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Quelle: Beschreibung des Oberamts Leonberg. Herausgegeben von dem königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1852. | ||||
Bild: Ländliches Idyll in Perouse. Der kleine Ort wurde 1699 von Waldensern aus Perosa im unteren Tal des Chisone (Piemont) gegründet. Perouse, Gemeinde III. Kl. mit 528 Einw., wor. 7 Kath. - Ev. PfarreiDas im Jahr 1699 gegründete Dorf Perouse liegt 2 Stunden westlich von der Oberamtsstadt; der nicht große, in die Länge gedehnte Ort ist an zwei geraden, parallel laufenden, steinbeschlagenen Straßen gebaut, die von einigen Querstraßen rechtwinklig durchschnitten werden. Die meist kleinen, jedoch freundlichen Wohnungen stehen beinahe alle frei, indem sie durch Hofräume und Gärtchen von einander getrennt sind. Die 1738 erbaute Pfarrkirche liegt an einer Kreuzstraße, in der Mitte des Orts; ... Das zunächst der Kirche gelegene, 1762 erbaute Pfarrhaus hat ebenfalls die Gemeinde zu erhalten, welche bei ihrer Mittellosigkeit nur die nothdürftigen Baukosten darauf verwendet. Das ziemlich gut erhaltene, geräumige Schulhaus liegt der Kirche gegenüber und enthält zugleich die Wohnung des Lehrers und Gelasse für den Gemeinderath. Neben der Volksschule, an welcher nur ein Lehrer unterrichtet, besteht auch eine Industrieschule. Das Pfarrdorf hat eine hohe, freie Lage und vermöge dieser und der ganz nahe liegenden Waldungen eine sehr gesunde, jedoch etwas raue Luft; dagegen fehlen laufende Brunnen und die Gemeinde ist an einen erst im Jahr 1807 gegrabenen Zugbrunnen gewiesen, der in sehr trockenen Sommern schon versiegte, so daß das Wasser auswärts geholt werden mußte. ... Die Einwohner, deren Voreltern aus Piemont einwanderten haben sowohl an ihrem Äußern als in ihrem Charakter noch manche Spuren italienischer Abstammung; sie sind gewand im Umgang, rührig, speculativ und sehr fleißig, aber auch wegen der vielen Holzexcesse, welche sie in den nahe gelegenen Waldungen begehen, berüchtigt. Ihre Mundart ist im Laufe der Zeit beinahe ganz die schwäbische geworden, während sich ihr früheres Patois, ein Gemenge von der französischen und italienischen Sprache, nur noch in einzelnen Familien erhalten hat. Trotz ihrer Rührigkeit sind die Einwohner meist unbemittel, da bei der im Verhältniß zu der Bevölkerung kleinen Ortsmarkung ihre Haupterwerbsquellen, Feldbau und Viehzucht, gering sind, und der Kleinhandel, so thätig sie ihn auch betreiben, ihnen wenig einbringt. ... Was die Gewerbe betrifft, so beschränken sich diese auf die nöthigsten Professionisten; auch bestehen im Ort 2 Schildwirthschaften und 2 Kramläden. Der emsige Betrieb des Kleinhandels mit Obst, Erdbeeren, Himbeeren, Gemüse, Flachs, Hanf u. s. w. gewährt mancher Familie ihr, wenn auch spärliches, Auskommen. ... Perouse ist, wie bereits erwähnt, im Jahr 1699 von 60 eingewanderten Waldenser-Familien auf Gütern, welche auf der Markung Heimsheim in Folge des dreißigjährigen Krieges öde lagen, gegründet worden (...). Der Name ist von der piemontesischen Heimath übertragen; indem sich die Communauté de Perouse (Perosa) hier niederließ. Anfänglich bestanden die Wohnungen der Colonisten nur aus Hütten von Holz, welche sie für den augenblicklichen Bedarf leicht erbauten; das erste solide Gebäude war ein kleines Bethaus, nach dessen Vollendung bald das Dorf in seiner gegenwärtigen Gestalt erbaut wurde. Der erste, vermuthlich miteingewanderte Pfarrer Javel, mußte Anfangs die Kinder in den benachbarten Kirchen zu Heimsheim und Mönsheim taufen, und erst vom Jahr 1703 an wurden die Taufen im Ort selbst vollzogen. Die ursprüngliche Confession der Eingewanderten war die reformirte, später zogen lutherische Familien aus der Umgegend in den Ort, so daß etwa 1/3 der Einwohner sich zur lutherischen Lehre bekannte. Letztere waren nach Heimsheim eingepfarrt und die übrigen, denen noch bis zum Jahr 1825 französisch gepredigt wurde, hatten ihren eigenen reformirten Pfarrer, der unter dem reformirten Dekanat Canstatt stand. Im Jahr 1825 vereinigten sich beide Confessionen, wo dann auch die lutherischen Mitglieder der Gemeinde aus Heimsheim ausgepfarrt wurden, das der Gemeinde zustehende Präsentationsrecht des Pfarrers und Schulmeisters aufhörte und die Besetzung dieser Stelle dem Staate zukam. Im November 1839 wurde das Eigenthum der Gemeinde von dem der Gemeinde Heimsheim ausgeschieden und der Gemeinde Perouse eine eigene Markung zugetheilt. ... | ||||
Der Text wurde gekürzt. Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Perouse finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource. Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt. Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 30. Band erschien 1852 die Beschreibung des Oberamts Leonberg. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden. Diese Seite drucken |
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