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Bondorf>>Römische Fundstücke
Die Römer im Oberen Gäu

Funde aus der Bondorfer Villa Rustica

Quelle: Die Villa rustica von Bondorf. - Hrsg.: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 51), Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1994, S. 175, 180-184.

Autor: Anita Gaubatz-Sattler

Foto: Widdertragender Hirte aus Knochen. Griff eines römischen Klappmessers aus der Bondorfer Villa rustica. (Aus: Die Villa rustica von Bondorf, Stuttgart 1994, Tafel 57).
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Bei der Ausgrabung der römischen Villa Rustica bei Bondorf wurden neben Gebäuderesten auch viele interessante Fundstücke ausgegraben.
Die nachweislich ältesten Besiedlungsspuren reichen bis in die Jungsteinzeit zurück. Aus römischer Zeit wurden neben Münzen, Tongefäßen und Werkzeugen auch einige herausragende Stücke geborgen, die die Bedeutung der Bondorfer Anlage unterstreichen. Aufgrund ihres ästhetischen Reizes fanden sie auch über Fachkreise hinaus Beachtung.
Anita Gaubatz-Sattler, die im Auftrag des Landesdenkmalamtes eine umfangreiche Publikation über die Bondorfer Villa verfasste, hat sie näher beschreiben:

Messergriff mit Darstellung eines widdertragenden Hirten
Der herausragende Fund bei den Gegenständen aus Knochen und Bein stellt der figürliche Griff eines Klappmessers dar.1* Dargestellt ist ein Mann in kurzem Hemd, der auf den Schultern einen Widder trägt. A. Rüsch hat die Beinschnitzerei bereits veröffentlicht und zeigen können, dass es sich bei dem Widderträger um ein Motiv handelt, das seit dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. eine lange und verbreitete Tradition besitzt.2* Der widdertragende Hirte ist eines von mehreren Schäfermotiven, die als Darstellungen ländlichen Idylls (Bukolik) gebräuchlich sind.
Vergleichbare Griffgestaltungen sind bekannt von Cham-Hagendorn (Kt. Zug) und Bonn. ... Der Griff aus Hagendorn stammt aus einem Fundkomplex, der an das Ende des 2. bzw. den Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. datiert. Der Bondorfer Befund liefert eine ähnliche Datierung. ... Zu diesem Zeitpunkt haben die Darstellungen der Widderträger noch keinerlei christlichen Sinngehalt.3*
Römische Klappmesser weisen in der Gestaltung eine große Formenvielfalt auf. ... Die Zierlichkeit des Bondorfer Griffs lässt an Schneidewerkzeug für feineres und dünneres Material denken. Interessant erscheint die von E. v. Merklin festgestellte Verbreitung dieser Messerform, die sich auf das westliche römische Reich beschränkte.
Der figürlich geschnitzte Klappmessergriff zählt aufgrund von Form, Material und Seltenheit zu den exzeptionellen Funden der Bondorfer Villa rustica und offenbart die Bedeutung dieser Anlage im 3. Jahrhundert n. Chr. ...

Foto: Torso eines Römischen Götterstandbildes aus der Bondorfer Villa rustica (restaurierter, bzw. ergänzter Zustand). (Aus: Die Villa rustica von Bondorf, Stuttgart 1994, Tafel 58). - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Mars oder Mercur, Jupiter oder Apoll? - Der Torso aus Bondorf
Unter den geborgenen Skulpturfragmenten besticht der rundplastisch gearbeitete, männliche Torso4*.
Der nackte, freistehende Torso ist leicht unterlebensgroß. Die Plastik gibt das polykletische5* Schema wieder: Angabe der Linea alba6*, der Inscriptiones7*, der Leistenfalte sowie des Pubes8* mit den Haarlocken. Durch das linke, leicht nach hinter versetzte Spielbein zeigt sich eine Hüftverschiebung auf der rechten Seite. Das linke Bein steht auf den Fußzehen. Der linke Fußzeh und die antike Basisunterkante fehlen. Der linke Arm war körpernah gesenkt gehalten und lag am rechten Oberschenkel an. Geringe Reste dieser Handhaltung sind am rechten Oberschenkel erkennbar. Der rechte Armkugelansatz deutet eine Armhaltung in Schulterhöhe an. Reste einer an die Figur geführten Stütze sind nicht zu erkennen. Bei der Ergänzung wurden das rechte Bein und die Plinthe hinzugefügt. ...
Als Darstellung welcher Gottheit ist der Torso anzusprechen? Denkbar sind die Gottheiten Jupiter, Hercules, Apollo, Mercur und Mars. ... Die Gottheit des Bondorfer Torso ist nicht mit letzter Sicherheit zu bestimmen. Die fehlenden Attribute lassen eine eindeutige Ansprache als Apollo, Mercur oder Mars nicht zu, wenngleich das Vorbild des nackten Marstypus am nächsten erscheint.9*
Die gute, anspruchsvolle Arbeit spricht beim Bondorfer Torso für einen Steinmetzen, der in einer der größeren Provinzstädte gelernt und gearbeitet hat. Wo sich die eigentliche Werkstatt befand, entzieht sich unserer Kenntnis; im nahen Rottenburg findet sich unter den erhaltenen Skulpturen jedenfalls kein vergleichbar qualitätsvolles Stück.
Der Bondorfer Torso deutet darauf hin, dass dieser an griechisch-römischen Vorbildern orientiert war, und möglicherweise einem polykletischen Statuentypus, dem "Diadumenos", nachempfunden ist. ... Das Standmotiv mit dem weit zurückgesetzten Spielbein, das einen räumlichen Eindruck vermittelt, könnte für eine Datierung in die 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. sprechen. ... Der Bondorfer Torso mag danach um die Jahrhundertwende gefertigt worden sein, zu einem Zeitpunkt, wo dem Auftraggeber die nötigen Finanzmittel für eine derart qualitätvolle Steinmetzarbeit zur Verfügung standen. ...

1

Das Stück lag in der Einfüllungsschicht des Kellerzugangs im Hauptgebäude

2

A. Rüsch: Römische Klappmesser aus Königen und Bondorf. In: Fundberichte Baden-Württemberg 6/1981, S. 541ff.

3

Das frühe Christentum, das sich anfangs scheute Christus als Person darzustellen, übernahm das antike Charitasmotiv des guten Hirten und machte es zu einem Symbol für Christus.

4

Unvollständige oder unvollendete Skulptur

5

Polyklet = griechischer Bildhauer, 2. Hälfte 5 Jh. v. Chr.

6

Linea alba = die weiße Linie; der sehnige Streifen in der Mitte der vorderen Bauchwand.

7

Einzeichnungen

8

Schambereich

9

Die Körperhaltung des Bondorfer Torso entspricht insgesamt dem nackten Marstypus, wie er bei Bronzestatuetten häufig anzutreffen ist. Als Beschützer der Fluren bestimmte Mars auch den Bereich des täglichen Lebens, der für einen Gutshof besonders bedeutsam war.

Der Text wurde gekürzt

Auszugsweise Veröffentlichung des Textes und der Bilder mit freundlicher Genehmigung des Landesamts für Denkmalpflege BW

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