Wie kam es dazu, dass das Gut Sindlingen im 19. Jahr-hundert für ca. 35 Jahre zu einer eigenen Markung kam?
Das schön gelegene Gut - rechts im Bild der Blick von
Westen über den Schlosskomplex ins Gäu und zur Alb -
war im 17. Jahrhundert an die Kärntner Protestanten-familie der Freiherrn von Bernerdin gekommen. Es ge-hörte zur unmittelbaren Reichsritterschaft und war somit
- bei württembergischer Oberlehensherrschaft - politisch
nicht zu Württemberg gehörig. Das änderte sich, als alle
Kleinterritorien 1805 mediatisiert, also vom Herzogtum
geschluckt wurden. Der Sindlinger Besitz lag nun auf den
Markungen verschiedener Gäuortschaften.
Im Jahre 1812 wurde das Gut für 113.000 Gulden von der
Fürstin Philippine von Colloredo-Mansfeld gekauft. Die
Colloredos gehörten zum hohen österreichischen Adel -
und die Fürstin stellte in Stuttgart sofort den Antrag auf
Einrichtung einer eigenen Markung, wohl um nicht von
den Schultheißen und Gemeinderäten der umliegenden
Gemeinden abhängig zu sein.
Dass diesem Antrag stattgegeben wurde, passte 1812 ins
Bild: Der erste württembergische König, Friedrich I., sah
sich ganz in der Tradition des zentralistischen und abso-lutistischen Fürstenstaats der Vergangenheit.
links: aus der Adelsmatrikel des
Königreichs Württemberg
Fürstin Philippine Caroline zu
Colloredo-Mannsfeld, geborene
Gräfin zu Öttingen-Baldern und
Sötern als Besitzerin des Sindlin-ger Schlossguts.
Gleich nach der umstrittenen
Schaffung einer eigenen Markung
lässt sie das Gut versteinen, um
den Besitz deutlich abzugrenzen.
Grenzsteine erzählen Geschichte: Die Steine des Schlossguts Sindlingen
Die kinderlose Fürstin Colloredo-Mannsfeld bleibt 28 Jahre im Besitz Sindlin-gens. Dann verkauft sie das Gut 1840 an die Hofkammer Württemberg und
zieht aus Württemberg weg - kurz darauf stirbt sie.
1850 ändern sich die Verhältnisse: Nach der 48er Revolution werden durch
König Wilhelm I. alle übriggebliebenen feudalen Sonderrechte abgeschafft.
Für Sindlingen heißt das: Aufgabe der alten Lehens- und Zehntstrukturen und
der niederen Gerichtsbarkeit, Abschaffung der Kleinen und Großen Jagd, auch
auf Öschelbronner Markung u.a.
Außerdem wird das 220-Hektar-Gut jetzt politisch nach Unterjettingen einge-gliedert. Sindlingen bleibt als Staatsdomäne bestehen bis 1954, als diese der
Württembergischen Landsiedlung übergeben und zu Siedlungszwecken aufge-teilt wird. Das Schloss selbst ist heute ein privates, überregional bekanntes
Reiterhotel.
Die fürstlichen Grenzsteine, die vor allem noch dort stehen geblieben sind, wo
sie Markungsgrenzen begleiteten - etwa gegen Haslach und Nebringen - ,
erinnern uns an unsere Vergangenheit und ihre ganz anderen politischen und
sozialen Strukturen.