Im Rückblick lässt sich die Geschichte des Falls der Mauer und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten in fünf Abschnitte einteilen:
Bild: Spätsommer 1989. DDR-Bürger beim Kartenspielen im Flüchtlingslager des Malteser Hilfsdienstes an der Zugliget-Kirche in Budapest. Etwa 10 000 Menschen werden in drei Lagern betreut, ehe sie in die BRD ausreisen dürfen. Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.
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Mai 1989 bis Oktober 1989: Massenflucht und Massendemonstrationen - Die Mauer bröckelt
- Die Mauer „bröckelt“ zuerst in Ungarn. Am 2. Mai 1989 beginnt die ungarische Regierung mit dem Abbau des Stachelzauns an der Grenze zu Österreich. Tausende DDR-Bürger reisen in den Sommerferien nach Ungarn und hoffen auf eine Fluchtchance.
- Beim sog. „Paneuropäischen Picknick“ gelingt am 19. August 1989 etwa 600 DDR-Bürgern die Flucht über die ungarisch-österreichische Grenze in den Westen.
- Am 10. September 1989 öffnet Ungarn auch für DDR-Bürger die Grenze nach Österreich. In den nächsten Tagen und Wochen reisen Zehntausende aus.
- Von Juli bis September 1989 flüchten sich Tausende ausreisewillige DDR-Bürger in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin und in die bundesdeutschen Botschaften in Warschau, Budapest und Prag.
- Auf sowjetischen Druck hin lenkt die DDR-Führung am 30. September 1989 im Prager Botschaftskonflikt ein und Bundesaußenminister Genscher kann vom Balkon der Prager Botschaft die Ausreiseerlaubnis verkünden. In verriegelten Sonderzügen reisen die Flüchtlinge über die DDR in die BRD. Bei der Durchfahrt durch den Dresdener Hauptbahnhof versuchen in der Nacht zum 5. Oktober Tausende Menschen auf die Züge aufzuspringen und liefern sich dabei eine Straßenschlacht mit DDR-Sicherheitskräften.
- Anfang September 1989 beginnen im Anschluss an das Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche montags einige Hundert Menschen friedlich für Reformen zu demonstrieren. Die Zahl der Demonstranten steigt von Woche zu Woche. Am 2. Oktober sind es schon 20.000, zum ersten Mal erklingt der Ruf "Wir sind das Volk". Am 16. Oktober sind es über 100.000.
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Bild: Berlin: Ehrenparade der Nationalen Volksarmee zum 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989. Auf der Ehrentribüne in der Karl-Marx-Allee waren neben dem Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker sowie weiteren Mitgliedern der Partei- und Staatsführung der DDR auch der Generalsekretär des ZK der KPdSU, Michail Gorbatschow, vertreten. Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.
Foto: Deutsches Bundesarchiv, Bild 183-1989-1007-402, Fotograf: Klaus Franke,
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Oktober 1989 bis Dezember 1989: Der Abgang einer Diktatur
- Die DDR-Führung verkennt die Wirklichkeit. Während Fluchtwelle und Demonstrationen die Grundfesten des Staates erschüttern, feiert sie in alter Weise am 7. Oktober 1989 den 40. Gründungstag der DDR. In mehreren größeren Städten kommt es zu Protesten und Demonstrationen.
- 8. Oktober 1989 – nach dem Staatsjubiläum: Das Regime steht vor der Machtfrage: Schießen aufs eigene Volk? Honeckers Zeit neigt sich dem Ende.
- 18. Oktober 1989 – der letzte Arbeitstag von Erich Honecker. Egon Krenz übernimmt.
- Am 9. November verkündet Günter Schabowski die neue Visumregelung. Tausende eilen an die Grenze zur Bundesrepublik. Die Mauer fällt in Berlin.
- Für den Übergang wird am 13. November 1989 Hans Modrow zum Ministerpräsidenten gewählt. Am 17. November hält er seine Regierungserklärung, in der er von einer zukünftigen „Vertragsgemeinschaft“ zwischen Bonn und Ost-Berlin spricht.
- Am 28. November 1989 greift Helmut Kohl den Ball auf und legt im Bundestag seinen Zehn-Punkte-Plan für eine langfristigere Perspektive vor. Es kommt zu Treffen zwischen Modrow und Kohl.
- Immer deutlicher wird die Korruption der alten SED. Am 3. Dezember 1989 tritt Egon Krenz zurück, mit ihm das ganze Politbüro und das ganze Zentralkomitee.
- Der von seinen Mitgliedern erzwungene Sonderparteitag der SED endet am 17. Dezember 1989 mit der Wahl von Gregor Gysi zum neuen Vorsitzenden. Die Partei verweigert die Selbstauflösung um ihre Vermögenswerte zu sichern. Deshalb nennt sich die Partei fürs erste: PDS/SED.
