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Der Marktplatz von Herrenberg

Quelle: Denkmale in der Nachbarschaft - gesehen und besucht im Kreis Böblingen, Röhm Verlag, Sindelfingen 1990

Autor: Helmut Maier
Oben das Schloss, heute noch sichtbar durch den Aussichtsturm, in der Mitte die massige Stiftskirche, unten der Markt und die Bürgerhäuser, die mit ihrer strengen Ordnung an den horizontalen, radial verlaufenden Straßen und Gassen, das Bild der mittelalterlichen Stadt bewahren. Die Stadtmauer umschließt noch die Stadt . Nirgendwo ist der mittelalterliche Stadtaufbau mit Adel, Geistlichkeit und Bürgertum im Stadtbild so deutlich ablesbar, wie gerade in Herrenberg.

Bild: Herrenbergs gute Stube, der Marktplatz. Nostalgische Postkartenansicht vom Anfang des 20. Jahrhunderts. (Aus: Herrenberg - Stadt und Amt in alten Ansichtskarten, hrsg. von T. Schmolz und R. Janssen, Herrenberg 1988) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

1276 wird der Marktplatz erstmals urkundlich erwähnt. Doch er ist so alt wie die Stadt selbst. Ein Glanzstück mittelalterlicher Städtebaukunst mit der durch keinen Straßenzug zerteilten Geschlossenheit. Hier sind wir im Zentrum der alten Stadt, wo bis 1504 noch unter freiem Himmel Gericht gehalten wurde. Die Häuser um den Markt herum entstanden alle nach dem zweiten großen Stadtbrand 1635. Sie weisen besonders schöne Fachwerkmotive auf. Oben am Markt das Rathaus, 1806 als klassizistischer Bau mit verputztem Fachwerk erstellt, 1953 erneuert. Seine Vorgänger brannten 1466 und 1635 in den großen Stadtbränden mit ab. Der barocke Wappenstein neben dem heutigen Hauptportal stellt das Herrenberger Wappen dar. Es ist gegliedert nach dem Aufbau der Reitersiegel der Pfalzgrafen von Tübingen. Im Schild die dreilappige Fahne, in der Heraldik als Kirchenfahne bezeichnet. Anstelle des jetzigen steinernen Unterstocks befanden sich ehemals die Brotlauben und das Salzhaus. An das Rathaus grenzte nördlich die Metzig.

Die unter der Terrasse neben dem Rathaus liegenden Gewölbe (heute öffentliches WC) dienten als Stadtwache, Soldatenwache und Zuchthäusle. Daneben war der Stadtladen, in dem ursprünglich die Bürger beziehungsweise Handwerker ihre Waren feilboten. Darüber das "Oberamt" - das "Amtshaus" - die Vogtei und die Kellerei. Nach dem Stadtbrand wurde es im Jahre 1655 neu erbaut, als Vogtei- und Kellereiverwaltung. Ab 1759 wurde es, nach der Amtszeit von Vogt Heß, zur Oberamtei. Nach der Auflösung des Oberamts Herrenberg 1938, war es Sitz verschiedener staatlicher Behörden und dient heute verschiedenen Ämtern der Stadtverwaltung und dem staatlichen Gesundheitsamt. Vor dem Brand befand sich an dieser Stelle ein Kellereigebäude mit einem Fruchtkasten. Wahrscheinlich war es einer jener vier Landesfruchtkästen, deren Bau Graf Eberhard im Bart 1495 angeordnet hatte und die in Herrenberg, Kirchheim u. Teck, Markgröningen und Rosenfeld errichtet wurden.

Die Eckgebäude vom Marktplatz hinein in die Schuhgasse sind alte Herrenberger Handelshäuser, 1712 auf dem Grund des alten Vogthauses neu errichtet und in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufgestockt. Alle Gebäude gehörten dem bedeutenden Handelsmann Hans Jakob Khoenle. Die benachbarte Marktapotheke wurde 1679 errichtet. Hier wohnte der spätere Maler Theodor Schüz (1830 - 1900) während seiner Herrenberger Schulzeit bei seinem Onkel, dem Apotheker Paul Schüz.

Bild: Markttag in Herrenberg

Trennung durch die Stadt
Der alte Marktbrunnen wird bereits 1347 erstmals urkundlich erwähnt. Damals wurde Herrenberg unter den Pfalzgrafenbrüdern Rudolf und Konrad für etwa 30 Jahre in zwei Hälften geteilt. Die Trennungslinie verlief mitten durch die Stadt, von der Kirchgasse hinunter zum Marktplatz und von da entlang der Bronngasse zum Bronntor. Der Marktbrunnen blieb damals im gemeinsamen Besitz, da er beide Stadthälften mit Wasser zu versorgen hatte. Er stand etwas weiter oben und mehr in der Mitte des Platzes. Der jetzige Brunnen stammt aus dem Jahre 1681.

Werkmeister Johann Haimb (Heim) schuf den Brunnenkasten mit Wappen und Fratzen, ebenso den Brunnenstock mit vier Fratzen, samt den vier Mundstücken. Die Steine zum Kasten und zum Stock wurden aus dem Steinbruch in Gültlingen bezogen, die Steine zur Säule, zu den Mundstücken und zum Löwen sind in den Steingruben von Herrenberg selbst gewonnen worden. Damals wurde die Brunnensäule so gestellt, dass der Löwe zum Rathaus sah. Sie musste 1908 wegen starker Verwitterung erneuert werden.

Bild: Der Löwe auf dem Herrenberger Marktbrunnen - im Hintergrund der Rathausturm und die barocke Zwiebelturmhaube der Stiftskirche

Drehung um 180 Grad
In der Stadt rankten sich damals einige Anekdoten, warum der Löwe bei dieser Gelegenheit um 180 Grad gedreht wurde. Man meinte gar, es sei einem Ratsherren aufgefallen, dass der Löwe doch in recht unmanierlicher Weise die Zunge gegen das Rathaus und alles, was sich darin befand, herausgestreckt habe und dies ein unhaltbarer Zustand gewesen sei. Wie auch immer - ein schriftstellerischer Wettbewerb, den eine Zeitung im Jahre 1927 ausgeschrieben hatte, brachte damals eine ganze Flut von Kurzgeschichten über die Drehung des Löwen. Was soll's. Zunge oder Hinterteil, oben und unten am Markt ist heute Rathaus; denn auch das Doppelgebäude Marktplatz 1 ist heute ein Haus der Stadtverwaltung.

Wenn im Sommer staunend die Touristen auf dem blumengeschmückten Marktplatz stehen oder dieser sich zu den Sommerfarben in ein Theaterhaus oder einen Konzertsaal wandelt und wenn in den Wintermonaten die Fachwerkgiebel ausgeleuchtet sind, dann braucht man nicht mehr zu fragen, warum gerade der Marktplatz "Herrenbergs gute Stube" ist.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung

Stadt Herrenberg

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