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Maichingen>>Georg Bronnenmayer
"Gleichberechtigung soll das Motto sein"

Ein Sozialdemokrat der ersten Stunde: Georg Bronnenmayer (1837-1905) aus Maichingen

Quelle: Sindelfinger Zeitung, 13. Mai 2002

Autor: Tim Schweiker

Foto: Mitbegründer der SPD: Georg Bronnenmayer, geb. 1837 in Maichingen.(Foto: Stadtarchiv Göppingen)

Im Süden von Göppingen ist noch eine Straße nach ihm benannt, in seinem Geburtsort ist er dagegen völlig in Vergessenheit geraten: Georg Bronnenmayer, geboren am 31. März 1837 in Maichingen. Dabei müsste man sich seiner nicht schämen, im Gegenteil. Er war eine der wichtigsten Figuren der Arbeiterbewegung in Württemberg und Mitbegründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, die 1869 in Eisenach ins Leben gerufen wurde.

Nur wenige Wochen nach Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei verfasst Bronnenmayer eine Schrift, die bei den Genossen auf wenig Gegenliebe stößt: "Die Enteignung von Grund und Boden erzeugt nur Hass. Das wäre der Anfang vom Kommunismus. Kommunismus aber wäre der Todesstoß nicht nur für die Arbeiterbewegung, sondern für jede freiheitliche Idee des Volkes."

Wer war dieser Georg Bronnenmayer, der in der Maichinger und Sindelfinger Geschichtsschreibung bislang keine Rolle spielt? Klaus Phillipscheck, Sindelfinger Lehrer und Kenner der Stadtgeschichte, hat das wenige zusammengetragen, was in den Archiven über Georg Bronnenmayer zu finden ist.

Maichingen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das ist ein Bauerndorf wie viele in der Gegend. Aber es ist auch ein Dorf, in dem sich viele ihren Lebensunterhalt mit der Weberei verdienen. Georg Bronnenmayer erlebt wohl bewusst die dramatische Zeit der 1848er-Revolution mit. Seine Welt ist offenbar danach nicht mehr dieselbe: Großvater und Vater Bronnenmayer, ebenfalls Weber, verarmen im Umfeld der 48er-Krise völlig.

Zu der Zeit verlässt Georg Bronnenmayer Maichingen aller Wahrscheinlichkeit als Wandergeselle. In Göppingen, damals die Hochburg der württembergischen Textilindustrie, findet er eine neue Heimat. Hier ist er an der Gründung des Arbeiterbildungsvereins beteiligt und er steht auch in der ersten Reihe, als 1865 der "Consum- und Ersparnißverein Göppingen" aus der Taufe gehoben wird.

Bild: Wahlaufruf des Arbeiter-Wahlkomites für Georg Bronnenmayer im Böblinger Boten vom 18. Februar 1890 - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

"Verbesserung der Übelstände"
Ein Jahr später schließen sich 15 Weber zu einer Korsettweber-Assoziation zusammen, um in eigener Verantwortung zu produzieren. Bronnenmayer wird 1867 ihr Schriftführer. Für diese, neben Partei und Gewerkschaften, dritte Säule der Arbeiterbewegung, spielt Bronnenmayer offenbar eine wichtige Rolle. Hier findet er mit seiner politischen Haltung ein Zuhause.

Denn der Umsturz ist seine Sache nicht, für ihn zählt die konkret machbare Verbesserung der Lebenssituation der Arbeiter: "Nicht die Herrschaft der ärmeren Klassen, sondern nur Gleichberechtigung soll das Motto sein, nicht Umsturz des Bestehenden, nur Verbesserung der Übelstände."

Zweimal ins Gefängnis
Kein Wunder also, dass Georg Bronnenmayer auch mit dabei ist, als 1872 in Göppingen die erste Gewerkschaft gegründet wird. Bronnenmayer wird Bevollmächtigter der Tuchmacher und Maschinenweber. Seinen Kampf für die Sache der Arbeiter gibt er auch nicht auf, als Bismarcks Sozialistengesetze 1878 die Arbeiterbewegung offiziell lahmlegen. Georg Bronnenmayer trifft sich heimlich mit seinen Genossen und verteilt offenbar auch Flugblätter. Zweimal landet er deswegen im Gefängnis, einmal sogar für 99 Tage. Kurzzeitig geht er in die freie Schweiz, wo die Internationale Arbeiterassoziation ihren Sitz hat, doch schon kurze Zeit später kandidiert er für den Landtag, teils auch für den Reichstag, mehrmals auch im Oberamt Böblingen. Immer ohne Erfolg, wenngleich manchmal mit beachtlichen Ergebnissen. Doch 1893 schafft er, als einer der ersten sozialdemokratischen Kommunalpolitiker überhaupt, den Sprung in den Göppinger Gemeinderat.

Während seiner politisch aktiven Zeit in Göppingen arbeitet er nur anfangs noch als Weber, später taucht er als Wirt der "Frühlingsau" oder den "Drei Mohren" in den Büchern auf. Jenseits der Fils sorgt er mit der "Bronnenmayerei" für sozialen Wohnungsbau und betreibt dort auch einen kleinen Laden. Auch das ist ein Anzeichen dafür, dass ihm die unmittelbare Situation der frühen Industriearbeiter weit mehr am Herzen lag als stramme Ideologie. Sein Sozialismus begründet sich ethisch, aus der unmittelbaren, eigenen Lebenswelt heraus.
Acht Jahre vor seinem Tod erkrankt Bronnenmayer schwer und wird sich nie mehr ganz erholen. Nach seinem Tod am 27. November 1905 versammelt sich in Göppingen eine große Trauergemeinde, viele Redner würdigen seine Verdienste.
Doch wer heute nach Spuren des Maichinger Sozialisten sucht, muss in den Archiven stöbern. Nicht einmal ein Grab gibt es für Georg Bronnenmayer. Sein Leichnam wird per Bahn ins Heilbronner Krematorium gebracht, seine Asche kehrt später nach Göppingen zurück, wo sie irgendwann spurlos verschwindet.

Der Text wurde gekürzt

Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung

Friedrich Ebert Stiftung - Historisches Forschungszentrum:

Stadtarchiv Göppingen:

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