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Patriarch und Technik-Pionier - Eugen Eisenmann

Quelle: Böblingen macht Lebensgeschichte(n). Sonderveröffentlichung der Kreiszeitung/Böblinger Bote „750 Jahre Böblingen“, 2003

Autor: Erich Kläger

Bild: Firmengründer Eugen Eisenmann (1911-1991). (Foto: Eisenmann)

Im Jahre 1911 in Stuttgart geboren, hat Eugen Eisenmann Vitalität, Durchsetzungsvermögen, den Sinn fürs Tüfteln und den Willen zur Unabhängigkeit stets auf seine Vorfahren zurückgeführt, die schwäbische Bauern und Handwerker waren. Durch den Krieg früh vaterlos, musste er schon in jungen Jahren Verantwortung für die Familie übernehmen. Auf Schlosserlehre und Ingenieurpraktikum bei Daimler folgte das Studium an der Maschinenbauschule Esslingen, das er 1936 mit dem Ingenieurexamen abschloss. Schon in seiner ersten Stelle bei einer Kolbenfabrik optimierte er die Serienfertigung durch konstruktive Verbesserungen. Aus dem Krieg als Verwundeter zurückgekehrt, fand er Elternhaus und eigenen Hausstand in Trümmern, die Familie evakuiert und die berufliche Existenz zerschlagen.

Den Neustart begann Eugen Eisenmann als Verkaufsingenieur für Werkzeuge und Maschinen. Bahnbrechende Untersuchungen zur künstlichen Holztrocknung und konstruktive Ideen zu deren Umsetzung in der Praxis führten zur Gründung eines Ingenieurbüros und anschließend zu einer eigenen Fabrikation. Mit wenigen gezielt und mit glücklicher Hand ausgewählten Mitarbeitern begann er 1951 in Stuttgart-Gaisburg die Fertigung von Holztrocknungsanlagen. Bald folgten Lackiereinrichtungen, zunächst für Holz, später auch für den Metallbereich.

Wie zuvor Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts haben Stuttgarter Industriepioniere ihren Fuß nach Böblingen gesetzt und dies nicht bereut; nicht nur, daß sie nur so der Raumnot „zwischen Wald und Reben" entgehen konnten, sie haben hier auch ein Klima der Aufgeschlossenheit gefunden, das für die Nachkriegszeit einen Namen hatte: Wolfgang Brumme, Bürgermeister, später Oberbürgermeister, auch ein Stuttgarter, aber einer vor allem, der ein Gespür für zukunftsträchtige Unternehmen hatte und mit Eugen Eisenmann auf einen traf, der ihm in vielem glich.

Umzug nach Böblingen
Im Jahre 1954 erwarb Eisenmann in Böblingen an der Tübinger Straße 40 000 m2 Gelände auf dem die ersten Produktionshallen gebaut wurden. Im Jahre 1959 verlegte der Unternehmer die Firma mit damals schon 100 Mitarbeitern ganz nach Böblingen, für die Wirtschaftsgeschichte der Stadt ein herausragendes Datum. Eisenmann machte in Böblingen dort weiter, wo er in Stuttgart angefangen hatte: Zu Lacktrocknern und Lack-Spritzkabinen kamen Anlagen für Tauchlackierung und Metallvorbehandlung. Und erstmals in größerem Umfang, was ein wesentlicher Strang werden sollte: fördertechnische Anlagen. Im Jahre 1960 ist der Bau der ersten Radiatoren-Lackierstraße zu verzeichnen, der zahlreiche weitere folgen sollten. Und Anlagenbau ist Maßschneiderei, d. h. jeder Auftrag wurde den individuellen Betriebsverhältnissen des Kunden angepasst. Es ist die Zeit, da mit dem Umweltschutz ernst gemacht wurde; noch bevor der Gesetzgeber mit Forderungen in Erscheinung trat, hatte Eisenmann technische Vorleistungen erbracht: 1962 kamen Abwasserbehandlungsanlagen und 1966 Abluftreinigungsanlagen hinzu. Seitdem bietet das Unternehmen den Betreibern von Lackier- und anderen entsorgungspflichtigen Anlagen auch die Lösung ihrer Abluft und Abwasserprobleme aus eigener Fertigung. Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal ist Eisenmann Pionier bei der Umsetzung neuer Verfahren: 1964 entsteht die erste Elektrotauchlackieranlage, 1968 kommt die elektrostatische Pulverbeschichtung ins Programm: umweltfreundlich, qualitativ hochwertig und wirtschaftlich vorteilhaft: weltweit werden davon über 1000 Anlagen gebaut!

Im Jahre 1971 feiern schon 540 Mitarbeiter das 20-jährige Bestehen des Unternehmens und den 60. Geburtstag von Eugen Eisenmann. Der nimmt dies zum Anlass, ein Sozialwerk und eine betriebliche Altersversorgung ins Leben zu rufen. Im gleichen Jahr erhält die Firma für das Werksgelände einen Preis beim Wettbewerb „Industrie in der Landschaft".

