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Böblingen - Europas Luftpostflughafen für Südamerika

Quelle: Katalog Luftpostausstellung Stuttgart 1994 (Europäischer Aero-Philatelisten-Club e.V. Stuttgart)

Autor: Erich Haberer
Einen Linienverkehr über einen der Ozeane aufzubauen, schien (nach dem Ende des Ersten Weltkriegs) zunächst unmöglich. Die Reichweite der Flugzeuge war zu gering. Nur die großen Luftschiffe waren in der Lage, die Weltmeere zu überbrücken. Auf dem Nordatlantik war Frankreich zunächst am schnellsten. Bereits 1928 katapultierte man ein Flugzeug vom Dampfer "Ile de France" Richtung USA und verkürzte so die Postlaufzeit. Allerdings bewährte sich dieser Postdienst nicht...

Mit besseren Ergebnissen konnte die Deutsche Lufthansa aufwarten, die in Zusammenarbeit mit dem Norddeutschen Lloyd ab 1929 vom Dampfer "Bremen" Flugzeuge katapultierte und zwar sowohl in Richtung USA auch in Richtung Europa. dieser Postdienst wurde bis zum Jahre 1935 durchgeführt und gab auch erste Erkenntnisse für einen Luftpostdienst über den Südatlantik.

Die Deutsche Lufthansa wollte von Anfang an den Weg weiter beschreiten, den sie im Nordatlantik so erfolgreich begonnen hatte. Dazu bedurfte es aber einer Absprungbasis in Afrika...Nach Verhandlungen mit der britischen Regierung konnte schließlich Bathurst in Gambia als Absprungbasis gewonnen werden. Nun galt es, den "Zwischenraum" auszufüllen. Zwei Dinge waren dafür Voraussetzung: Ein entsprechender Dampfer mit Katapultanlage und ein Schleppsegel. Im Jahre 1932 wurde deshalb die "Westfalen" vom Norddeutschen Lloyd gechartert und zum schwimmenden Flugzeugstützpunkt ausgebaut.

Bild: Karte der Flugpostlinie ca. 1935; mit Stuttgart ist der Böblinger Flugplatz gemeint, der Stuttgart-Böblingen hieß. (Karte: Archiv der Lufthansa AG Frankfurt/M.) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Im Jahre 1933 ist es dann soweit: Nach den abgeschlossenen Versuchen über die Tauglichkeit des Katapults ist die "Westfalen" im Atlantik eingetroffen. Am 2.6.1933 wird der erste Schleuderstart eines Flugbootes durchgeführt. Das Flugboot "Passat" fliegt von der "Westfalen" nach Bathurst, also an die afrikanische Küste. Am 6.6. 1933 folgt der DO-Wal1* "Monsun" mit seinem Flug nach Natal in Brasilien.


Im Amtsblatt Nr.4 des Reichspostministeriums vom 12. 1. 1934 wurde dann folgendes bekanntgegeben:

Deutsche Luftpost nach Südamerika. Am 3. Februar beginnt die Deutsche Lufthansa AG mit einem regelmäßigen Flugdienst nach Südamerika. Flugplan und Beförderungsweg: In der Richtung Europa (=Böblingen) - Südamerika werden die Flüge zunächst 14-täglich nach folgendem Plan verkehren:

ab Stuttgart/Böblingen Sonnabend
ab Sevilla Sonnabend
ab Las PalmasSonntag
ab Bathurst (British Gambia)Montag
ab Flugstützpunkt Dampfer Westfalen Dienstag
ab Natal (Brasilien)Mittwoch

Bild: Anzeige aus dem Winterflugplan 1935 der Deutschen Lufthansa (im Besitz von Herrn Gerhard Ganzhorn Sindelfingen) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern


Es war also soweit. Eine He 70 „Blitz“ startet auf dem Stuttgarter Flughafen in Böblingen und fliegt über Marseille nach Sevilla. Dort erfolgt die erste Umladung in ein Flugboot der Deutschen Lufthansa. Nach einer Zwischenlandung auf den Kanarischen Inseln erreicht die Maschine Bathurst. Hier liegt bereits das Katapultschiff „Westfalen“ im Hafen. Auf seiner Katapultanlage befindet sich der 8-Tonnen-Wal „Taifun“. Nach der Postübernahme läuft der Dampfer aus, um nach einer Fahrt von ca. 400 Seemeilen den „Taifun“ in Richtung Südamerika abzuschießen. Dort wartet eine auf Schwimmer gesetzte W 34 des Condor-Flugdienstes, um die Post zu übernehmen und nach Rio de Janeiro zu bringen. Die Postlaufzeit Deutschland-Südamerika beträgt jetzt nur noch 5 Tage.

