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Deutschland war am Wochenende vereint – Potsdamer Platz offen

Millionen DDR-Bürger kamen

Endlose Kolonnen an den offenen Grenzen – Weizsäcker auf Ost-Berliner Boden

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Quelle: Stuttgarter Nachrichten, Montag 13. November 1989, S.1
Berlin (dpa/AP) – Deutschland feierte am Wochenende millionenfaches Wiedersehen: Die Mauer bekam neue, große Löcher – und ganz Berlin war „eine Wolke“. Weit über drei Millionen DDR-Bürger strömten am Samstag und Sonntag in endlosen Kolonnen über die offenen Grenzen in die Bundesrepublik und nach West Berlin – allein schätzungsweise eine Million auf dem Kurfürstendamm und die umliegende City. Die Bilanz der Behörden war, trotz chaotischer Verkehrsverhältnisse und Massenansammlungen in den Städten, mehr als positiv: „Es war ein friedliches Wiedersehensfest“. Auch die internationalen Medien richteten Ihr Augenmerk auf Berlin.

Was noch vor Tagen als völlig unglaublich glatt, war am Wochenende historisches Ergebnis: Die Mauer in Berlin wurde für neue Übergänge eingerissen, der Potsdamer Platz – einst Herz der Reichshauptstadt Berlin – wieder passierbar. Bundespräsident Richard von Weizsäcker betrat für kurze Zeit Ost-Berliner Boden. Auch die Bürgermeister von Berlin Ost (Krack) und West (Momper) reichten sich symbolisch über die Grenze hinweg, die Hände. Über die alten und eiligst eingerichteten neuen Grenzübergänge zum Bundesgebiet machten die DDR-Bürger hunderttausendfach Stippvisite in den grenznahen Städten.

Brenzlig wurde es am Wochenende kurzzeitig nur am Brandenburger Tor. Dort forderten Demonstranten die Beseitigung der Mauer, einige rissen ein Stück aus dem Beton-Bollwerk, andere versuchten mit Hämmern und Spitzhacken Löcher in die Anlage zu hauen, viele kletterten auf die Mauer. Sowohl Ost- als auch West-Berliner Sicherheitskräfte sorgten aber dafür, dass die Zwischenfälle nicht eskalierten.

Die DDR hatte bis Sonntagnachmittag rund 4,3 Millionen Visa für Privatreisen von DDR-Bürgern in den Westen ausgestellt. Seit Donnerstagabend – mit Bekanntgabe der neuen Reisemöglichkeiten – stempelten DDR- Beamte Visa für die Bundesrepublik „im Akkord“ gleichgültig ob in Reisepass oder Personalausweis. Vielfach war der Ansturm auf die Übergänge so groß, dass die DDR-Grenzer kapitulierten und jegliche Kontrolle aufgaben. So wie sie in Massen kamen, umjubelt von Zigtausenden von Bundesbürgern, so verließen die meisten nach dem Wochenend-Besuch die Bundesrepublik wieder. Übereinstimmende Reaktion in den Rückfahrtschlagen (hin waren es bis zu 70 Kilometer): „Wir sind überwältig, damit hätten wir nie mehr gerechnet. Es ist Wahnsinn, davon kommt die DDR-Führung nicht mehr weg – wir kommen wieder“.

Am Samstag und Sonntag war vor allem die City von West-Berlin schwarz vor Menschen. Mehrere 100 Meter lange Schlagen bildeten sich vor Banken und Postämtern, die das Begrüßungsgeld für DDR-Bürger in Höhe von 100 Mark auszahlten. Jeweils am Abend zogen Tausende von DDR-Bürgern mit Plastiktüten voller Mitbringsel aus dem Westen nach Hause. Im Ausland wurden die Ereignisse mit großer Sympathie für die Menschen, aber auch mit großer Skepsis hinsichtlich einer Wiedervereinigung verfolgt. Gesten Abend sprachen der US-Botschafter in Bonn, Walters, und sein sowjetischer Kollege in Ost-Berlin, Kotschemassow, über die neue Lage.

Mit freundlicher Genehmigung der Stuttgarter Nachrichten

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