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DDR vor Schuldenberg von 130 Milliarden

Haussmann legt Sechs-Punkte-Katalog für Wirtschaftshilfe vor – Industrie warnt vor Hektik

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Quelle: Stuttgarter Nachrichten, Mittwoch, 15. November 1989, S.1
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Bild: Zeitungsausgabe des Textes aus den Stuttgarter Nachrichten vom Mittwoch, 15. November 1989. Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

BERLIN (AP) – Die DDR ist im eigenen Land weit höher verschuldet als bisher angenommen. Nach Angaben der Ostberliner Nachrichtenagentur ADN teilte Finanzminister Erst Höfner am Montagabend vor der Volkskammer mit, die Inlandsverpflichtungen beliefen sich auf insgesamt 130 Milliarden Mark.

Die Mitteilung des Ministers löste bei vielen Abgeordneten nach Darstellung von ADN „ungläubiges Erstaunen“ aus. „Selbst der Parlamentsausschuss für Haushalt und Finanzen fühlte sich über Jahre schlicht betrogen“, hieß es in einem Bericht der Nachrichtenagentur. Nach Angaben Höfners entfallen allein 55 Milliarden Mark an Inlandsschulden zum Jahresende auf den Wohnungsbau. Die SED beschloss für Mitte Dezember einen Sonderparteitag.

Unterdessen haben Bundesregierung und Industrie der DDR bei konsequenter Fortsetzung ihrer Reformpolitik umfassende Wirtschaftshilfen in Aussicht gestellt. Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann schlug Ost-Berlin am Dienstag einen Sechs-Punkte-Katalog zur Förderung von Privatbetrieben in der DDR, Investition bundesdeutscher Firmen sowie Gemeinschaftsunternehmen vor. In einer Erklärung forderte Haussmann die DDR zur „Entrümpelung“ der Bestimmungen in den Wirtschaftsbeziehungen auf. Unter der Bedingung von „notwendigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Reformen“ schlug Haussmann vor, Investitionen in der DDR mit ERP-Krediten zu fördern, welche auf die Marshall-Planhilfe der USA zurückgehen; zweitens: Investitionen in der DDR mit ähnlichen Instrumenten zu fördern wie dem Berlinförderungsgesetz; drittens: für Unternehmensgründungen in der DDR Mittel aus dem Programm des Bundeswirtschaftsministeriums zur Bildung von Eigenkapital bereitzustellen; viertens: bundesdeutsche Lieferungen von Maschinen in die DDR mehr als bisher gegen Risiken abzusichern; fünftens: die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen gegen Risiken abzusichern; sechstens: Firmen und Verbände umfangreich zu beraten. BDI-Präsident Tyll Necker erklärte am Dienstag in Köln, die Bereitschaft zur Bildung von Joint Ventures sei in der Industrie „erfreulich groß“. Zugleich wandte sich er sich aber „gegen jedes übertriebene Engagement, das in der DDR die Angst vor einem Ausverkauf schüren könnte“. In Stuttgart warnte auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstags (DIHT), Hans Peter Stihl, vor jeder Hektik. Eine Gießkannen-Politik nütze nichts.

Mit freundlicher Genehmigung der Stuttgarter Nachrichten

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