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Zur Vor- und Frühgeschichte des Kreises Böblingen

Aus der Frühzeit der Menschheit: altsteinzeitliche Funde in Böblingen

Quelle: Spuren der Steinzeit in Böblingen, Böblingen 1990, herausgegeben von Dr. Günter Scholz, (Böblinger Museumsschriften 2)

Autor: Friedrich Gumbsch
Spuren menschlichen Wirkens begegnet man in der Altsteinzeit (Paläolithikum) nur selten. Bis auf wenige Ausnahmen findet man sie nur in Höhlen. Freilandfundstellen sind hingegen kaum ausfindig zu machen. Sie werden meist nur zufällig entdeckt. Solchen Zufällen mag es zu verdanken sein, dass man im Bereich der heutigen Stadt Böblingen auf Spuren von Menschen stieß, die sich hier bereits in der jüngeren Altsteinzeit (40.000 bis 10.000 v. Chr.) aufhielten.

Bild: Altsteinzeitliche Geschossspitze vom Typ Gravettien (25.000-20.000 v. Chr.) aus dem Gewann "Bürklen". (Aus: Spuren der Steinzeit in Böblingen, Böblingen 1990, S. 30)

Der erste Fund: Bruchstücke einer Jagdwaffe
Im Gewann "Bürklen" auf der dem Gewann "Thomaried" zugeneigten Hanglage wurden bei der Suche nach Zeugnissen der Jungsteinzeit zwei exakt zueinander gehörende Bruchstücke einer Geschossspitze gefunden. Dabei handelt es sich um eine Jagdwaffe, die in ihrer Form und Herstellungsart dem Typus Gravettien (25.000 - 20.000 v. Chr.) entspricht. Dieser Zeitabschnitt ist nach dem Hauptfundort La Gravette, Frankreich, benannt, wo erstmals Jagdwaffen und Geräte des entsprechenden Typs, dessen Verbreitungsgebiet bis nach Mitteleuropa hineinreichte, gefunden worden sind. Diese Geschossspitze ist ein Artefakt,1* das von damals lebenden Menschen hergestellt und sicherlich auch benutzt worden ist. Nur wie kam die Geschossspitze hierher?

Die jüngere Altsteinzeit fällt zeitlich in die beginnende und später wieder abklingende letzte Eiszeit, die etwa um 20.000 - 17.000 v. Chr. ihren Höchststand erreichte. Mit Sicherheit war damals unser Gebiet mit einer für die Menschen sehr unwirtlichen Tundrensteppe überzogen, die aber dennoch mit den typischen Vertretern der arktischen Tierwelt, wie Mammut, Wollnashorn, Wildpferd, Ren, Riesenhirsch usw. belebt war. Wahrscheinlich wanderten die Tiere im Herbst bei starker Kälte in großen Zügen in wärmeres und im Frühjahr wieder zurück in unser Gebiet. In Frankreich sind neben Knochen dieser Tiere sogar Bilder auf Knochenartefakten und in Höhlen entdeckt worden, auf denen Tiere abgebildet sind.

Die Menschen lebten damals ausschließlich vom Jagen und vom Sammeln von Früchten, Körnern oder Pilzen. Ihre Hauptnahrung bestand aus tierischem Eiweiß. Infolgedessen folgten sie den jagdbaren Tierherden und werden auf diese Weise unser Gebiet nomadenhaft durchzogen haben. Von den ihnen vielleicht schon vertrauten Jagd- oder Lagerplätzen aus werden sie dann den Tieren nachgestellt haben.

Die Großwildjagd war beschwerlich und gefährlich. Angesichts der einfachen Waffen, wie Spieße und Lanzen mit Knochenspitzen, mussten die Tiere überlistet werden. Hierfür boten sich moorige und sumpfige Gebiete an, in welche die Tiere bei Treibjagden hineingetrieben wurden. Es ist aber auch anzunehmen, dass die Großtiere während des kurzen arktischen Sommers unter Insektenplage litten. Sie suchten deshalb morastige Stellen oder Sümpfe auf, wo sie sich dann suhlten. Dabei sanken die Tiere in den morastigen Boden ein und konnten so leicht erlegt werden.

Daraus mag sich erklären, dass viele der Jagd- oder Lagerplätze in der Nähe und oftmals oberhalb moorigen und sumpfigen Geländes gefunden worden sind.

