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Der Schwarze Adler in Leonberg

Quelle: Denkmale in der Nachbarschaft - gesehen und besucht im Kreis Böblingen. Röhm Verlag Sindelfingen 1990

Autorin: Bernadette Gramm

Bild: Der Schwarze Adler in Leonberg ist das älteste Gebäude der Stadt (Foto: Landesmedienzentrum BW)

Der Schwarze Adler in Leonberg wurde zum ersten Mal im Jahr 1350 als das "Steinhaus" erwähnt und ist damit das nachweislich älteste Gebäude der Stadt. Die Stadt, 1248/49 aus militärischen Gründen angelegt, zeigte damals einen sehr wehrhaften Charakter. Sie war umgeben von einer dicken Stadtmauer. An der Südwestecke lag die gräfliche Burg. An der Ostseite, wo ein künstlicher Graben geschaffen worden war, führten zwei Tore, versehen mit Türmen und Zugbrücken, in die Stadt.

In der Nachbarschaft der Tore waren zu ihrer Sicherung zwei Steinhäuser, direkt an die Stadtmauer stoßend, errichtet worden. Ihre Keller hatten einen großen Sammelraum und waren mit anderen Kellern und Verteidigungstürmen vor der Stadtmauer durch unterirdische Gänge verbunden. Das Steinhaus am Oberen Tor ist der einzige Wohnturm von insgesamt drei, der die Jahrhunderte überdauert hat. Als der Schwarze Adler ist er heute ein Wahrzeichen Leonbergs.

Spätere Aufstockung
Das mittelalterliche, ursprünglich zweigeschossige Steinhaus am Oberen Tor bestand zu Anfang tatsächlich nur aus Stein. Die Aufstockung mit dem Fachwerkaufsatz erfolgte erst später, vermutlich im 16. Jahrhundert.

Im Laufe der Jahrhunderte ist im und am Haus einiges verändert und den sich wandelnden Bedürfnissen seiner Bewohner angepasst worden. In den 60er Jahren erhielt der Schwarze Adler durch Umbaumaßnahmen im Inneren und eine Renovierung seines Äußeren im Wesentlichen seine heutige Gestalt. In diesem Zusammenhang ist auch das Fachwerk, das lange Zeit unter Putz verborgen war, freigelegt worden.

Bild: Der Schwarzer Adler am Oberen Tor um 1900. Das Gebäude war komplett verputzt (Foto: Landesmedienzentrum BW)

Besitzer und Bewohner
In seinen Anfängen war das Steinhaus am Oberen Tor im Besitz von Familien des niederen Adels. Im gräflichen Lagerbuch von 1350, der ersten schriftlichen Quelle für das Gebäude, erscheint als Besitzer ein Söler von Richtenberg. Von 1440 bis 1512 war das Steinhaus in der Hand des Klosters Bebenhausen, das dort einen Pfleghof eingerichtet hatte. Dieser Wirtschaftshof verwaltete die dem Kloster in Leonberg und Umgebung zustehenden Abgaben.

1539 kam das Haus in den Besitz des württembergischen Landesherrn. Der vorige Besitzer, der Leonberger Vogt Hans Kraus, hatte das Haus an Herzog Ulrich abtreten müssen zur Begleichung einer Geldstrafe, die ihm für angebliche Untreue gegen den Herzog auferlegt worden war.

Wachlokal
In den folgenden Jahrhunderten diente das Steinhaus als Wohnung und Amtssitz für den Vogt beziehungsweise Oberamtmann. In Kriegszeiten hatten zusätzlich der Stadtkommandant seinen Sitz und die Wächter vom Oberen Tor ihr Wachlokal in dem Gebäude. 1798 ordnete "Serenissimus", der Herzog, an, "das die bißherige Oberamtei Wohnung in Leonberg als baulos und unschiklich zu einem Beamtenhauß verkauft werden solle".

In den ehemaligen ritterlichen Wohnturm hielten nun die Bürger Einzug. Zu Beginn der "bürgerlichen Zeit" waren es noch zwei Besitzer, die sich das Haus mit allen "Nebengebäuden" an Scheuer und Reutterhäußlen (Pferdestall), "nebst Waschhauß", teilten. Im Lauf der Jahre aber wurden die Besitzteile durch Verkauf, Erbteilung oder Verpfändung kleiner. 1863 teilten sich sechs Besitzer das Haus zu Teilen von 1/18, 2/9 und 1/3.

Verschiedene Gewerbe
Färber, Kürschner, Siebmacher, Bortenwirker, Seifensieder und Bierbrauer gingen im 19. Jahrhundert im ehemaligen Steinhaus ihrem Gewerbe nach. Der Bierbrauer, im Jahr 1825 eingezogen, betrieb auch einen Getränkeausschank. 1836 schließlich eröffnete er die Wirtschaft zum Adler, eine sogenannte "Schildwirtschaft", das hieß, er durfte von da an warme Speisen anbieten und Gäste beherbergen.

Noch in unserem Jahrhundert waren im Steinhaus neben der Wirtschaft Kleinhandwerke und Läden vertreten. 1921 nahm hier der später große Leonberger Industriebetrieb Bammesberger in einem kleinen Werkstattraum seinen Anfang. Heute befindet sich das Haus, jetzt nur noch ein Gaststättenbetrieb, wieder in einer Besitzerhand.

Leonberger Landtag
Weithin bekannt ist der Schwarze Adler als Tagungsstätte des Leonberger Landtags von 1457. In diesem Jahr wurden die württembergischen Stände, darunter auch die Städte zum ersten Mal an der politischen Entscheidung beteiligt. Ob dieser Landtag, der erste in der Grafschaft Württemberg-Urach, im Schwarzen Adler tagte, ist allerdings zweifelhaft.

Bild: Gedenktafel aus dem Jahre 1874 - Zeugnis bürgerlichen Selbstbewusstseins

Die Gedenktafel, die 1874, in bürgerlichem Selbstbewusstsein von Honoratioren veranlasst, angebracht worden war und den Schwarzen Adler als Tagungsgebäude nennt, verursachte viel Aufregung. Der königlich-württembergische Minister des Inneren, von diesem Hinweis auf den Anfang der "bürgerlichen Freiheiten" wohl nicht begeistert, ordnete 1876 eine Überprüfung an, ob der Landtag überhaupt stattgefunden hätte.

Erbitterter Kampf
In den 50er und 60er Jahren unseres Jahrhunderts herrschte zwischen den Leonberger Heimatgeschichtsforschern ein teilweise erbitterter Kampf. In Zeitungsartikeln und Broschüren stritt das eine Lager für den Schwarzen Adler, das andere für das Schloss als Tagungsgebäude. (Die neuere Geschichtsforschung tendiert zum Schloss).

Anlässlich des 500-jährigen Landtagsjubiläums fand am 26. November 1957 im Schwarzen Adler eine Kabinettssitzung der baden-württembergischen Landesregierung statt. Um die Erinnerung an die "Wurzel der Demokratie" wach zu halten, veranstalteten Bürger ab 1958 alljährlich im November eine Gedenkfeier im Schwarzen Adler. Diese Tradition wurde bis in die 70er Jahre aufrecht erhalten.
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung

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