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Magstadt>>Oberamtsbeschreibung
„... zu gewissen Zeiten sind Katarrhe allgemein“

Magstadt in der Beschreibung des Böblinger Oberamts von 1850

Quelle: Beschreibung des Oberamts Böblingen. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau. Stuttgart und Tübingen 1850.

Bild: Die Neue Stuttgarter Straße in Magstadt (Foto um 1930). Vorne links das Schafhaus, vor der Straßenbiegung im Hintergrund bei der Abzweigung der Planstraße steht das Waaghäusle. (Aus: F. Heimberger: 800 Jahre Magstadt, Stuttgart 1997, S. 172) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Magstadt,
ein 2 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt gelegenes Pfarrdorf, das seit 1817 Marktgerechtigkeit besitzt.

Der Ort mit 2207 evangelischen und 2 katholischen Einwohnern, hat eine ziemlich unebene Lage auf dem Ausläufer eines Flachrückens, welcher zwischen zwei Thälchen hinzieht, deren Bäche am nordöstlichen Ende des Dorfs zusammentreffen. Ansehnliche Wohnhäuser, reinlich gut gekandelte Straßen und eine meist regelmäßige Bauart geben dem ziemlich ausgedehnten Ort ein gutes, städtisches Aussehen. Beinahe in der Mitte desselben liegt frei auf der Anhöhe die alte im germanischen (gothischen) Style erbaute Pfarrkirche mit dem befestigten zum Theil doppelt ummauerten Kirchhof. ...

Im Innern ist die Kirche hell und geräumig; sie erhielt bei einer 1817 mit ihr vorgenommenen Renovation eine weiße Tünchung, die leider alle früheren Wand- und Deckenmalereien, besonders die des Chors, bedeckte. ... Im Jahr 1848 wurde gegen alle Regel der Technik und Akustik eine Walker’sche Orgel mit 22 Registern, welche die Gemeinde 3300 fl.1* kostete, in das Chor eingezwängt und hiedurch demselben das Licht geraubt und seine Schönheiten verdeckt. ...

Das nördlich von der Kirche gelegene, gelb getünchte Pfarrhaus, welches nur durch eine schmale Straße von der äußeren Kirchhofmauer getrennt ist, befindet sich in gutem baulichen Zustande. Die Unterhaltung desselben hat der Staat. Das geräumige Schulhaus mit Lehrerwohnung, welches nordöstlich der Kirche von allen Seiten frei steht, wurde 1822 erkauft und zur Schule eingerichtet. An der Schule unterrichten 2 Lehrer, 1 Unterlehrer und 1 Lehrgehilfe. Eine Industrie- und Kleinkinder-Schule besteht seit 6 Jahren. Besondere Schulstiftungen zu Anschaffung von Schulbüchern für Kinder mittelloser Eltern sind vorhanden; ... Das Rathaus wurde 1607 erbaut und 1843 namhaft verändert. ... Es hat ein Thürmchen mit Glocke, eine gute Sonnenuhr, einen Blitzableiter und ist überhaupt ein sehr stattliches Gebäude, das frei an der südlichen Kirchhofmauer steht und seine Vorderseite gegen die Hauptstraße kehrt.

Der Ort ist hinlänglich mit Quellwasser versehen, besonders spendet ein steinerner Brunnen auf dem Marktplatze aus vier Röhren ein vortreffliches Trinkwasser; ... Die Luft ist gesund, das Klima hingegen etwas rauh, was hauptsächlich die offene Lage gegen Westen (Schwarzwald) und der bedeutende Luftzug, der von Osten her durch das Hölzerthal zieht, mit sich bringen. ...

Die fleißigen, aufgeweckten Einwohner, deren Zahl sich auffallend stark vermehrt, sind im Allgemeinen gesund, kräftig und erfreuen sich nicht selten eines hohen Alters. Vom Monat Mai bis October ist der Gesundheitszustand günstig, in den übrigen Monaten aber herrschen häufig Krankheiten und zu gewissen Zeiten sind Katarrhe allgemein. Epidemische Krankheiten sind selten; nur 1849 kehrten auch hier, wie in der ganzen Umgegend, die natürlichen Blattern ein. ...

Die Hauptnahrungsquellen der im Allgemeinen nicht unvermöglichen Einwohner sind Feldbau, Viehzucht und Holzhandel. ... Hopfen baut Rößleswirth Widmaier für seine eigene Brauerei. Einige Bürger, unter denen einer Pferde für das Militär liefert, treiben Pferdehandel. ... Von Gewerben sind eine Mühle im Ort, eine gegenwärtig im Bau begriffene Kunstmühle außerhalb desselben und eine Ziegelhütte zu nennen. Die gewöhnlichen Handwerker sind beinahe alle vertreten; sie dienen, mit Ausnahme einiger Baumwollenweber, die für Fabrikanten auswärts arbeiten, nur dem örtlichen Bedürfniß. ... Im Ort befinden sich 7 Schildwirthschaften, worunter 2 mit Brauereien und 2 Kaufleute. ...

Grundherr ist der Staat, welcher auch die grundherrlichen Abgaben, und den großen und kleinen Zehenten bezieht. ... Die Frohnen sind abgelöst und Gülten2* und Zehenten in der Ablösung begriffen. Eine Bürgerwehr wird gegenwärtig organisiert. Seit 1813 hat die durch den Ort führende Straße von Stuttgart nach Calw aufgehört, Poststraße zu seyn, und die im Ort bestandene Post wurde nach Böblingen verlegt, was nachtheilig auf den Verkehr einwirkte. Indessen wird die ehemalige Poststraße noch häufig benützt. ... Auf der Markung befinden sich an der Straße nach Stuttgart ein Keupersandsteinbruch, der Werksteine liefert und in der Richtung gegen den Ihinger Hof ein Muschelkalksteinbruch, aus dem Straßenmaterial gewonnen wird. ...

Magstadt streitet sich mit Weil der Stadt um die Ehre, Geburtsort des großen Astronomen Keppler zu seyn. Weil der Stadt hat indeß begründetere Ansprüche an diese Auszeichnung. ...

Wahrscheinlich ursprünglich zur Calwer Grafschaft gehörend, jedenfalls später pfalzgräflich tübingisch gelangte Magstadt im 15. Jahrhundert zu Württemberg. ... Der hiesige Kirchensatz nebst Widdumhof kam den 26. Mai 1392 von Graf Eberhard von Württemberg an das Kloster Bebenhausen, welches im J. 1395 die Kirche incorporirte.3* ...

1

1 Gulden (fl) = 60 Kreuzer (kr). Nach der Währungsumstellung entsprach 1 Gulden ca. 1,71 Mark. Legt man für eine grobe Währungsumrechnung bestimmte aktuelle Lebensmittelpreise zugrunde, dürfte ein Kreuzer etwa den Gegenwert von 0,80 € gehabt haben. Die Guldenwährung im süddeutschen Raum bestand von ca. 1550 – 1875.

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Abgaben

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Mit "Inkorporation" (" Einverleibung" ) wird jener Vorgang bezeichnet, der eine Pfarrkirche einer geistlichen Institution, z.B. einem Kloster unterstellt. Die Einkünfte der Pfarrei gehen an die inkorporierende Institution über, die nun auch die Seelsorge organisiert.
Neben Bebenhausen besaßen auch noch die Klöster Maulbronn, Herrenalb und die Abtei Lichtenthal. Güter in Magstadt.

Der Text wurde gekürzt.

Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Magstadt finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource.

Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt

Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 26. Band erschien 1850 die Beschreibung des Oberamts Böblingen. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden.

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