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Ankunft und Eingliederung der Vertriebenen im Altkreis Leonberg

Vom Durchgangslager Malmsheim nach „Klein Moskau“


Quelle: Die Vertriebenen im Kreis Böblingen. Herausgegeben vom Bund der Vertriebenen (BdV) - Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände - Kreisverband Böblingen, Röhm Verlag, Sindelfingen, 1992

Autor: Dr. Benno Kubin

Bild: Wohnbaracke im Lager Malmsheim (Aus: Die Vertriebenen im Kreis Böblingen, hrsg. vom BdV - Kreisverband Böblingen, Sindelfingen 1992, S. 74)

Durchgangslager Malmsheim
In den Jahren 1936/1937 wurde der Flugplatz Malmsheim, getarnt als „Gutshof“, errichtet. Meist in Nachtarbeit wurde die Start- und Landebahn geschaffen, der Flugplatz bekam Bahnanschluss an den Bahnhof Renningen. Stationiert wurden Nachtjäger ME 110 und die alte JU 88, die im Krieg gegen Frankreich eingesetzt wurden.

Mit Beginn des Russlandfeldzuges wurden die Maschinen abgezogen, und das Lager diente der Aufnahme der Kriegsgefangenen aus Polen, Frankreich und Serbien und der Ostarbeiter, die im Umland bei der Landwirtschaft arbeiteten.

Nach Beendigung des 2. Weltkrieges wurden die Gefangenen entlassen. Ab 1946 wurde auf dem Gelände ein Durchgangslager für Vertriebene und Flüchtlinge aus dem südost- und ostdeutschen Raum, besonders dem Sudetenland, eingerichtet. Von den Transporten, die dem Kreis Leonberg von der Regierung zugeteilt wurden, konnten nur wenige weitergeleitet werden. Die meisten blieben hier, füllten das Durchgangslager Malmsheim, denn zunächst mussten nur Familien von den Gemeinden im Landkreis wohnungsmäßig aufgenommen werden. ...

Schon am 31. Januar 1946 kam der erste große Transport mit mehr als 1500 Umsiedlern aus dem Banat, Siebenbürgen und Ungarn – aber auch bereits Vertriebenen aus dem Sudetenland und anderen Ländern in Malmsheim an. ... Viele wurden sofort weitergeleitet, da schon Folgetransporte angekündigt waren. In Renningen und Malmsheim verblieben die Deutschen aus Ungarn, dem Banat und dem Sudetenland. ...

Dem Landrat war inzwischen von der Regierung mitgeteilt worden, 15.000 „ostdeutsche Flüchtlinge“ aufzunehmen. Mit viel Mühe konnte dieses Kontingent auf 11.000 herabgesetzt werden.

Bild: Küchenpersonal. (Aus: Die Vertriebenen im Kreis Böblingen, hrsg. vom BdV - Kreisverband Böblingen, Sindelfingen 1992, S. 75, Foto: Otto Krauß) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

In der Folge kamen 1946 hauptsächlich Vertriebene aus Böhmen und Mähren in Güterzügen – meist 1200 Personen über Prag/Fürth im Walde in Malmsheim an. ...

Das Lager hatte eine Lagerküche mit dem Koch Otto Krauß und 3 Helferinnen, einem Verpflegungs- und Zahlstellenleiter und 4 Wachleuten. ... Es war auch ein Sanitätsraum vorhanden, der von einem Sanitäter und zwei Schwestern betreut wurde.

Ab Winter 1946 kamen Vertriebene bis zur Auflösung des Lagers nur noch in kleinen Gruppen. Ab 1949 diente das Lager den Heimkehrern aus englischer und französischer Gefangenschaft. ... Sie wurden begrüßt, verpflegt, registriert, geröntgt, ärztlich untersucht und erhielten ein Heimkehrergeld von DM 50,-. Eine größere Zahl noch im Lager lebender Vertriebener fand dadurch ihre Beschäftigung.

Unterbringung als Hauptaufgabe
Der Großteil der Vertriebenen der in Malmsheim angekommenen Transporte musste in den Kreisgemeinden untergebracht werden. ...

Der Landrat und die Bürgermeister waren vor die Schwierigkeit gestellt, Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Es hagelte Proteste gegen Beschlagnahme von Wohnraum oder Notunterkünften. Bereits im April 1946 forderten einige Unternehmer die Aufhebung der Beschlagnahme für Notunterkünfte mit der stichhaltigen Begründung, dass für die Vertriebenen auch Arbeitsplätze geschaffen werden müssten, und die Räume dafür wieder gewerblich gebraucht würden.