Unsere Fundstelle liegt oberhalb des heute noch sumpfigen Thomarieds. Die Hanglage gibt einen guten Überblick über die ganze Talaue. Sie war anscheinend nur ein Jagd-, aber kein Lagerplatz. Es fehlten nämlich größere Mengen an Knochen, zerbrochenen Waffen und Geräten, die üblicherweise sonst noch gefunden werden. Denn dort, wo die Beute verzehrt wird, und wo Waffen und Geräte angefertigt werden, bleiben entsprechende Reste zurück.

Interessanterweise sind die beiden Bruchstücke der Geschossspitze in Verbindung mit Silexabschlägen (Feuerstein) aus der Mittel- und Jungsteinzeit gefunden worden. Deswegen, und da es sich um einen der wenigen Freilandfunde handelt, ließ das Institut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Tübingen eine Grabung vor Ort durchführen. In mehreren kleinen Suchschnittgräben wurden zwar weitere Funde der Jung-, nicht aber der Altsteinzeit geborgen. Freilich glich dieses Grabungsvorhaben ohnehin dem Versuch, in einem Heuhaufen eine Nähnadel finden zu wollen.

Bild: Mammutstoßzähne vom Fundort Hulb (Spuren der Steinzeit in Böblingen, Böblingen 1990, S. 30)

Der zweite Fund: Mammutstoßzähne auf der Hulb
1983 wurde auf dem Gelände der Hulb bei einer Ausschachtung für einen Gebäudekomplex durch die Aufmerksamkeit eines Baggerführers ein Mammutstoßzahn freigelegt. Die Fundstelle wurde daraufhin vom Landesdenkmalamt Stuttgart von Herrn Dr. Eberhard Wagner eingehend stratigrafisch2* untersucht. Dabei wurden zwei Mammutstoßzähne, ein Ober- und Unterkiefer mit Molaren und ein Schulterblatt eines Mammuts, Knochen von Fellnashorn und Wildpferd in Streulage gefunden. Die Funde sind etwa 14000 Jahre alt und gehören in den Zeitabschnitt Magdalenien; benannt nach dem Hauptfundort in Frankreich. Sie wurden zwischenzeitlich sorgfältig präpariert und der Stadt Böblingen übergeben.

Nach der Streulage und der Anzahl der verschiedenen Tiere, von denen Knochen identifiziert wurden, muss es sich um einen Jagd- oder Zerlegungsplatz, wohin die Beute zunächst gebracht wurde, gehandelt haben. Dafür spricht vor allem die eigenartige Lagerung oder Fundlage einzelner Knochen; z. B. lag ein Unterkiefer mit den Kauflächen vollkommen unüblich nach unten, wie er nur von Menschen gelagert worden sein konnte. Außerdem sind an den Wildpferdknochen, es handelt sich um Schienbeinknochen (Tibien), Schnitt- und Schlagspuren zu beobachten, die zweifelsfrei Zerlegungsspuren sind. Die Tibien sind genau dort abgeschlagen worden, wo sie nur noch aus Haut und Knochen bestanden, sonst also nicht mehr verwertbar waren. Mehrere Knochen zeigen scharfkantige Schlagbrüche und Längsaufspaltungen, was wiederum nur von Menschen bewirkt werden konnte.

Von Interesse ist die Parallele zum Fundort Bürklen/Thomaried. Auch der Fundplatz auf der Hulb liegt auf einem flachen Hanggelände oberhalb eines früheren, das Tal füllenden und weithin überschaubaren Niedermoores. Da am Fundort keinerlei Geräte oder zerbrochene Waffen gefunden worden sind, kann es nur ein Jagd- oder Zerlegungsplatz gewesen sein.

Solche Freilandfunde sind sehr selten. Dass im Bereich der Stadt Böblingen gleich zwei Fundstellen anzutreffen sind, überrascht. Die Funde gewinnen insoweit noch an Bedeutung, als sie zeitlich zwei verschiedenen Zeitabschnitten zuzuordnen sind, in denen Menschen trotz des sehr unfreundlichen Klimas zumindest als Jäger hier nachweisbar sind.

1

von Menschen erschaffenes Erzeugnis

2

Stratigrafie: Schichtungsbefund einer Grabungsstätte. Wichtiges archäologisches Hilfsmittel, das aus der Geologie übernommen wurde und darauf beruht, dass von zwei übereinanderliegenden Ablagerungsschichten in der Regel die obere jünger als die untere ist.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und den Museen der Stadt Böblingen

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