zeitreise bb
Herrenberg>>Persönlichkeiten>>Vogt Gottlieb Friedrich Heß (1697 – 1761)
Chronist der Herrenberger Geschichte

Vogt Gottlieb Friedrich Heß (1692-1761)

Quelle: zeitreise bb

Autorin: Susanne Schmidt

Bild: Vogt Gottlieb Friedrich Heß (1697 – 1761). Portrait im Herrenberger Ratssaal. (Foto: StadtA Herrenberg)

Zu den herausragenden Gestalten der Herrenberger Geschichte gehört Gottlieb Friedrich Heß (1692-1761). 37 Jahre lang bekleidete er in Herrenberg das Amt eines Obervogts. Als Vertreter des Landesherrn mit umfassenden Kompetenzen in der Verwaltung vereinte er damals „mehr Macht in seinen Händen als heute ein Landrat und Amtsrichter zusammen“.1* Seinen Amtssitz hatte der Vogt in dem mächtigen Fachwerkgebäude der früheren Vogtei, dem späteren Oberamt (Kirchgasse 2).

Noch immer ist Vogt Heß in Herrenberg sehr präsent. Eine Straße und eine Schule tragen seinen Namen; sein Portrait ziert zusammen mit dem seiner Frau Justina Dorothea, geb. Dörtenbach den Ratssaal der Stadt und in der Stiftskirche erinnert ein von der Witwe in Auftrag gegebenes Epitaph an seine Leistungen.

Der erstaunlich vielseitig interessierte Heß war nicht nur ein pflichtbewusster Verwaltungsbeamter. Zu seinen nebenberuflichen „Hobbies“ zählten neben seinem Garten auch die Musik, die Geschichte und „ein freigebiges Gastgebertum mit gut gedeckter Tafel“.2* Der Nachwelt ist er vor allem als Chronist der Herrenberger Geschichte im Gedächtnis geblieben. In jahrzehntelanger Arbeit verfasste er umfangreiches Geschichtswerk, die sog. „Heß’sche Chronik“, deren Original sich heute im Besitz des Stuttgarter Hauptstaatsarchivs befindet.

Werdegang eines Beamten
Geboren wurde Gottlieb Friedrich Heß am 20. Juni 1697 in Sulz als Sohn des Vogtes Georg Friedrich Heß und der Agnes Felizitas geb. Greiß aus Böblingen. Dass er einmal in die Fußstapfen seines Vaters treten würde, war zunächst nicht abzusehen. Der Vater, seit 1714 Vogt in Herrenberg, hatte ihn für das Theologiestudium vorgesehen. Über die Klosterschulen Blaubeuren und Bebenhausen gelangte er 1717 ins Tübinger Stipendium. Da sein zur Beamtenlaufbahn bestimmter älterer Bruder kränkelte und man in der Familie offenbar mit seinem frühzeitigen Ableben rechnete, änderte der Vater das Ausbildungsprogramm. Gottlieb Friedrich wurde Jurist. Zunächst Mitarbeiter seines Vaters, trat er 1724 dessen Nachfolge an. Im Jahre 1725 heiratete er die aus Biberach stammende Justina Dorothea, geb. Dörtenbach (1704-1782).

Bild: Ehemalige Vogtei, später Oberamtei in Herrenberg. Das stattliche Fachwerkgebäude aus dem Jahre 1655 dominiert von oben den Herrenberger Marktplatz. Vogt Heß ließ das überdimensionierte Gebäude zu seiner Amtszeit fertig ausbauen und richtete in einer Etage einen Musiksaal ein.

Barocke Persönlichkeit
Ein lebendiges Portrait des Vogtes zeichnet der Herrenberger Stadtarchivar Roman Janssen: „Ein Mann durchaus seiner Zeit, des Hochbarocks, standesbewußt, von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt, sinnenfreudig, zugleich von großer Energie und Arbeitsamkeit und vor allem von einer gesunden Urteilskraft, dem Extremen abhold, fromm, aber nicht frömmlerisch“.3* In den vorhandenen Akten finden sich noch viele Spuren seiner amtlichen Tätigkeiten. „Ohne hier ins Einzelne gehen zu wollen“, resümiert Janssen, „lässt sich sagen, Parteilichkeit war nicht seinen Sache; (...) was er in barocken und oft langatmigen Formulierungen diktierte, ist in der Regel nüchtern eingeschätzt und menschlich abgewogen – Scharfmacherei lag ihm nicht.“4*

Bleibenden Anteil hat Heß übrigens an der Gestaltung des Herrenberger Stadtbildes. Als die Erneuerung der beiden baufällig gewordenen mittelalterlichen Türme der Stiftskirche anstand, machte er sich energisch für eine „große Lösung“ stark. Gegen alle Intrigen und Einwände des Magistrats setzte er sich letztlich durch und seit 1749 verleiht die barocke Zwiebelkuppel („welsche Haube“) der Stiftskirche ihr unverwechselbares Gepräge.5*

Unter den vielfältigen privaten Interessen des Vogtes kommt der Musik eine Sonderstellung zu. Nicht nur dass Heß ein eifriger Förderer der Kirchenmusik war, eine Musikschule gründete und selbst das Herrenberger Collegium Musicum leitete, zum Anlass der Vermählung des Herzogs Karl Eugen im Jahre 1748 komponierte er eine Operette, die er dem Herzog persönlich überreichen konnte und die den Titel „Lukretia“ trug. Leider ist das Werk, gegen das Dekan Johann Jakob Gmelin sogleich ein Verbot anstrengte, – es war ihm „zu weltlich“ -, bis heute verschollen.

