Schönaich>>"Weiberwald" Laubach

Streit um den Laubachwald um 1600 und 1750

Autor: Dr. Wilfried Ott, Landesforstpräsident a. D., Schönaich

Der Schönaicher Laubachwald gehörte seit alters her zum Tübinger Forst, der (auch) den im 14. Jahrhundert von den Tübinger Pfalzgrafen erworbenen Schönbuch umfasste. Der Schönaicher Gemeindewald dagegen fiel in den Zuständigkeitsbereich des Böblinger Forsts. Die Grenze zwischen den beiden Forstbezirken bildete die Aich. Aus diesem Grund übte die Forstaufsicht über die Nutzung des Laubachwalds das Forstamt Tübingen aus, das bis 1803 seinen Sitz meist in Waldenbuch hatte. Die Amtsbezeichnung des Tübinger Forstamtsleiters lautete bis in das 18. übrigens „Waldvogt“ - ein altertümlicher Titel, der darauf schließen lässt, dass im Schönbuch schon sehr früh eine Forstorganisation eingerichtet worden war. Kleiner Ausschnitt aus der Karte „Tübinger Forst“

Bild: Kleiner Ausschnitt aus der Karte „Tübinger Forst“ des Georg Gadner (ca. 1590). Der Laubach liegt also im Tübinger Forst. Für einen größeren Ausschnitt klicken Sie bitte in das Bild. Kartengrundlage: Chorographia Ducatus Wirtembergici (Gadner-Atlas) 1596 – © Landesvermessungsamt Baden-Württemberg vom 14.05.2008, Az.: 2851.2-D/5110

Offensichtlich konnten die Laubacher ihren Waldbesitz lange Zeit selbstständig nutzen, wobei für sie nicht nur der Holzeinschlag wichtig war, sondern auch die Waldweide und als Nahrungsgrundlage für die Hausschweine die Eichel- und Buchelmast. Der im 16. Jahrhundert fühlbar werdende Holzmangel führte jedoch dazu, dass die württembergischen Regenten damit begannen, die Gemeinde- und Privatwälder der staatlichen Forstaufsicht zu unterstellen, um der zunehmenden Waldverwüstung Einhalt zu gebieten. Zu diesem Zweck wurden erstmals 1540 Forstgesetze erlassen, die im Interesse des Gemeinwohls die Waldnutzung regulierten. Vor diesem Hintergrund ist eine Auseinandersetzung zu sehen, die sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts zwischen dem Forstamt Tübingen und den Laubachinhabern abspielte.

Am 19. März 1608 richteten die Laubacher an Herzog Johann Friedrich ein Schreiben, in dem sie sich über den Tübinger Waldvogt beschwerten, dem sie vorwarfen, sie in ihrem uralten Herkommen zu stören. Es sei ihr verbrieftes Recht, sich jährlich aus ihrem "eigenthumblichen Wald", zu "beholzen", soweit es ihre "Hausnotdurft" erfordere, auch die Bußgelder einzuziehen, das Vieh zur Weide hineinzutreiben und das "Äckerich", also die Eichel- und Buchelmast für die Schweine, in Anspruch zu nehmen. Nur der Wildbann, das heißt das Jagdrecht, stünde dem Landesherrn zu.

"Bey dem jetzigen Waldvogt aber will uns in unserer Gerechtigkeit (das heißt: in unserem Recht) allerhand Eintrag begegnen und schier gar entzogen werden", führten sie aus, "indem er erzwingen will, daß wir für uns selbsten und ohne sein Vorwissen das notdürftige Brennholz nicht mehr hauen, kein Äckerich mehr verkaufen noch die Aichellesen dürfen." Als Beispiel gaben sie an, im letzten Herbst habe er ihnen unter Androhung einer beträchtlichen Geldstrafe sowohl den Eintrieb ihrer Schweine als auch das Auflesen der Eicheln verboten und ihnen nur erlaubt, das Äckerich an die Waldenbucher zu verkaufen.

Laubachschulthheißen eingesperrt!
Empört berichteten sie auch, der Waldvogt habe drei ihrer Genossen, darunter die beiden Laubachschultheißen, kurzer Hand eingesperrt, als sie ihn zur Schlichtung der Meinungsverschiedenheit aufgesucht hatten. Schließlich beklagten sie sich darüber, dass er neuerdings auch die gesamten Geldstrafen für die Herrschaft (das heißt für den Staat) einziehe, während seine Vorgänger mit dem "Rugdrittel"1*, das jeweils der die Anzeige erstattende Forstbeamte erhielt, zufrieden gewesen waren. Das Schreiben ist mit den Worten "Die Inhaber deß Löbpacher Waldts, deren 125 alle seßhafft zu Schönaich" unterzeichnet.

Es schließt mit der Bitte an den Herzog, einen Abgesandten zur Einnahme des Augenscheins abzuordnen. Eine Abschrift des Pergamentbriefs von 1500 wurde beigelegt.

