August Schnezler: „Die verlassene Mühle“
Es rauscht im Wald so kühle; Wie mag ich wohl gekommen seyn Vor die verlassne Mühle? Die Räder, stille, morsch, bemoost, Die sonst so fröhlich herumgetos't, Dach, Gäng und Fenster alle In drohendem Verfalle. Allein bei Sonnenuntergang Da knisterten die Aeste, Da trippelten den Bach entlang Gar wunderliche Gäste: Viel Männlein grau, von Zwergenart, Mit dickem Kopf und langem Bart, Sie schleppten Müllersäcke Daher aus Busch und Hecke. Und alsobald im Müllerhaus Beginnt ein reges Leben, Die Räder drehen sich im Saus, Das Glöcklein schallt daneben; Die Männlein laufen ein und aus Mit Sack hinein und Sack heraus, Und jeder von den Kleinen Scheint nur ein Sack mit Beinen. Und immer voller schwärmen sie Wie Bienen um die Zellen, Und immer toller lärmten sie Durch das Getos der Wellen; Mit wilder Hast das Glöcklein scholl, Bis alle Säcke waren voll, Und klar am Himmel oben Der Vollmond sich erhoben. Da öffnet sich ein Fensterlein, Das einzige noch ganze, Ein schönes bleiches Mägdelein Zeigt sich im Mondenglanze, Und ruft vernehmlich durchs Gebraus Mit süßer Stimme Klang hinaus: »Nun habt ihr doch, ihr Leute, Genug des Mehls für heute!« Da neigt das ganze Lumpenpack Sich vor dem holden Bildniß, Und jeder sitzt auf seinem Sack Und reitet in die Wildniß; Schön Müllerin schließt's Fenster zu, Und Alles liegt in tiefer Ruh, Des Morgens Nebel haben Die Mühle ganz begraben. - Und als ich kam den andern Tag, In banger Ahnung Schauern, Die Mühle ganz zerfallen lag Bis auf die letzten Mauern. Das Wasser rauschet neben mir hin, Als wüßt' es, was ich fühle, Und nimmermehr will aus dem Sinn Mir die verlassne Mühle. Diese Seite drucken Fenster schließen |