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Professor der Medizin und herzoglicher Leibarzt Dr. Johannes Widmann, gen. "Möchinger" (um 1444-1524) Quelle: Maichingen - Unsere Heimat im Wandel der Zeit. Herausgeber und Verlag Stadt Sindelfingen 1981, S. 55-63.Autor: Fritz Heimberger | ||||||||||
Die Familie Widmann Nach den Nachforschungen von W. Pfeilsticker hat die Familie Widmann von Dagersheim ihren Ausgang genommen. Hier verschreibt sich ein Maier namens Mangold 1342 dem Stift Sindelfingen für das Erblehen des Widemhofs.1* Man darf annehmen, dass die Mitglieder der Familie nach dem Besitz dieses Hofes "Widmann" genannt wurden. ... Die Widmann tauchen nun auch an anderen Orten auf, einer ihrer Vornahme ist immer wieder "Mangold". Die Sippe stieg rasch zu hohen weltlichen und geistlichen Würden und Ämtern auf. ... Der Dagersheimer Sippe entstammt sicherlich der Maichinger Zweig der Familie. ... Wahrscheinlich ist die ganze Familie Widmann ursprünglich leibeigen gewesen. Das hat jedoch ihren Aufstieg - wie zu dieser Zeit in vielen Fällen solcher Art - nicht gehindert. ... Prof. Dr. Johannes Widmann (1444 - 1524) Die erste zweifelsfreie Nachricht, die wir von dem späteren Dr. "Möchinger", auch "Salicetus" (von "salix" - Weide) genannt, haben, ist eine kurze Notiz, nach welcher "Johannes Widmann de Möchingen, scolaris Constantiensis Dyocesis" am 1. Okt. 1459 an der Universität Heidelberg immatrikukliert wurde. Etwa 1 1/2 Jahre später begegnet er uns als "Bakkalar der Künste", was etwa mit unserem Abitur vergleichbar ist. Widmann mag somit um 1444 geboren sein. ... Am 19. März 1464 wurde Widmann Magister der Künste und wandte sich nun ... seinem eigentlichen Berufsziel, der Medizin, zu. Er suchte die damals berühmtesten europäischen Hochschulen, nämlich die in Italien, auf. In Pavia war 1466 der berühmte Mediziner Johannes Marlianus sein Lehrer. ... 1469 hält sich der "Möchinger" wieder in Ulm auf. Nach eigenen Aussagen hat er in Pavia den Doktorgrad erhalten; ... Ein 1472 erschienenes Erstlingswerk mit dem Titel "Regimen generale ab aere corrupto preservatium" (Wie man sich bei verdorbener Luft, vorzusehen hat) erörterte die Ursachen der Pest und machte seinen Verfasser so bekannt, dass der 1474 als Dr. der Medizin und Chirurgie in die Matrikel der Hochschule Ingoldstadt Eingetragene bereits zu den hervorragenden Persönlichkeiten an der Universität gehörte. 1475 berief Markgraf Christoph I von Baden Widmann zu seinem Leibarzt. Dieser lernte nun auch das damals schon berühmte Thermalbad Baden-Baden kennen und vertiefte so seine Kenntnisse auf dem Gebiet der für sein Lebenswerk so wichtigen "Balneologie" (Bäderkunde). ... Ein Versuch 1477 in Basel festen Fuß zu fassen schlug fehl. Desgleichen scheint eine Bestallung zum Stadtarzt in Straßburg nicht realisiert worden zu sein (1483). ... 1484 folgte Johannes Widmann einem Rufe seines schwäbischen Landesherren, Graf Eberhards V. im Barte, auf die Stelle eines Professors der Medizin an der 1477 neu gegründeten Universität Tübingen, wo im Vorjahr gerade wieder einmal einer seiner Verwandten, der Sindelfinger Chorherr Mangold Widmann als Rektor gewirkt hatte. Er gewann bald einen ausgebreiteten und berühmten Schülerkreis, darunter u.a. den späteren Reformator Philipp Melanchthon. ... 1493 nahm ihn Graf Eberhard auf Lebenszeit als Hofarzt in seinen persönlichen Dienst. ... Zu den Ämtern eines Universitätsprofessors und herzoglichen Leibarztes kamen noch einige Sonderaufgaben auf dem Gebiet der Sozialhygiene und der Seuchenbekämpfung. So erweist sich schon die erste Apothekenordnung der Stadt Stuttgart vom Jahre 1486 als Werk Widmanns, und 1493 übertrug ihm sein Landesherr "das ganz Examen der Sondersiechen im ganz Land zu Wirtemberg", d.h. die Oberaufsicht über die Behandlung und Unterbringung der Aussätzigen. ... 