In den ersten Jahren der Eingliederung waren der öffentliche Dienst, die caritativen Verbände, die Kirche und nicht zuletzt der neugegründete Verband der Vertriebenen als Anlaufstelle für Hilfe vor schier unlösbare Aufgaben gestellt. Arbeit und Wohnung waren das große Problem. ...

Für die in ihrer angestammten Heimat im Handwerk tätigen gewesenen Heimatvertriebenen war es einfacher, wieder in ihrem Beruf arbeiten zu können. Aussichtslos war es für ehemalige Landwirte. Sie mussten, bis auf wenige Ausnahmen, ihre Arbeit mit Feld und Vieh gegen die Arbeit in Fabriken eintauschen.

Nur 2 Fälle sind bekannt, die einen Aussiedlerhof bauen konnten: Wilhelm Peuker in Höfingen und Ferdinand Hermann in Hemmingen.

Bild: Schleiermacherstraße in Leonberg. Auch nach Dichtern und Denkern aus den ehemals ostdeutschen Gebieten wurden Straßen benannt. (Aus: Die Vertriebenen im Kreis Böblingen, hrsg. vom BdV - Kreisverband Böblingen, Sindelfingen 1992, S. 81, Foto: W. Seifert)

Wohnungsbau
Ebenso wichtig wie die Arbeitbeschaffung war der Wohnungsbau und die Sicherstellung der Ernährung.

Auf Anweisung des Landratsamtes vom April 1946 wurden in den Gemeinden Ausschüsse für die Flüchtlingsunterbringung aus den Gremien der Gemeinderäte gewählt, die durch Vertreter der Vertriebenen ergänzt werden sollten. ...

Schon im Jahre 1948 erfolgte der erste Spatenstich für ein Wohnungsbauvorhaben der damaligen Bezirksbaugenossenschaft Altwürttemberg e.G. Kornwestheim (im Volksmund „Kornwestheimer“ genannt). ...

1953 startete die „Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Selbsthilfe“ im Raum Leonberg ein großes Wohnungsbauprogramm. ...

Auf Initiative der Mitglieder des Gemeinderats erhielten Straßen in Leonberg die Namen folgender Städte in den Vertreibungsgebieten:
Breslau – Gleiwitz – Liegnitz – Graudenz – Thorn – Bromberg – Hirschberg – Danzig – Tilsit – Reichenberg – Gablonz – Karlsbad – Marienbad – Brünn und Olmütz. Außerdem gibt es eine Egerländerstraße und einen Rüberzahlweg. Die Siedlung im Ortsteil „Ramtel“ bekam im Volksmund den nicht sehr schmeichelhaften Namen „Klein-Moskau“.

Die ursprünglichen Mietwohnungen wurden in der letzen Zeit von der „Selbsthilfe“ zum Verkauf freigegeben und viele ehemalige Mieter haben sie als Eigentumswohnungen erworben. ...

Bevölkerungsstand der Gemeinden des Kreises Leonberg

Gemeinde1939 194619501964davon
Vertriebene
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Leonberg
Flacht
Gebersheim
Hausen/Würm
Höfingen
Malmsheim
Merklingen
Münklingen
Perouse
Renningen
Rutesheim
Schafhausen
Warmbronn
Weil der Stadt
Weissach
Auffanglager
Malmsheim
8 332
667
505
313
1 640
1 347
1 704
533
401
2 708
2 114
688
512
2 257
1 412
-
10 329
876
669
440
2 127
1 762
2 519
679
515
3 466
2 623
912
664
3 088
1 890
439
12 430
885
720
478
2 305
1 892
2 561
669
521
3 792
2 847
979
656
3 487
1 934
627
23 033
1 220
877
506
3 866
3 077
3 866
784
713
5 694
5 356
1 167
1 190
5 124
2 380
-
8 055
207
159
69
978
975
1 071
82
118
1 414
1 299
234
188
1799
495
-


Der Text wurde gekürzt.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des BdV-Kreisverbandes Böblingen.

Quellen zur Unterbringung der Vertriebenen im Altkreis Leonberg:
Schreiben des Landrats an die Bürgermeister des Kreises Leonberg vom 26. 10. 1945
Auszüge aus dem Rundschreiben Nr. 3 des Landrats an die Bürgermeister des Kreises Leonberg vom 2. 11. 1945

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