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1602 wird die Malmsheimerin wegen Hexerei angeklagt Margaretha Löffler- eine Magstadter „Hexe“ Quelle: Achthundert Jahre Magstadt. Bearbeitet von Heidrun Hofacker und Fritz Oechslen, WEGRAhistorik-Verlag, Stuttgart 1997, S. 76 - 84Autor: Fritz Heimberger | ||||
Bild: Hexenflug. Kupferstich, Nürnberg 1778. (Bild: Pictura Paedagogica Online) Am 12. März 1602 berichtete der Böblinger Vogt Johann Joß dem fürstlichen Oberrat in Stuttgart, daß Schultheiß und Gericht von Malmsheim vor ihm geklagt hätten, daß Margaretha, die Witwe ihres verstorbenen Mitbürgers Hanß Scheckh und jetzige Ehefrau von Mattheus Löffler in Magstadt „mit dem Hexen- oder Unholltenwerckh ... verschrait seye". Sie wohnte zu diesem Zeitpunkt wieder in Malmsheim, woher sie auch stammte und wo sie noch Güter besaß. Vogt Joß hatte eiligst die von den Malmsheimern genannten „Belastungszeugen" verhört und auch Margaretha zu den Vorwürfen vernommen. Er hielt sie durch die Aussagen der Zeugen mindestens teilweise für überführt. Trotzdem wollte sie nichts gestehen, sondern beteuerte „bei ihrer Seelen Seeligkeit", daß ihr „durchaus Unrecht geschehe". Da sie sich aber in Widersprüche verwickelte, ließ der Vogt die Frau „umb ihrer leichtferttigkeit halber" verhaften. Dazu kam, daß „ihr vexhaffter (nichtsnutziger) Sohn ... gehn Weil der Stadt, zum verirrten papstumb zu ziehen Vorhabens" sei. Eile schien geboten, denn der Vogt glaubte, daß auch Margaretha in die katholische Reichsstadt ziehen wollte. ...Häuslicher Zwist und konfessionelle Spannungen Den Malmsheimer Akten zufolge wurde Margaretha auch „die Knäppin" genannt - vielleicht war dies ihr Mädchenname. Sie hatte aus ihrer ersten Ehe mit Hanß Scheckh einen Sohn namens Wendel, der 1602 eine Bürgerin von Weil der Stadt heiratete. (...) 1589 heiratete sie Mattheus Löffler und zog zu ihm nach Magstadt. Auch er hatte Kinder aus seiner ersten Ehe: einen Sohn Georg und eine in Magstadt verheiratete Tochter namens Barbara Keppeler. Die Ehe war nicht gut, und die Streitigkeiten zwischen Margaretha und Löffler beschäftigten bald das fürstliche Ehegericht. Margaretha selbst gab 1602 zu Protokoll, man könne schon in diesen Akten finden, „wie feindt Ir Mann unnd seine Künder Ir Je und all wegen gewesen". Die Kinder Löfflers gehörten zu den Zeugen, die Margaretha am meisten belasteten. Das Unglück Margarethas rührte also von häuslichem Zwist her, aber auch die konfessionelle Situation trug dazu bei. Sie hatte Freunde im erzkatholischen Weil der Stadt und wurde deswegen in Malmsheim und in Magstadt angefeindet. ... Bild: Ortsansicht von Magstadt auf der Forstkarte von Andreas Kieser aus dem Jahre 1681. (Bild: Landesmedienzentrum BW/Stuttgart) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern. Im Verdacht der HexereiIm harten Alltag der Bauern konnte jedes unbedachte Wort, jede unvorsichtige Handlung mit einem zufällig sich ereignenden Unglück in Verbindung gebracht werden. Schon im ersten Jahr ihrer Ehe mit Löffler hatte Margaretha nach Aussage ihres Mannes Verdacht erregt: An einem Frühsommertag habe sein Töchterlein, die erwähnte Barbara, zusammen mit ihrer Gespielin, Martin Bartenschlagers Tochter Othilia, „ins Kraut" gehen wollen. Aber ihrer Stiefmutter paßte die Freundschaft nicht, während der Vater beide ganz gerne zur Arbeit anstellte. Die Frau äußerte unvorsichtigerweise, „sie wolle diese Gespielschaft wohl vertreiben". Zwei Tage später konnte Barbara nicht aufstehen und lag lahm im Bett. Als der erschreckte Vater das Haus Barthenschlagers aufsuchte, kam ihm Othilias Mutter voller Entsetzen entgegen: Auch ihre Tochter lag im Bett, unfähig zu stehen und zu