zeitreise bb
Hildrizhausen>>Johann Michael Holder
Erfolgreicher Miniaturmaler und Daguerreotypist

Johann Michael Holder

Quelle: 900 Jahre Hildrizhausen - Reise durch 900 Jahre lebendige Geschichte unserer Gemeinde. Hg.: Gemeinde Hildrizhausen, Text: Brigitte Popper, Redaktion: Marcello Lallo, Hildrizhausen 2015, S. 32-33.

Autorin: Brigitte Popper
J. M. Holder: Junge Dame aus der Ulmer Familie Besserer, 1832

Bild links: J. M. Holder: Junge Dame aus der Ulmer Familie Besserer, 1832. – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.
(© Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, Inv.-Nr. 1954-471, Foto: Hendrik Zwietasch, WLM, Stuttgart.) © Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Am 19. Januar 1796 wird der später berühmte Miniaturist Johann Michael Holder in der Oberen Mühle in Hildrizhausen geboren. Zunächst ergreift er den Beruf des Volksschullehrers, geht aber bereits in jungen Jahren nach Stuttgart, wo er sich autodidaktisch durch Kopieren alter Meister zum Maler ausbildet. Durch Unterstützer und Gönner erlangt er bald Berühmtheit als Miniaturmaler und wird von Stadt zu Stadt weiterempfohlen. In den Kunstgalerien in Dresden, Prag und Paris kopiert er die alten Meister. Etablierte Künstler unterstützen und fördern Holder. In Stuttgart ist es der Hofmaler Philipp Friedrich von Hetsch, später in München Johann Georg von Dillis. Bereits 1824 ist Holder der angesehenste Miniaturist im Land und erlöst für 79 Miniaturen 2525 Gulden, für die damalige Zeit eine außerordentliche Summe.

Zu seinen Porträtierten zählen Mitglieder des Adels wie Herzog Adolf von Nassau, Prinz Alexander von Hohenlohe-Ingelfingen oder König Wilhelm von Württemberg, aber auch seine Familie und vor allem Angehörige des gehobenen Bürgertums. Eine Zeit lang versucht er sich in der großformatigen Tafelmalerei. Die Ergebnisse glücken nicht sehr, da die Detailgenauigkeit der Miniatur im großen Format etwas geleckt wirkt.

J. M. Holder: J. M. Holder: König Wilhelm I. von Württemberg

Bild rechts: J. M. Holder: König Wilhelm I. von Württemberg. – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.
(© Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, Inv.-Nr. 2004-244, Foto: P. Frankenstein / H. Zwietasch; WLM, Stuttgart) © Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Holder ist neben Franz Seraph Stirnbrand (um 1788-1882) ein Vertreter des Schwäbischen Biedermeiers. Beiden kommt es auf die möglichst realitätsgenaue Abbildung an. Einen individuelleren Zug, eine Charakterisierung oder gar einen verrutschten Kragen gibt es nicht. Alles ist gleich wichtig, jedes Detail ist genauestens ausgearbeitet, alles ist ordentlich, glatt und harmonisch. Mit dieser Bildsprache entspricht Holder dem Stil- und Wertekanon des Biedermeiers, der sich im kleinen und überschaubaren Gepräge und dem Rückzug ins Private ausdrückt. Das kleine Format der Miniatur passt hier hervorragend. Holder macht sich nicht nur in Württemberg einen Namen, sondern weit über die Landesgrenzen hinaus. Im Jahr 1836 bekommt er eine Berufung nach St. Petersburg und eine Ausstellungseinladung nach London.

Holder ist ein so erfolgreicher und gefragter Miniaturist, dass er seinen zehn Jahre jüngeren Bruder Gottlieb in seine Malerwerkstatt nimmt. Gottlieb kopiert vor allem Porträts seines älteren Bruders. Diese gehen dann nach der Fertigstellung durch Johann Michael in den Verkauf. Nur wenige eigenständige Werke von Gottlieb, die er mit Holder jun. signiert hat, sind bekannt.

J. M. Holder: Johann Martin Schaeffer aus Unterjettingen. Stahlstich nach einer Daguerreotypie, um 1850

Bild links: J. M. Holder: Johann Martin Schaeffer aus Unterjettingen. Stahlstich nach einer Daguerreotypie, um 1850. Das Portrait findet sich auch auf dem berühmten „Fünf-Brüder-Bild“, auf dem die prägenden Persönlichkeiten des württembergischen Pietismus versammelt sind. - Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern. (Bild: Wikipedia)

Gottlieb stirbt am 3. November 1845 überraschend beim Besuch seiner Schwiegermutter in Rastatt. Im gleichen Jahr wendet Johann Michael Holder als erster Stuttgarter Künstler das neue Verfahren der Daguerreotypie an. Er schwenkt allerdings nicht gänzlich zur Daguerreotypie und Fotografie um, sondern nutzt dieses neue Medium für seine Bildsprache, die Person möglichst wirklichkeitsgetreu abzubilden. Das fotografische Verfahren liefert ihm die Vorlage, die er dann malerisch überarbeitet. Auf Grundlage einer Fotografie können nun auch Miniaturen von bereits Verstorbenen hergestellt werden. Als künstlerisch eigen- ständiges Medium erkennt Holder die Fotografie nie an, sondern nur als Hilfsmittel für seine Malerei.

Johann Michael Holder ist nicht nur ein angesehener, sondern auch ein außerordentlich produktiver Künstler. Nach eigener Aufzählung habe er allein 2300 Miniaturen geschaffen. Nur eine Handvoll davon befindet sich heute im öffentlichen Besitz. Die Mehrzahl der Miniaturen dürfte in Privatbesitz oder durch Zerstörung oder Unachtsamkeit verloren gegangen sein. Ein Werkverzeichnis ist noch nicht erstellt, auch eine umfassende Biografie vermisst man bis heute. Sein letztes Atelier in Stuttgart, in der Tübinger Straße 7, verkauft er zum 1. November1859 an German Wolf.

Anderthalb Jahre später, am 22. März 1861, stirbt Holder. Aus der Grabrede von Stadtpfarrer Knapp erfahren wir noch, dass er 37 Jahre verheiratet war und dass von sieben Kindern fünf vor ihm starben. Überlebt haben ein Sohn und eine Tochter. Letztere wohnte mit ihrer Familie im gleichen Haus.

Mit freundlicher Genehmigung der Autorin, der Gemeinde Hildrizhausen und des Landesmuseums Württemberg, Stuttgart.

Literaturhinweise
Werner Fleischhauer: Das Bildnis in Württemberg 1760-1860. Geschichte, Künstler und Kultur, Stuttgart 1939.
Joachim W. Siener: Die Photographie und Stuttgart. 1839-1900, Stuttgart 1989.
Worte am Grabe des Herrn Malers Johann Michael Holder gehalten von Stadtpfarrer Knapp, Stuttgart Hering & Comp. 1861.

Internet-Links
Artikel zu Johann Michael Holder auf Wikipedia
Eintrag zu Johann Michael Holder in der Landesbibliographie-Datenbank Landesbibliographie Baden-Württemberg online

Zum 900jährigen Ortsjubiläum erschien 2015 die reich bebilderte Ortschronik „900 Jahre Hildrizhausen - Reise durch 900 Jahre lebendige Geschichte unserer Gemeinde“, Hg.: Gemeinde Hildrizhausen, Text: Brigitte Popper, Redaktion: Marcello Lallo (ISBN 978-3-00-047637-2)

Diese Seite drucken

Zum Seitenanfang

www.zeitreise-bb.de