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Böblingen>>Wirtschafts-/Sozialgeschichte>>Entlassung aus Leibeigenschaft
Zum Wesen und Wandel feudaler Abhängigkeit Ende des 18. Jahrhunderts

Anna Barbara Schlotterbeck bittet um Entlassung aus der Leibeigenschaft

Quelle: Böblingen – Geschichte in Gestalten. Von den Anfängen bis zum Ende der Ära Brumme, Ameles Verlag, Böblingen 2003, S. 116-117

Autor: Erich Kläger
Als die Böblingerin Anna Barbara Schlotterbeck im Jahre 1791 eine Gelegenheit hatte, sich nach Deufringen zu verheiraten, stieß sie auf ein ernstes Hindernis: die Gemeinde dort verlangte, dass sie zuvor ihre Entlassung aus der Leibeigenschaft betreiben müsse. Also machte sie sich auf den Weg zur Oberamts-Schreiberei in Böblingen, wo sich der Schreiber Hopfenstock ihrer Sache annahm und den erforderlichen Antrag an den Herzog aufsetzte.

Zunächst der Betreff:

„Anna Barbara weil.(and) Johannes Schlotterbecken gewesenen Zimmermanns allda hinterlassene ledige Tochter bittet demütigst, sie von der zur Herzogl. Geistl. Verwaltung Böblingen tragenden Leibeigenschaft gegen ein ordentliches Abkauf-Geld gnädigst loszuzahlen." Der Wortlaut des Antrags auf „Manumission“ (Entlassung aus der Leibeigenschaft):

"Durchlauchtigster Herzog, gnädigster Herzog und Herr! Es stünde mir eine Gelegenheit an, mich an einen Bürger zu Teufringen, Böblinger Oberamts, zu verheuraten; die dortige Commun-Vorsteher aber •wollen mich nicht in das Bürgerrecht aufnehmen, bevor ich von der zur Herzogl. Geistl. Verwaltung Böblingen tragenden Leibeigenschaft gnädigst freigekauft seye. Um nun dadurch nicht an meiner Versorgung gehindert zu werden, welche bei so wenigem Vermögen, wie das meinige ist, so bitte Euer Herzogl. Durchlaucht ich hiermit untertänigst, mich gegen ein ordentl. Abkauf-Geld gnädigst zu manumittieren. Unter anhaltend gnädigster Willfahr in tiefster Erniedrigung beharrend Euer Herzogl. Durchlaucht demütigst gehorsamste Anna Barbara, des verstorbenen Johannes Schlotterbecken, Zimmermanns hinterlassem ledige Tochter zu Böblingen." Ihr weiterer Weg führt sie zum Geistlichen Verwalter (der seit 1575 seinen Sitz sowie einen Fracht- und Kornkasten zeitweise in Sindelfingen hatte). Dieser setzte eine Stellungnahme zum Antrag der "demütigsten Supplicantin" auf, in der er zunächst aufklärt, wie es zu der Leibeigenschaft gekommen ist: sie ist "von der Bebenhäuß.(ischen) Pfleg Weil im Schönb. her leibeigen". Dies ist wichtig, weil sich danach ihre Leistungspflicht bemisst; also zitiert er, dass "nach deren Servitut die damit behaftete Manns oder Weibs-Personen bey ihrer Verheuratung keinen "Brautlauf“ schuldig sind, nachher aber jährlich eine Leibhenne (oder das Geld dafür) reichen mußten und auf ihr Absterben, von einer Manns Person von 100 Pfund Heller eigenen Vermögens 1 Gulden (von einer Weibs-Person etwas weniger) „zu Hauptrecht gefallet".

Leibeigenschaft bedeutete am Ende des 18.Jahrhunderts nur noch eine Abgabepflicht, die an der Person, am Leib, haftete, und vom Ursprung her Äquivalent für den Schutz und Schirm verstanden wurde, den ihr „Leibherr" ihnen gewährte. Was die Menschen zu jener Zeit vor allem drückte, waren die auf dem Grundeigentum lastenden Abgaben und die damit verbundenen Pflichten; wenn auch der Status der Leibeigenschaft sie in dieser rudimentären Form persönlich nicht sonderlich beschwerte und nur noch bei einer Minderheit bestand, im Lichte der Aufklärung war dies ein Zustand, der historisch überwunden werden musste! So enthält denn auch der Katalog von "Wünschen des württ. Landtags zur Verbesserung der Landeskultur im Jahre 1798" einen Paragraphen, der sich dazu äußert: "Eltern und Voreltern waren nicht befugt, die angebotenen Menschenrechte ihrer Nachkommen zu veräußern und diesen, ehe sie noch geboren waren, die Verbindlichkeit aufzuerlegen, nicht dem Staate, sondern einem Dritten gewisse Dienste zu leisten oder einen jährlichen Leibzins und andere Abgaben zu bezahlen. Die persönliche und lokale Leibeigenschaft ruhet mithin auf keinem zu rechtfertigenden Grunde, sondern verletzt vielmehr das Gesetz der Natur von Gleichheit und beleidigt die Rechte der Menschheit."

Unsere Anna Barbara Schlotterbeck hätte die sich ihr im Jahre 1791 in Deufringen bietende Gelegenheit zur Heirat bis zum Jahre 1817 aufschieben müssen, wenn sie auf die Abschaffung der Leibeigenschaft gewartet hätte; sie stand ihr aber auch damals nicht ernstlich im Wege, denn ihrem Gesuch auf Entlassung wurde alsbald stattgegeben! (Aus Rücksicht auf ihren bedürftigen Status ohne „Abkauf-Geld")

Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Eine ausführlichere Version des Artikels von Erich Kläger erschien unter dem Titel „Die Böblingerin Anna Barbara Schlotterbeck bittet 1791 um Entlassung aus der Leibeigenschaft“, in: Aus Schönbuch und Gäu, Beilage der Kreiszeitung / Böblinger Bote, 11+12/1989.

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