gehen. Mattheus Löffler dachte, seine Tochter sterbe, und wollte den Pfarrer aufsuchen, um Barbara das Abendmahl zu geben. Margaretha jedoch hielt die Krankheit für nicht bedrohlich und sagte zu ihrem Mann, er solle zu Hause bleiben. Als es seinem Kind am folgenden Tag nicht besser ging, wollte er abermals zum Pfarrer. Margaretha widersetzte sich ein zweites Mal, und jetzt bekam es der Vater mit der Angst zu tun. Er glaubte, seine Frau sei im Bunde mit Hexen und bösen Geistern, und schrie sie an: „Wann das sie, sein Tochter, sterbe, so wolle er sein Leben und 200 Gulden daran strecken und die Sache dahin bringen, das ainsweder sie, Margaretha, verbrannt oder er sein Leben darumb lassen müsse". Sie jedoch ermahnte ihn, Ruhe zu bewahren. Und wirklich: Gleich am nächsten Morgen erlangten beide Mädchen „in einer stundt die gesundtheit" wieder! ... Durch unbedachte Redensarten brachte sie sich in den Verdacht, auch das Vieh ihres Mannes und der Nachbarn durch Hexenwerk „tot geritten" zu haben - man nahm damals an, daß Hexen Tiere auf diese Weise in den Tod hetzten. (...) Löffler behauptete sogar, daß Margaretha aus Rache nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Nachbarn schädige. ... Das Verhältnis zwischen den Eheleuten wurde immer schlechter. Schließlich verließ Margaretha ihren Mann und zog nach Malmsheim. Es entbehrt aber nicht einer gewissen Komik, daß sie wieder zurückkehrte: Ihr Mann hatte mit einem Maurer gewettet, daß sie nach einem Vierteljahr wieder bei ihm sein werde. Da sie nicht wollte, daß ihr Mann den Wettpreis, einen Scheffel Dinkel verlor, kam sie zurück. Das urschwäbische Bedürfnis, „sein Sach zusammenzuhalten", war jetzt offensichtlich stärker geworden als der Wunsch, sich vom ungeliebten Ehemann zu trennen. Aber Löffler dankte es ihr nicht: Er ging sogar so weit, seine Krankheit auf die Hexenkünste seiner Frau zurückzuführen. Er versicherte, daß sie ihm, kurz bevor sie ihn verlassen habe, nachts im Bett „einen Griff in die linke Seite gegeben, daß er hernachher grosse Schmerzen erlitten" habe. ... Waren schon die Erklärungen des Ehemannes Mattheus Löffler feindselig und gehässig, so überstiegen die Beschuldigungen seiner Kinder gegen ihre ungeliebte Stiefmutter jedes Maß! Georg verdächtigte sie sogar, auf einen Hexentanzplatz ausgeritten zu sein und mit dem Teufel Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. ... Progromstimmung in Malmsheim Margaretha konnte sich in Magstadt nicht halten: Die Ehe mit Mattheus Löffler und die Anschuldigungen ihrer Stiefkinder machten ihr das Leben zur Hölle, und so zog sie nach einigen Jahren wieder nach Malmsheim. Dort muß es bald zu einer Pogromstimmung gegen sie gekommen sein. ... Die Dorfjugend warf mit Steinen nach ihr. Wie der Bub des Kuhhirten aussagte, hatten sich über 30 „Gesellen" dazu zusammengetan. Und da sie dabei nie getroffen wurde, mußte sie eine Hexe sein - sie konnte sich „fest" machen. Die Vorwürfe, die gegen die unglückliche Frau in Malmsheim erhoben wurden, ähneln denen in Magstadt: ... Was Margaretha auch tat, ob sie Verwünschungen ausstieß oder aber Anteilnahme bezeugte, alles wurde ihr als Hexenwerk ausgelegt. ... Bild: Folter von Frau und Tochter eines Fuhrmanns (1577). Abbildung aus der sog. „Wickiana“ (Slg. des J. J. Wick, Zentralbibliothek Zürich). (Bild: Wikipedia Commons) Prozeß und „peinliche Befragung“Die Anschuldigungen gegen Margaretha erwuchsen aus einer Art Massenhysterie. Die Behörden hielten sich bei dieser Bewegung zunächst zurück und ließen sich erst allmählich in die Sache hineinziehen. Der Böblinger Vogt reagierte erst, als Schultheiß und Richter von Malmsheim die gegen Margaretha erhobenen Beschuldigungen bestätigten. Da