Die Regierung ... ­leitete die Eingabe zunächst dem Tübinger Waldvogt Caspar Epplin zur Stellungnahme zu. Er berichtete, der ... Laubachwald sei ein Ort, wo man "mit dem Bürschen, Streifens und Jagens vor andern Hölzern (Wäldern) guette Gelegenheit haben kann." Sodann erwähnte der Waldvogt, dass der Laubachwald bisher von seinen Besitzern schonend behandelt "und zu uffpflantzung in guetter achtung gehalten" worden sei, doch hätten sie sich in den letzten 8 - 9 Jahren unterstanden, das Bau- und Brennholz "nach ihrem Unverstand" zu hauen, um es gegen das alte Herkommen nicht nur für ihre Haushaltungen zu verwenden, sondern auch zu verkaufen. Sie hätten auch die jungen Haue nicht mehr geschont, vielmehr schon im ersten Frühling nach dem Hieb auf die Schlagflächen "zur Verderbung derselben" Rosse und Ochsen getrieben. Es sehe so aus, so meinte er, als wolle in diesem Wald kein Holz mehr wachsen.

Laubacher sind "trutzige Leut"
Die Laubacher jedoch seien "trutzige Leut", die die Vorschriften der Forstordnung nicht annehmen, sondern "mit ihrem alten schädlichen Holzhauen ohngefragt" fortfahren wollten. Als er ihnen dies verbot, hätten sie ihm "nit viel guetter Wortt", sondern nur trutzige Reden gegeben, weshalb er sie von II Uhr bis abends um 4 Uhr in den Turm gesteckt hätte.

Am 22. April 1608 traf der Oberrat - die für die Forstaufsicht zuständige Stuttgarter Regierungsbehörde - eine Entscheidung, die weitgehend die Maßnahmen des Waldvogts Epplin bestätigte. "Man wolle den Laubachern ihre Gerechtsame nicht schmälern", so hieß es in der Verfügung, "da sie aber von ihnen mehrfach mißbraucht wurden und ihr Wald durch eigenwilliges und unordentliches Hinweghauen des Holzes sowie Verderbung der jungen Haue in kurzer Zeit abgetrieben und gleichsam zu einer Egarten (Ödfläche) gemacht werden würde, sollen der Waldvogt und seine Knechte nach Ausweisung der Forstordnung ihr fleißiges Aufsehen haben.

Am gleichen Tag, dem 22. April 1608, verfassten die Laubacher einen neuen Brief, in dem sie einen Bescheid anmahnten und den Vorwurf der Waldverwüstung zurückwiesen...Erneut baten sie um Vornahme eines Augenscheins. Diesmal unterzeich­nete "Michel Schott und anderer, deren 125 seyen zu Schönaich". Offensichtlich überkreuzten sich beide Schreiben. Die Regierung jedenfalls antwortete nicht mehr, sondern beließ es bei der ursprünglichen Entscheidung.

Streit um Geldbußen
Nicht nur 1608, sondern auch im 18. Jahrhundert kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Frage, wem die Geldbußen zustanden, die für Waldfrevel im Laubachwald verhängt wurden. So baten am 14. April 1750 der Laubach-Schultheiß Johannes UImer und 73 Laubachgenossen den Herzog Karl Eugen, sie bei ihrer "uralten Gerechtigkeit" zu lassen und gegen das Forstamt Waldenbuch "gerechtest zu schützen."

Ausschnitt eines Dokuments vom April 1750

Bild: Ausschnitt eines Dokuments vom April 1750 mit der Bitte des Laubach-Schultheiß Johannes Ulmer und 73 seiner Laubachgenossen an den Herzog Carl Eugen, sie gegen das Forstamt Waldenbuch „zu schützen“. (Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 227 Büschel 594) - für eine Gesamtansicht des Dokuments klicken Sie bitte in das Bild

Sie verwiesen dabei auf den in den Akten befindlichen "Pergamentinen Brief“ aus dem Jahr 1500, der in seiner Fassung von 1579 ausdrücklich zwei Drittel der Bußgelder den Laubachinhabern zusprach; das letzte Drittel gehörte wie üblich dem Forstbeamten, der die Übertretung festgestellt und angezeigt hatte. Entgegen dieser eindeutigen Regelung hatte schon 10-20 Jahre zuvor der Waldenbucher Forstmeister Franz de Barilli zwei Drittel der Ruggelder für das Forstamt bean­sprucht, war aber auf die Beschwerde der Laubacher "durch gnädigsten Befehl abgewiesen worden, wie in der Registratur alles zu finden." Dennoch versuchte im Jahr 1747 der Forstmeister von Schauroth erneut, das Strafgeld für die Forstamtskasse einzuziehen...Die Antwort auf diese Eingabe ist nicht erhalten. Da die Rechtslage zweifelsfrei war, dürften die Laubachgenossen jedoch auch im Jahre 1750 den Sieg über das Forstamt davongetragen haben.

1

Das alte Wort Rug bedeutet Klage, aber auch Strafe; das Rugdrittel ist also das Drittel einer Strafe für einen Waldfrevel, das an den Waldvogt geht – die anderen zwei Drittel an den Waldbesitzer.



Der Text wurde gekürzt. Der Originaltext ist in der von Herrn Walter Jehle erarbeiteten „Schönaicher Ortsgeschichte“ enthalten. Dieses Buch wurde von der Gemeinde Schönaich herausgegeben.

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