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Es war einmal eine Sindelfinger Windmühle....

Heimatforscher Wolfgang Schleh entdeckte ein Stück vergessene Stadtgeschichte


Quelle: Amtsblatt der Stadt Sindelfingen, Donnerstag, 6 Februar 2003

Foto: Der Sindelfinger OB Vöhringer (rechts) und Wolfgang Schleh enthüllen die Gedenktafel für die Sindelfinger Windmühle. (Foto: Amtsblatt Sindelfingen)

Kaum jemand weiß, dass im 18. Jahrhundert in Sindelfingen eine der ersten Windmühlen des Herzogtums Württemberg stand. Der Sindelfinger Heimatforscher Wolfgang Schleh begab sich auf Spurensuche nach dem "Wedmüller Bausch" und seiner Mühle. Die von ihm initiierte Gedenktafel wurde jetzt von OB Bernd Vöhringer enthüllt. Das Metallschild auf dem Gehweg Ecke Hinterweiler Straße / Eichholzstraße zeigt den einstigen Standort der Sindelfinger Windmühle.

Begonnen hat alles bei einem Gespräch mit dem vor kurzem verstorbenen früheren Leiter des Sindelfinger Stadtmuseums, Eugen Schempp, der vom "Wedmüller Bausch" sprach. "Wo es einen Windmüller gegeben hat, muss auch eine Windmühle existiert haben", schloss Wolfgang Schleh und machte sich, unterstützt von Regiebetrieb Stadtgrün, Baurechts- und Vermessungsamt und dem Stadtarchiv an die Nachforschungen. Tatsächlich fand er in einem Buch der Sindelfinger Familien den besagten Windmüller Johann Jakob Bausch, der von 1758 bis 1827 gelebt hat. Von alten Sindelfingern erfuhr er, dass in der Nähe des ehemaligen Zimmerplatzes - heute Hinterweiler Straße/Eichholzstraße - eine Windmühle gestanden habe. Ganz oben, wo der Wind am stärksten bläst - Maichingen zu. Anhand der Schmitschen Karte aus dem Jahr 1797 konnte der Standort der Mühle dann ausgemacht werden.

Über die Entstehungsgeschichte weiß Wolfgang Schleh zu berichten: "Zur Zeit von Johann Jakob Bausch wurden die Mühlen mit Wasserkraft betrieben. In Sindelfingen waren dies die Riedmühle, die Rößlesmühle, die Seemühle, die Goldmühle und die Bleichmühle. Die Müller hatten jahraus jahrein mit der Wasserknappheit zu kämpfen und mussten bei jedem Mahlvorgang zittern, ob das Wasser auch reichen würde. Denn im Winter waren die Bäche eingefroren und im Sommer oft ausgetrocknet. Hinzu kamen die Streitigkeiten der Müller untereinander, mit der Stadt und benachbarten Gemeinden und weiter unterhalb liegenden Mühlen.

Diesem Dilemma versuchte Johann Jakob Bausch zu entrinnen, indem er auf die Windkraft setzte. Die Anregungen hierzu holte er sich in Holland. Damals wie heute war das Aufstellen einer Windkraftanlage bzw. einer Windmühle ein Politikum. So war es für den Windmüller Bausch nicht einfach, ein geeignetes Gelände zu erwerben. Als er dies endlich hatte, gestaltete sich die Beschaffung des Bauholzes nicht ganz einfach. So gingen von der Idee über die Planung bis zur Fertigstellung der Windmühle Jahre ins Land. Begonnen wurde mit dem Bau bereits 1786, jedoch erst 1793 ging die Sindelfinger Windmühle in Betrieb. Unterstützung hatte Bausch beim Bau von dem geschickten Sindelfinger Zimmermann Speidel erhalten.

Bild: Gedenktafel Ecke Hinterweiler Straße / Eichholzstraße

Als es dann soweit war, muss es für die Sindelfinger Bürger, die so etwas ja nicht kannten, ein ungewöhnlicher Anblick gewesen sein, als sich die Arme der Mühle im Wind drehten. Für Johann Jakob Bausch aber war es bestimmt eine große Genugtuung zu sehen, dass seine Idee trotz aller Skepsis und Widerstände seitens seiner Mitbürger endlich Realität geworden war. Seine Windmühle war die erste Windmühle im Raum Mittlerer Neckar und eine der ersten im gesamten Herzogtum Württemberg. Auch der damalige Herzog Karl von Württemberg war interessiert an der Windmühle von Johann Jakob Bausch. Er schickte seinen Hofwerkmeister Etzel nach Sindelfingen, um das Bauwerk zu begutachten und ihm Bericht zu erstatten. Zu Beginn schien das Mahlen mit Windkraft gut zu verlaufen. Auch war die Qualität des Mehls vergleichbar mit der Qualität des Mehls, das aus Mühlen stammte, die mit Wasser betrieben wurden. Die Mehlqualität hängt nämlich auch von der Stetigkeit ab, mit der der Mühlstein betrieben wird. Diese Stetigkeit war jedoch auf Grund des sehr unterschiedlichen Windes nicht immer gewährleistet. Ein gemäßigter Wind am Abend hatte die günstigste Wirkung auf die Mühle. Andererseits war der Wind manchmal morgens wieder so stark, dass er sogar die Flügel der Mühle beschädigte. Oft mussten jedoch windfreie Zeiten durch das Vorspannen von Pferden überbrückt werden.

Bild: Letzte Erinnerung: Torbogen aus Abbruchholz der Sindelfinger Windmühle am Haus Obere Vorstadt 30. (Foto: E. Zeller/Stadtarchiv Sindelfingen)

Die Zeiträume ohne Wind wurden immer länger und waren zusammen mit dem unregelmäßig starken Wind der Anfang vom Ende für die Sindelfinger Windmühle. Die Beschädigungen an der Mühle durch den Wind zwangen Bausch letztlich zur Aufgabe seines mit einem Kostenaufwand von 3.000 Gulden verwirklichten Traumes. Nach nur 12 Jahren Betriebszeit hat er seine Mühle in den Jahren 1805/6 wieder abgebaut. Da Bausch sich in der Mühle eine Wohnung eingerichtet hatte, verwendete er das Abbruchholz zum Erbauen einer Behausung im Ort. Einen kleinen Teil der Windmühle kann man heute noch an einem Sindelfinger Haus als "hölzerne" Erinnerung an die Sindelfinger Windmühle sehen. Es ist ein Torbogen aus Eiche am Haus Obere Vorstadt 30.


Mit freundlicher Genehmigung der Stadt Sindelfingen

Eine Mappe mit von Wolfgang Schleh zusammengestelltem Material über die Sindelfinger Windmühle kann im Sindelfinger Stadtarchiv eingesehen werden.

Mühlen im Kreis Böblingen
Weiteres umfangreiches Material zu den ehemaligen und heutigen Mühlen im Landkreis Böblingen sowie zum Thema Mühlen allgemein finden Sie in zeitreise-bb unter „Mühlen im Kreis Böblingen“.

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