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Holzgerlingen>>Urzeitliche Spuren
Steine mit urzeitlichen Spuren bei Straßenbauarbeiten ausgegraben

Fossile "Ur-Holzgerlinger" grüßen an der B 464

Quelle: Kreiszeitung / Böblinger Bote vom 1. September 2004

Bild: Blick zurück in die Erdgeschichte zwischen Trias und Jura. Für kurze Zeit ermöglichte der Bauschutt an der Baustelle der B 464 in Holzgerlingens Baugebiet „Hülben“ spektakuläre Einblicke in die Urzeit. Auf dem dreieckigen Sandstein zeichnen sich deutlich fossile Spuren ab - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Holzgerlingen - Auf der Baustelle der B 464 kommen sie ans Tageslicht: Bagger haben tonnenschwere Steine mit Spuren von Holzgerlinger "Ureinwohnern" ausgegraben. Dr. Michael Montenari von der Universität Tübingen ordnet die Abdrücke als Spuren ein aus dem Übergang zwischen "Trias und Jura", über 200 Millionen Jahre alt.

Manchmal muss man gar nicht zu Saurierfunden in die USA oder nach China fahren, um spektakuläre Einblicke in die Vorzeit zu erhalten. Und manchmal müssen Archäologen auch gar nicht selbst graben, um an Jahrmillionen alte Fossilien zu kommen. Etwa dann nicht, wenn Straßenbauer diese Arbeit erledigen, wie nun in Holzgerlingen geschehen. Da haben die Bagger, die den Einschnitt für die neue B 464 gegraben haben, Bemerkenswertes aus vier bis acht Metern Tiefe zutage gefördert und an der Straße im Baugebiet Hülben abgelegt: Tonnenschwere Steine mit Spuren von Holzgerlinger Ureinwohnern.

Bild: Detailansicht eines Steines mit versteinerten Wohn- und Fraßgängen der sog. „Decapoden“, Vorfahren der Krebse, die hier vor 200 Millionen Jahren die Sedimente im heutigen Schönbuch besiedelten - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Der Experte Dr. Michael Montenari vom Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen hat diese Spuren untersucht und kann sie erklären: "Es handelt sich um die versteinerten Wohn- und Fraßgänge von Decapoden, die während der späten Trias die Sedimente im heutigen Schönbuch besiedelt haben." Aus den Spuren kann er viel über die damaligen Lebensumstände lesen: "Die Bereiche, in denen diese Sedimente damals abgelagert wurden, müssen sehr nährstoffreich gewesen sein. Außerdem war das Wasser nicht besonders tief: Also ideal für Tiere, die ihre Nahrung unmittelbar aus dem Sediment gewinnen in oder auf dem sie lebten." Solche Spuren sind für die Wissenschaftler von großer Bedeutung. "Die Gesteinsschichten, die wir in und um Holzgerlingen finden, dokumentieren den Übergang zwischen zwei wichtigen Einheiten der Erdgeschichte: der Trias und dem Jura", sagt Montenari. Die Grenze zwischen diesen beiden Einheiten werde durch eines der größten Massenaussterbe-Ereignisse der Erdgeschichte markiert. Im Verlauf der letzten knapp 550 Millionen Jahre ging es dem Leben auf unserem Planeten fünfmal fast an den Kragen. "Das so genannte Trias/Jura-Ereignis ist eines dieser verheerenden Aussterbe-Ereignisse - da wurde es vor allem für die Lebewesen an Land ziemlich eng", erklärt Montenari. Die Wissenschaftler interessiert besonders, welche Lebewesen sich unmittelbar vor der Katastrophe in oder auf dem Sediment aufgehalten haben, welche ausstarben und welche knapp nach der Verheerung die Areale wieder erneut besiedelt haben. "Solche Informationen erhalten wir unter anderem von den fossil überlieferten Spuren aus Holzgerlingen", erläutert der Wissenschaftler weiter.

Im Erdalter der späten Trias, also vor über 200 Millionen Jahren, lagerte sich auf dem Gebiet, das heute den Schönbuch bildet, der Schlick und Sand ab. In diesem Untergrund lebten die Decapoden, deren Nachfahren wir heute als Krebstiere bezeichnen.

Lange wird man die Wohnungen der Holzgerlinger "Ureinwohner" indes nicht mehr bestaunen können. Zu wenig fest sind die Steine, um lange genug der Witterung trotzen zu können. Michael Montenari: "Diese Sandsteine wurden in der Gegend um Tübingen früher häufig als Baumaterial für Häuser verwendet. Allerdings nur jene Steine, bei denen das Mineral Quarz die einzelnen Sandkörner miteinander verkittet hat." Bei den nun freigelegten Sandsteinen hat jedoch Kalk die Sandkörner verbacken, dadurch sind sie nicht ausreichend verwitterungsresistent.

Eine Weile werden Spaziergänger die Spuren noch im Baugebiet finden können.

Mit freundlicher Genehmigung der Kreiszeitung/Böblinger Bote

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