1495 hatte Widmann Gelegenheit, sich als Berater seines Landesherrn auf dem Reichstag zu Worms mit einem weiteren seuchenpolitischen Problem, nämlich dem ersten Auftreten der aus Amerika eingeschleppten Syphilis zu befassen. Zwei Jahre später veröffentlichte er seine Schrift über diese Krankheit ("Traktat über die Pusteln und die Krankheit, die gewöhnlich französische Krankheit genannt wird"). Der Verfasser war zwar noch ganz in den Gedanken seiner Zeit befangen. ... Schuld an dem Ausbruch der Seuche sollte die verhängnisvolle "Konjugation", d.h. Vereinigung der Planeten Jupiter und Saturn am 27. November 1484 sein. Indem Widmann als Astrologe den Widerpart zu diesen beiden Wandelsternen suchte, der ihren Einfluss ausschaltete, kam er auf den Planeten Merkur und diesem war das Quecksilber als Metall zugeordnet. So verordnete er Quecksilber als spezifisches Heilmittel gegen die Syphilis, die einzige Therapie, welche bis zur Entdeckung des Salvarsans durch Ehrlich-Hata zu Beginn des 20. Jahrhundert mehr oder minder erfolgreich angewandt wurde. Nachdem Widmann unter dem Nachfolger Herzog Ebergards im Bart, Herzog Eberhard II, vorübergehend in Ungnade gefallen war, nahm ihn der 1498 an die Regierung gelangte Herzog Ulrich, ein alter Freund, wieder zu seinem Leibarzt. an. Er erhöhte seine Besoldung beträchtlich und beauftragte ihn nun dafür zu sorgen, dass Stuttgart über genügend Hebammen verfüge. Im Jahre 1500 wies ihn der Herzog an, die Apotheken der Residenz in Ordnung zu bringen und zu beaufsichtigen. ... Widmann hatte als Leibarzt Herzog Ulrichs in Stuttgart den beruflichen Höhepunkt seines Lebens erreicht. ... Eine um 1500 in Stuttgart wütende Pest gab Veranlassung zu einer Neubearbeitung der Pestschrift von 1472. Wichtiger als die Tatsache, dass Widmann in dieser Schrift die herkömmlichen Lehrmeinungen seiner Zeit teilt - er sieht die Ursache der Pest in einer Fäulnis der Luft, schuld sind natürlich letztenendes die Gestirne - ist, dass er eine deutsche Ausgabe seines lateinisch geschriebenen Werkes anfertigte und so die medizinische Geheimwissenschaft seiner Zeit Laien nahebrachte. In seiner 1513 erschienen Schrift "Tractatus de balneis ferrinarum thermarum vulgo Vuildbaden (Traktat über die eisenhaltigen Thermalbäder von Wildbad) gibt der herzogliche Leibarzt die erste deutsche Monographie über einen Badeort. ... Bis 1513 ist Widmann als herzoglicher Leibarzt nachweisbar, dann hören wir nichts mehr von ihm. Erst eine Urkunde vom 14. April. 1522 berichtet uns dann, dass Johann Widmann, gen. Möchinger, der Arznei Doktor, und Mechthild Belczin, seine eheliche Hausfrau, jetzt in dem badischen Pforzheim wohnten und dem Propst der dortigen Stiftskirche 190 fl.2* zur Stiftung eines Seelenamtes übergaben. Wir wissen nicht, welche Umstände den Alternden veranlassten, Württemberg zu verlassen, und was in Pforzheim seines Amtes gewesen ist. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Art Exil. Man darf annehmen, dass Widmann Württemberg verließ, als Herzog Ulrich 1516 den Schwiegersohn Widmanns, den bisher allmächtigen Kanzler Lamparter, stürzte und verfolgte. Standen doch auch die Söhne des "Möchingers", Beatus 3* und Ambrosius 4*, 1519, als der Herzog Württemberg verlor, im Dienste Österreichs, das zu den Feinden Ulrichs gehörte und das Land des Vertriebenen in Besitz nahm. Dr. Johannes Widmann selbst ist am 31. Dez. 1524 im Alter von etwa 80 Jahren gestorben und wurde in der Stiftskirche zu Pforzheim begraben. ...
Der Text wurde gekürzt |
Mit freundlicher Genehmigung der Stadt Sindelfingen und von Frau Heimberger Der Heimsheimer Arzt Dr. Johannes Widmann Auf einen weiteren Zweig der Familie Widmann trifft man in Heimsheim. Hierher stammt der Namensvetter des "Möchingers", der Arzt Johannes Widmann (1461-1530). Er wurde später Dekan an der medizinischen Fakultät an der Universität Freiburg. Sein Lebensweg ähnelt frappierend dem seines Maichinger Onkels: 1507 vertritt er diesen als Leibarzt Herzog Ulrichs von Württemberg, 1512 wird er von Markgraf Christoph von Baden zum Leibarzt berufen. Kein Wunder, dass beide "Widmänner" gerne miteinander verwechselt oder gar für ein und dieselbe Person gehalten wurden. Literaturhinweis W. Pfeilsticker: Die zwei Leibärzte Johann Widmann. Sudhoffs Archiv 41/3/1957, S. 260-282. Diese Seite drucken |