- Die Oppositionsbewegung in der DDR arbeitet orientierungslos. Das Neue Forum will keine Partei werden. Die alten Blockparteien strecken zu ihren Bonner Namensschwestern die Fühler aus. Das Machtvakuum muss gefüllt werden: Am 7. Dezember 1989 tagt zum ersten Mal der Runde Tisch (Teilnehmer: Vertreter von Regierung, Verbänden und Oppositionsgruppen). Ab 18. Dezember 1989 tagt der Runde Tisch wöchentlich.
- Am 22. Dezember 1989 wird im Beisein von Kohl und Modrow das Brandenburger Tor geöffnet. An Silvester findet dort ein großes Fest statt.
- Am 24. Dezember dürfen auch Bundesbürger das erste Mal ohne Visum und Mindestumtausch („Zwangsumtausch“) in die DDR einreisen. Im Jahr 1989 sind insgesamt 343.854 Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt. 1988 waren es noch 39.832.
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Bild: Sylvesterfeier am Brandenburger Tor 1. Januar 1990. Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.
Foto: Bernd Schmidt,
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Januar 1990 bis März 1990: Erste freie Wahlen
- Opposition am Runden Tisch ruft am 08. Januar 1990 zum Widerstand „gegen die Restaurationspolitik der SED und ihres Sicherheitsapparates“ auf.
- Am 15. Januar 1990 besetzen Demonstranten die alte Stasi-Zentrale in der Berliner Normannenstraße. Der Erosionsprozeß beginnt – Gewalt droht.
- Modrow versucht zu dem entgegen zu wirken: Er schlägt vor, die für den 6. Mai 1990 geplanten Volkskammerwahlen auf den 18. März 1990 vorzuziehen und gleichzeitig sollen Vertreter aus dem Runden Tisch als Minister in eine Regierung der nationalen Verantwortung aufgenommen werden.
- Am 1. Februar 1990 legt Modrow, mit Gorbatschow abgesprochen, einen Deutschlandplan vor, der in Stufen zur Wiedervereinigung führen sollte. Gleichzeitig holten sich Kohl und Genscher die Genehmigung für die deutsche Einheit am 10. Februar 1990 bei Gorbatschow ab.
- Über die außenpolitischen Einbettung des Einigungsprozesses einigte man sich am 12. Februar 1990 bei der 2 + 4 Gesprächen (beide deutschen Staaten verständigen sich über die Modalitäten der Einigung mit den vier Siegermächten) in Ottawa.
- Der 18. März 1990 brachte das Ergebnis der Volkskammerwahl an Tageslicht: Die konservativ-liberale Koalition verfügte in der demokratisch gewählten Volkskammer über eine absolute Mehrheit. Lothar de Maizière geht als Sieger hervor und will aber auf Nummer sicher gehen und bindet, gegen Proteste, die SPD in eine große Koalition ein. Am 13. April wird sein Kabinett der großen Koalition vereidigt.
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April 1990 bis Juni 1990: Die wirtschaftliche Einheit
- Erste Schritte auf dem Weg zur Einheit wurden auf dem wirtschaftlichen Felde zurückgelegt. Zum 1. Juli 1990 soll die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in Kraft treten. Der Prozess kam voran, trotz der zaudernden Haltung der SPD.
Bild: Feierlichkeiten zur deutschen Vereinigung vor dem Berliner Reichstag am 3. Oktober 1990. Die schwarz-rot-goldene Bundesfahne wird gehisst.
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Foto: Deutsches Bundesarchiv, Bild 183-1989-1007-402, Fotograf: Peer Grimm, Lizenztyp: CreativeCommons Lizenz by-nc-nd/3.0, Originaldatei: Wikimedia Commons
01. Juli bis 03. Oktober 1990: Die staatliche Einheit
- Zum 1. Juli 1990 tritt die Währungsunion in Kraft und gleichzeitig entfallen die letzten Grenzkontrollen.
- Am 15./16. Juli 1990 treffen sich Kohl und Gorbatschow im Kaukasus. Jetzt sollen außenpolitische Fragen geklärt werden, was auch gelingt: Die Sowjetunion will ihre Truppen bis in vier Jahren aus der DDR zurückziehen.
- Am 3. August wird der Wahlvertrag unterschrieben: Beitritt vor den Wahlen. Die Fünfprozentklausel soll einheitlich im gesamtdeutschen Wahlgebiet gelten.
- Am 12. September 1990 wird in Moskau der abschließende Vertrag der 2 + 4 Vertreter unterzeichnet – die Einheit ist nun erwirkt.
- Am 3. Oktober wird der Beitritt der DDR durch die Bundesrepublik vollzogen.
- Die ersten gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember 1990 unterstreichen dies.
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