichnung von Ludwig von Elliott, 1848, Historisches Museum der Stadt Frankfurt. (Bild: Wikipedia Commons)) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Eine „solenne Katzenmusik“ und die Einbuße seiner Fensterscheiben wurde dem Böblinger Dekan im Juni 1849 angedroht, wenn er nicht von seinem Vorhaben ablasse, einen Vaterländischen Verein zu gründen und die Mitglieder des Volksvereins als Lumpen und Gantleute (Bankrotteure) zu titulieren. Damit sind die Fronten klar abgesteckt, die revolutionäre Situation in der Stadt beleuchtet und zugleich ein Beitrag zur Frühgeschichte der politischen Parteien in Böblingen angedeutet. Ausdrücklich als Zweig des Frankfurter Märzvereins hat sich, zahlreichen Beispielen im Lande folgend, 1848 in Böblingen ein Volksverein konstituiert, der mit seinem Anliegen, eine Schule für politische Reife sein zu wollen, alsbald auch in den Gemeinden des Umlandes missionierte. In ihren Versammlungen wurde leidenschaftlich diskutiert, was immer die politischen Geister jener Zeit auf Landes- und Bundesebene bewegte. Hier war es vor allem der Gedanke der deutschen Einheit, den man durch die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt zu verwirklichen hoffte. Der Bezirk Böblingen wählte 1848 seinen bewährten Landtagsabgeordneten in die Paulskirche, der auch dessen Freund Ludwig Uhland angehörte: Dr. Albert Schott. Aus den zahlreichen Stellungnahmen des Böblinger Volksvereins geht hervor, daß in ihm die groß-deutsche Richtung vorherrscht; aus Abneigung gegen eine drohende kaiserlich-preußische Hegemonie war man für eine Reichslösung unter Einschluß Österreichs. Was die Verfassungsform angeht, so hegte man „zum Bestand des monarchischen Prinzips kein Vertrauen", wenngleich Schott, ein erklärter „Linker" die Republik ablehnte, mit der er Bürgerkrieg und Anarchie heraufziehen sah.

Die Liste der Forderungen des Böblinger Volksvereins ist lang und sie ist vor allem Ausdruck des Willes nach echter Verwirklichung der Volkssouveränität. Er wendet sich gegen ein stehendes Heer und für die Volksbewaffnung, für das alleinige Recht auf Geldverwilligung (Haushaltsrecht) durch die Volksvertretung, für die Freigabe der Presse u.a. Adressat ist die Nationalversammlung ebenso wie das Land Württemberg, für dessen Verfassung man konkrete Revisionsvorstellungen hatte, darunter auch solche für die Ausweitung der kommunalen Selbstverwaltung; ein erster Erfolg bedeutete hier 1849 die Abschaffung der lebenslänglichen Amtszeit der Gemeinderäte; sie wurden nun auf 6 Jahre gewählt. Die Zerschlagung des Rumpfparlaments der Frankfurter Nationalversammlung in Stuttgart wurde lebhaft beklagt und in der Zeitung bedauert; indes, die geballte Faust blieb in der Tasche, wie auch die Scheiben in der Wohnung des Dekans heil geblieben waren, dem man jene politischen Pläne zu Unrecht nachgesagt hatte. Seine Richtung der Liberal-Konservativen, die sich in Vaterländischen Vereinen konstituierten, gehörte (mit Unterbrechung des Märzministeriums Römer) ebenso zur Opposition im Lande wie die der radikalen Demokraten, die sich in den Volksvereinen zusammenschlössen. In beiden haben wir erste Ansätze für lokal aktive Parteien vor uns.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Zu diesem Thema siehe auch die zeitreise-bb-Artikel:
Sindelfingen in den Revolutionsjahren 1848/49
Das Jahr 1848 in Sindelfingen: Die Bürgerwehr - Ein Schritt zur Demokratisierung
und bei Wikipedia:
"Deutsche Revolution 1848/49"

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