Bild: Zeichnung eines Flugzeugmutterschiffs ca. 1932/33 (Zeichnung: Archiv der Lufthansa AG Frankfurt/M.) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Der erste Rückflug findet bereits am 7.2.1934 statt. Zunächst wird die Post von Rio de Janeiro nach Natal gebracht. Dort wird sie auf den Dornier-Wal umgeladen. In der Zwischenzeit ist die „Westfalen“ bis zur Mitte des Atlantik weitergelaufen. Der Wal fliegt dem Schiff nach und geht neben ihm auf dem Wasser nieder. Das Flugzeug wird über das Schleppsegel an Bord gehievt, frisch betankt, auf das Katapult gesetzt und in Richtung Afrika abgeschossen. Im Hafen von Bathurst wassert der Wal, wird erneut aufgetankt und fliegt noch in der Nacht weiter nach Larache in Spanisch Marokko. Dort wird die Post in die wartende He 70 umgeladen und nach Deutschland geflogen. In Böblingen trifft diese erste Luftpost aus Südamerika am 12.2.1934 ein. (Schon) im Sommer 1934 traf im Südatlantik das Flugzeugmutterschiff „Schwabenland“ ein, so dass ein Schiff an der afrikanischen und das andere südamerikanischen Küste stationiert war. Mit dem Flug am 30.3.1935 wird der Nachtflugverkehr aufgenommen und die Postlaufzeit dadurch von 4 auf 3 Tage verkürzt.

Bild: Schiff „Schwabenland“ mit gehievtem Flugzeug (Foto: Archiv der Lufthansa AG Frankfurt/M.)

Schon mit dem ersten Flug wurde auch Vertragsstaaten- und Mitläuferpost2* befördert. Von vielen europäischen Postverwaltungen wurde die Route mitbenutzt und dafür die Post aufgeliefert. Mit 21 europäischen Staaten (z.B. von Belgien bis zum Vatikan) wurden Sonderkonditionen für den Luftpostdienst von Böblingen nach Südamerika vereinbart. (Siehe Bildleiste unten mit Originalbriefen.)

Die Ära, in der Böblingen der Ausgangspunkt für den Luftverkehr nach Südamerika war, ging mit dem Flug vom 23.4.1936 aus Südamerika zu Ende3*. Am gleichen Tag startete die erste Lufthansa-Maschine von Frankfurt/Main aus...

(Nach Kriegsbeginn) endete für viele Jahre der Südatlantik-Dienst der Deutschen Lufthansa. Erst im Jahre 1956 tauchten die Maschinen mit dem Kranich am Leitwerk wieder in Südamerika auf. Die neue Deutsche Lufthansa flog dieses Mal allerdings im Direktflug über den Südatlantik.

1

Dornier „Wal“ war die Bezeichnung der erfolgreichsten Flugboot-Baureihe Do J von Dornier

2

Post aus Staaten, mit denen es keine vertragliche Regelung gab

3

Schon 1935 waren Landesbefugnisse zugunsten des Reichsluftfahrtministeriums ausgeschaltet worden

Der Text wurde gekürzt. Wir danken dem Autor für die Überlassung des Textes und Herrn Ganzhorn Sindelfingen für die Originalbriefe.

Ergänzendes Material:
  • Rudolf Philipp „Luftpostflughafen Stuttgart-Böblingen“, 1987 (mit allen Abflugzeiten u.ä.; im Fundus des Stadtarchivs Böblingen)
  • Erwin Funk „Böblingen – Fliegerstadt und Garnison“, Stadt Böblingen 1974
Briefe, die über Böblingen als Luftposthafen transportiert wurden:



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