auch die vorgesetzten Behörden von der allgemeinen Flut des Hexenglaubens mitgerissen wurden, taten sie nichts, um der Angeschuldigten zu einem „gerechten" Prozeß zu verhelfen. Die wenigsten Vorwürfe wurden durch mehrere Zeugen erhärtet, waren also bloße Behauptungen und Anzeigen von Einzelnen. Die Belastungszeugen wurden nicht ins Kreuzverhör genommen, und Margaretha scheint noch nicht einmal einen Verteidiger gehabt zu haben. ... Auf die Fragen nach ihrem Glauben antwortete Margaretha „ganz unverdächtig". Freilich boten ihre Beziehungen nach Weil der Stadt neuen Anlaß, gegen sie Verdacht zu schöpfen. Vogt Joß ordnete denn auch die Durchführung der „peinlichen Befragung", also der Folter an. Am 24. April 1602 teilte er dem fürstlichen Oberrat mit, er habe Margaretha Löffler „ihres verdachten Hexenwerks halben auf die Tortur peinlich anclagt", sie „auch vom Richter allhie an ihr mit allem Ernst vollstrecken lassen". Einige Tage vor der Tortur hatte die Beschuldigte, wie der Böblinger Pfarrer dem Vogt mitteilte, „das hochwürdig Abendtmal uff zuvor genuegsame erinnerung [Ermahnung], also gnedig empfanngen, das sie verhofft, Ir entstehende Marter desto geduldiger zu erleyden, denn es geschehe Ir Unrecht." Margaretha mußte nun die Folter über sich ergehen lassen. Sie gehörte zu den wenigen Frauen, die sie überstanden, ohne sich zu einem Geständnis zwingen zu lassen. ... Der Oberrat befahl, Margaretha aus der Haft zu entlassen. Es sollte aber weiter „gute Achtung" auf sie gegeben und Verdächtiges sofort berichtet werden. Auch mußte sie ihre Verköstigung im Gefängnis bezahlen und versprechen, sich auf Anforderung sofort wieder zu stellen. Erst jetzt fiel es dem Oberrat auf, daß die Inhaftierung der Margaretha eigentlich voreilig und ungesetzlich gewesen war. Er kleidete seine Feststellung jedoch in die schonendste Form und drohte nur eine verhältnismäßig harmlose Sanktion an. ... Wieder frei – Auswanderung nach Weil der Stadt Margaretha war jetzt also frei, aber unter eine Art Polizeiaufsicht gestellt. Auch gaben die Malmsheimer, bei denen sie wieder wohnte, keine Ruhe. ... Kurz, Margaretha konnte sich in ihrer Heimat nicht halten. Um weitere Unannehmlichkeiten zu vermeiden, verkaufte sie ihr Gut im Dorf und beschloß, mit ihrem Sohn ins nahe Ausland zu gehen. Das aber war damals die katholische Reichsstadt Weil der Stadt. Ihr Sohn Wendel Scheckh hatte dort eine Bürgerin geheiratet und auch das Bürgerrecht erhalten. Margaretha wollte von den 1100 Gulden, die sie für ihren Malmsheimer Besitz erhalten hatte, 500 Gulden als Heiratsgut geben. Den Rest gedachte sie für ihre Altersversorgung anzulegen. Die ganze Sache hatte aber einen doppelten Haken: Denn einmal war es zweifelhaft, ob Vermögen ins Ausland gebracht werden durften, ohne versteuert zu werden. Und dann war Weil der Stadt ja auch katholisch. Durfte man da gestatten, daß Württemberger dorthin zogen? Vogt Joß ließ das Vermögen daher in Arrest legen, bis die Regierung entschied, ob daraus eine Abgabe zu bezahlen war. Und er weigerte sich, ein „Mannrecht" (Führungszeugnis) für den Sohn auszustellen, weil „Wendel sich der wahren Religion verläugnet unnd alberayt zum Papstumb zue Weyl der Statt erbhuldigung gethon unnd heurattlichen eingelassen" hatte. Der Oberrat in Stuttgart war jedoch großzügig und erließ Mutter und Sohn die „Nachsteuer" auf das Vermögen und ließ ihnen den „Abschid" mit Brief und Siegel zukommen. Sie konnten nun nach Weil der Stadt auswandern, und Margaretha Löffler war erst jetzt wieder wirklich frei. | ||||
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsinhaber und der Familie Heimberger.
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