Komplexes Geschichtswerk - die Heß’sche Chronik
Sein Hauptverdienst aus heutiger Sicht ist und bleibt die „Heß’sche Chronik“. Das komplexe Gesamtwerk ist, wie Roman Janssen herausstreicht, auf drei Ebenen entstanden. „Am Anfang scheinen zeitgeschichtlich chronikale Einträge gestanden zu haben, welche sich dann rückschreitend zu einer umfassenden echten Chronik von Stadt und Amt, dann Württembergs und des Reiches ausweiteten. In einem zweiten Teil hat Heß die Geschichte systematisch hinsichtlich Verfassung, Institutionen und nach Möglichkeiten biographisch zu den Amtsträgern aufgearbeitet. Schon sehr früh muss auch sein genealogisches Interesse erwacht sein. Diesem sehr umfangreichen Part ... verdankt er sein hohes Ansehen in der württembergischen Familienforschung.“6* Heß hat sich auch stets bemüht, ihm wichtig erscheinende Quellen als Abschrift der Nachwelt zu überliefern.

Wer heute die Heß’sche Chronik zu Rate ziehen will, greift in der Regel auch zu einer der beiden Abschriften. Die eine befindet sich in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart, die andere im Herrenberger Stadtarchiv. Die 2800 eng beschriebenen Folioseiten des Originals stellen dagegen an den Leser so hohe handschriftenkundliche Anforderungen, dass, wie Stadtarchivar Janssen augenzwinkernd bemerkt, „der Schwung des wissenschaftlichen Nachwuchses regelmäßig nach einer ersten Inaugenscheinnahme erlahmte“.7* Keine besondere Wertschätzung fand die Chronik übrigens bei seiner Frau Justina Dorothea. Nach dem Tod des Vogts, wollte sie das Werk an einen Trödler verkaufen, was der Stadt- und Amtsschreiber Johann Jakob Krafft gerade noch rechtzeitig verhindern konnte.8*

Gottlieb Friedrich Heß verstarb, vermutlich in Folge eines Schlaganfalls, am 13. Januar 1761. Mit seinem Testament rief er eine Studienstiftung ins Leben. Seine Gattin Justina Dorothea überlebte ihn um 21 Jahre. Nach ihrem Tod am 14. 2. 1782 vermachte auch sie ihr Vermögen wohltätigen Zwecken. Die beiden Heß’schen Stiftungen bestanden bis 1909.

1

Helmut Maier, Bedeutende Persönlichkeiten der Herrenberger Stadtgeschichte, in: Aus Schönbuch und Gäu - Beilage der Kreiszeitung Böblinger Bote, 1989/4+5, S. 14

2

Roman Janssen, Vogt Gottlieb Friedrich Heß (1697-1761) und Frau Justina Dorothea geb. Dörtenbach (1704-1782). In: Herrenberger Persönlichkeiten, Herrenberg 1999, S. 255

3

Roman Janssen, a.a.O., S. 256

4

Roman Janssen, a.a.O., S. 256

5

Siehe hierzu Rolf Bidlingmaier, Wie die Herrenberger Stiftskirche zu ihrer barocken Turmhaube kam, in: Aus Schönbuch und Gäu - Beilage der Kreiszeitung Böblinger Bote, 1986/9+10, 1986/11+12 und 1987/1+2

6

Roman Janssen, a.a.O., S. 260

7

Roman Janssen, a.a.O., S. 260

8

Krafft erwarb das Werk auf Kosten des Amtes. Es verblieb in Herrenberg bis es in den 20er Jahren des 20. Jhs. von der staatlichen Archivdirektion eingezogen wurde.


Leseprobe aus der Heß’schen Chronik - Bericht des Vogts über die Aufführung seiner Operette „Lukretia“ aus Anlass der Hochzeit Herzog Karl Eugens in der Herrenberger Vogtei am 26. September 1748.

Literatur:
Roman Janssen, Vogt Gottlieb Friedrich Heß (1697-1761) und Frau Justina Dorothea geb. Dörtenbach (1704-1782), in: Herrenberger Persönlichkeiten, Herrenberg 1999, S. 253-261
Helmut Maier, Bedeutende Persönlichkeiten der Herrenberger Stadtgeschichte, in: Aus Schönbuch und Gäu - Beilage der Kreiszeitung Böblinger Bote, 1989/4+5, S. 14

Diese Seite drucken
Zum Seitenanfang

www.zeitreise-bb.de