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Ost-Berlin richtet insgesamt neun zusätzliche Grenzübergänge ein

DDR reißt die Mauer auf

Auch mehr Verbindungen ins Bundesgebiet – Massenansturm in den Westen

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Quelle: Stuttgarter Nachrichten, Samstag, 11. November 1998
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Bild: Zeitungsausgabe des Textes aus den Stuttgarter Nachrichten vom Samstag, 11. November 1989. Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

BERLIN (dpa) – Das geteilte Berlin ist nach der historischen Öffnung der Mauer in Aufbruchstimmung – und rückt von Stunde zu Stunde enger zusammen. Ost-Berlin reißt die Mauer immer weiter auf. Überraschend einigten sich DDR-Führung und West-Berliner Senat am Freitag darauf, neun weitere Grenzübergänge in der Stadt für den Besucherverkehr zu öffnen. Bereits am Freitagabend begann die DDR mit dem Abriss der Mauer zur Öffnung neuer Grenzübergänge. Am Brandenburger Tor setzten sich mehrere tausend Menschen auf die Mauer.

Die Polizei teilte mit, sie hätten sich dort im Anschluss an eine Kundgebung niedergelassen. Augenzeugen berichteten, auf der Mauer werde getanzt. Hunderte von Schaulustige verfolgten am Abend im Bezirk Prenzlauer Berg die Abbrucharbeiten an der Mauer. Zuvor hatten bereits die neuen Grenzübergänge an der Glienicker Brücke und im Vorort Lichenrade geöffnet. Die weiteren Übergänge werden in der nächsten Tagen zum Teil aus der Mauer gebrochen. West-Berlin wurde am Freitagabend zur Bühne für ein riesiges Volksfest. Hunderttausende aus Ost und West drängten sich auf dem Kurfürstendamm. Eine Gruppe von 500 West-Berlinern versuchte in der Falckenseer Chausee in Spandau, die Mauer einzureißen.

Den ganzen Tag über erlebte West-Berlin einen Massenansturm von Besuchern aus Ost-Berlin, die die neue Freiheit genossen und dann in den Ostteil der Stadt zurückkehrten. Zusätzliche Grenzübergänge will die DDR nach Ankündigung von Innenminister Friedrich Dickel auch zur Bundesrepublik öffnen Außerdem soll Ost-Berlin künftig besser an das Nahverkehrsnetz von West-Berlin angeschlossen werden. An den alten Übergängen ging es am Freitag ebenfalls noch her. Tausende nutzten die offene Grenze für einen Besuch im Westen. Seit Donnerstagabend waren es im Bundesgebiet über 50 000, die nach dem Schnupperbesuch“ wieder in die DDR zurückkehrten.

Bei der Kundgebung vor dem Schöneberger Rathaus wurden „jetzt“ freie Wahlen in der DDR gefordert. Jubel der Zehntausende von Zuhörern aus West und Ost lösten die Reden des Regierenden Bürgermeisters Walter Momper (SPD), Ex-Bundeskanzler Willi Brandt (SPD) und Bundesaußenminister Hand-Dietrich Genscher aus. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), der seine Polenreise angesichts der dramatischen Situation für 24 Stunden unterbrochen hatte und an diesem Samstag eine Sondersitzung des Kabinetts in Bonn leiten wird, musste ein Pfeifkonzert über sich ergehen lassen.

DDR-Innenminister Dickel machte in einer TV-Ansprache klar, dass für Reisen in den Westen ein Visum entweder in den Pass oder in den Personalausweis eingetragen werden müsse. Er versicherte den DDR-Bürgern ausdrücklich, dass die jetzt gefundene Ausreiselösung „von Dauer“ sei und zu den Grundlagen des neuen DDR-Reisegesetzes gehören wird. DDR Staats- und Parteichef Egon Krenz kündigte am Abend in Ost-Berlin radikale Reformen einschließlich freier Wahlen an. Er sprach von einer „Revolution auf deutschem Boden“.

Mit freundlicher Genehmigung der Stuttgarter Nachrichten

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