Bild: Der Böblinger Firmensitz. (Foto: Eisenmann)

Die Firma expandiert
Im Jahre 1973 tritt Peter Eisenmann, der Sohn des Gründers, als Mit-Geschäftsführer in die Firma ein. Im gleichen Jahr verzeichnet Eisenmann zwei Höhepunkte: den Bau von Deutschlands erster Produktionsanlage für Elektronenstrahlhärtung und zwei der weltgrößten Rohrbeschichtungsstraßen, darunter die erste europäische Epoxy-Anlage für Pipelines. 1976 feiert das Unternehmen sein 25-jähriges Jubiläum und mit dem Gründer dessen 65. Geburtstag. Im gleichen Jahr verzeichnet die Automobilindustrie ein bedeutsames Datum: Eisenmann baut die erste kathodische Tauchlackieranlage Deutschlands, die durch ihre exzellenten Rostschutzeigenschaften maßgeblich die längere Haltbarkeit der Pkws garantiert. Zur gleichen Zeit erhält die Fördertechnik ihren bisher bedeutendsten Auftrag: die kompletten Materialfluss-Einrichtungen für ein Großversandhaus.

Eugen Eisenmann zieht sich 1977 zurück und legt sein Lebenswerk endgültig in die Hände seines Sohnes. Bis 1991 kann er bei voller Vitalität den weiteren Aufstieg seiner Gründung verfolgen, ehe er nach nur kurzer Krankheit stirbt. Unter Peter Eisenmann, Jahrgang 1942, setzt sich der Aufwärtstrend kontinuierlich fort: 1977 rund 600 Beschäftigte, Ende 2002 allein in Deutschland (mit den Standorten Böblingen, Holzgerlingen, Ottmarsheim) 1600 und insgesamt 2 800 weltweit. 1978 entsteht die US-Tochter Eisenmann Corporation in Christal Lake bei Chicago. Seit Frühjahr 2002 fertigt Eisenmann do Brasil in Cruzeiro für Südamerika bestimmte Anlagen vor Ort. Auslandsbüros in vielen Teilen der Welt sorgen für Kundennähe in einem immer härter umkämpften Markt.

In die Zukunft investiert
Die steigende Expansion des Unternehmens führte in Böblingen zu Platznot, deshalb weicht Eisenmann nach Holzgerlingen aus. Ab 1980 entstehen in rascher Folge ein dreistöckiges Verwaltungsgebäude in Böblingen, mehrere Büroflügel in Holzgerlingen und Montagehallen an beiden Standorten. 1995 erhält die Verwaltung in Böblingen ihr heutiges markantes Gesicht. Die Installation des Bildungszentrums wie auch die getroffenen umfangreichen Investitionen insgesamt sieht Eisenmann als Rüstzeug für die Zukunft, damit die Firmengeschichte des HighTech-Unternehmens trotz der derzeit weltweit höchst schwierigen Marktsituation erfolgreich fortgeschrieben werden kann.

Bild: Eugen Eisenmann bei der Sonntagsmalerausstellung in seiner Böblinger Fabrik, 1971 gemalt von Maria Kloss. (Foto: Eisenmann)

Malerei mehr als Hobby
Alleine auf die technische Begabung oder die unternehmerische Leistung lässt sich das Lebenswerk von Eugen Eisenmann nicht reduzieren. Heute mag es fast schon vergessen sein, doch Ältere erinnern sich noch gut an jenen Titel, den die Stadt Böblingen Eisenmann zu verdanken hatte: „Mekka der Sonntagsmaler".

In diesem Fall ging der Impuls von der Belegschaft aus. Das Hobby einiger Mitarbeiter machte der Firmenchef zu dem seinen. Doch nicht nur das. Bereits 1962 wurden erstmals Werke ausgestellt. Bald wurde die Galerie in der Kantine weit über Böblingen hinaus bekannt. Eine Jury musste die 300 zugelassenen Exponate aussieben. Die Galerie Eisenmann wurde zu einem festen Begriff, zum Forum der berühmtesten deutschen Naiven. Und dies zu einer Zeit, als die Kunstgeschichte diesen Bereich noch weitgehend links liegen ließ. Da Eisenmann schon früh Werke kaufte, diese dann mit Klassikern der Sonntagsmalerei ergänzte, konnte er um 1980 auf eine Sammlung von rund 700 Arbeiten stolz sein, die als größte und bedeutendste ihrer Art galt.

Zum 70. Geburtstag Eisenmanns wurden rund 140 Bilder aus seiner Sammlung mit 10 berühmten Franzosen wie Rousseau konfrontiert. Das neue Foyer der Sporthalle wird zur Pilgerstätte der Freunde dieser Kunstform. Doch in der Heimat seines Betriebs stößt Eisenmann nicht auf jene Offenheit und Begeisterung gar Unterstützung, um seine Werke dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich machen zu können. Da schwingt leiser Groll mit, Enttäuschung, als er ab 1984 keine Ausstellungen mit Jahreswettbewerb mehr organisiert. Er beendet seine Sammlertätigkeit. Heute erinnert nur noch der Wandschmuck in den Büroräumen an die Passion des Firmengründers.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Kreiszeitung / Böblinger Bote

Die Firma Eisenmann finden Sie im Internet unter www.eisenmann.de.

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