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"an den Pranger gestellt, gebrandmarckt, mit Ruthen ausgestrichen..." - Die "Landläufferin" Anna Catharina Simonin

Quelle: Aus Schönbuch und Gäu. Beilage des Böblinger Boten, 15/1950
Nichtsesshaftigkeit ist kein Problem unserer Zeit. Auch Frauen waren davon betroffen. 1766 tauchte im Gebiet des Oberamts Herrenberg eine "Landläufferin" namens Anna Catharina Simonin auf. In Gärtringen nahm man an ihrem Verhalten solchen Anstoß, dass man sie verhaften ließ. Ihr Fall schien damals größeres Aufsehen erregt zu haben, jedenfalls berichten die "Württembergischen Jahrbücher" ausführlich darüber. In der "Stutgardischen privilegirten Zeitung" konnte man im November 1766 folgendes lesen:

Bild: Frau in der Halsgeige. Ausschnitt aus einer Radierung von D. Chodowiecki, 18. Jh. (Bild: Kriminalmuseum Rothenburg ob der Tauber)

"Anna Catharina Simonin, eine gewohnte Betrügerin und Landläufferin, ohngefehr 50 Jahr alt, hagern Leibs, mittelmäßiger Größe, aus dem Lothringischen gebürtig, aber nirgends seßhaft, ist schon etlichemal seit einigen Jahren in hiesiger Herrenberger Gegend auf dem Bettelkarren, als eine vorgeblich gichtbrüchige und elende Weibsperson, hin und wieder geführt worden, wobey sie sich auch als vom Teufel besessen ausgegeben und unter diesem Vorwand zu Gültstein, desgleichen außer Lands, zu Scheer, Rastatt ff. allerley Leichtfertigkeiten verübt. Da sie nun vor etlichen Wochen zu Gertringen hiesigen Oberamts ihre Gauckeley auf das äußerste getrieben und durch gewaltige Verdrehung ihres Leibs, angenommene brüllende Stimme, ausgestoßene leichtfertige und boshafte Reden, und besonders sträflichen Missbrauch des göttlichen Worts viele Personen in der ganzen umliegenden Gegend hintergangen, und sogar in offentlicher Kirche zu Gertringen bey zahlreicher Versammlung der Gemeinde ein großes Ärgerniß angerichtet, so ist dieselbe von dem Oberamt Herrenberg gefänglich eingezogen, und auf erstatteten unterthänigsten Bericht zu Herzoglicher Regierung eine genaue Untersuchung angestellt worden, in welcher sie ihren verübten Betrug mit allen und jeden Umständen gutwillig einbekannt und zu dessen gänzlichem Beweiß diejenige Verdrehungen, Veränderungen der Stimme und all übriges Betragen, wodurch sie ihre Bosheit inzwischen wahrscheinlich zu machen gesucht, in der Verhör, so oft es verlangt worden, wiederholt hat, weßwegen sie zu wohlverdienter Straffe, da sie zumal auch falsche Pässe und Urkunden bey sich gehabt, per resolut. spec. vom 27. vorigen Monats (Oktobris), heute an Pranger gestellt, gebrandmarckt, mit Ruthen ausgestrichen, sofort nach abgeschworener Urphed des Hertzogthums und Lande, auch des ganzen Schwäbischen Crayses auf ewig verwiesen, und im Wiederbetretungsfall mit der Todesstraffe bedroht worden. Den 1. Novembris 1766. Oberamt Herrenberg".

Über das weitere Schicksal der Anna Catharina Simonin schweigen sich die Quellen leider aus. Der Text wirft jedoch ein interessantes Licht auf die gesellschaftliche und rechtliche Situation von Außenseitern um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e. V.

Gärtringen

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