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Jeremias Friedrich Gülich in Sindelfingen Ein schwäbischer Pionier der Färbe-Technik und seine Beziehung zu GoetheQuelle: "Aus Schönbuch und Gäu. Beilage des Böblinger Boten" 3/1954 Autor: Helmuth Maier | ||||||
Bild: Goethe - Schattenriss aus dem Jahre 1774 (Bild: Landesmedienzentrum BW/Stuttgart) In seinen "Materialien zur Geschichte der Farbenlehre" schreibt Goethe über Jeremias Gülich:
"Dieser Mann, welcher zu Sindelfingen bei Stuttgart ansässig und zuletzt im Badenischen angestellt war, dessen Lebensgang wohl mehr verdiente bekannt zu sein, war in seinem Handwerk, in seiner Halbkunst, wie man es nennen will, soviel wir ihn beurteilen können, wohl zu Hause. Alle Erfordernisse bei der Färberei, sowohl insofern sie vorbereitend als ausführend und vollendend gedacht werden, lagen ihm zur Hand, sowie die verschiedensten Anwendungen, welche man von Farben technisch auf alle Arten von Zeugen und Stoffen nach und nach ersonnen hat.
Bei der großen Breite, bei dem genauen Detail seiner Kenntnisse, sah er sich nach einem Leitfaden um, an welchem er sich durch das Labyrinth der Natur- und Kunsterscheinungen durchwinden könnte. Da er aber weder gelehrte noch philosophische noch literarische Bildung hatte, so wurde es seinem übrigens tüchtigen Charakter sehr schwer, wo nicht unmöglich, sich überall zurechtzufinden. Bild: Titelseite des 1. Bandes von Jeremias Friedrich Gülichs „Vollständigem Färbe- und Bleichbuch“. (Foto: Landesbibliothek Stuttgart) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern In einem Brief an seinen Verleger Cotta vom 4. Januar 1810 bat Goethe diesen, ihm möglichst rasch Nachricht über den Lebensgang des Verfassers des "Vollständigen Färbe- und Bleichbuches"1* zu senden, "dieses bedeutenden Technikers, dessen ich im historischen Teil meiner chromatischen Arbeit (Farbenlehre) rühmlich zu erwähnen habe." Cotta hat damals nichts näheres über Gülich in Erfahrung bringen können. Dass Goethe selbst Kenntnis von Gülich und seinem Wirken bekam, mag wohl damit zusammenhängen, dass er im Winter 1779 der Hohen Carlsschule auf der Solitude bei einer Preisverleihung seinen Besuch abgestattet hatte.Wer war der Verfasser dieses von Goethe so eingehend besprochenen und günstig beurteilen Werkes? Gülich ist 1733 in Cannstatt als Sohn des Chirurgen Georg Marx Gülich geboren. Sein Großvater war zunächst Regimentsfeldscher2*, dann Hirschwirt in Uhingen; die weitere Herkunft der Familie liegt noch im Dunkeln. Über Jeremias Gülich ist bezüglich seiner Jugend- und Lehrjahre nichts Sicheres bekannt; er scheint in verschiedenen Färbereien, so in Cannstatt, Heilbronn und um 1776 Neuenbürg, sich die ersten praktischern Kenntnisse verschafft zu haben, die ihn dazu bewogen, seine Gedanken und Verbesserungsvorschläge über die Färbetechnik in dem erwähnten Buche niederzulegen. Das umfangreiche sechsbändige Werk ist in Sindelfingen wohl in den Jahre 1776-78 niedergeschrieben worden und ab 1779 in Ulm im Druck erschienen. Nach Sindelfingen hatte Gülich sich im Mai 1776 verheiratet mit der Kronenwirtstochter Christina Hübner aus Schwaigern; ein Sohn, Heinrich Gottlieb, ist im November 1778 hier geboren. Seine schriftstellerische Leistung dürfte der Anlass für Herzog Karl Eugen gewesen sein, Gülich als Web- und Färbermeister an sein 1779 gegründetes Militärwaisenhaus nach Ludwigsburg zu berufen, in dem die Jungen in ihren Freistunden mit Spinnen von Baumwolle, die Mädchen mit Stricken und Spinnen von Baumwolle und Flachs beschäftigt wurden. Baumwollene Hals- und Taschentücher, sowie feine Strümpfe waren die Erzeugnisse dieser jungen Industrie, die bei anfänglich guten Erfolgen nach des Herzogs Wunsch schließlich das ganze Waisenhaus von der herzoglichen Schatulle unabhängig machen sollte! Diese Hoffnung erfüllte sich freilich nicht und die ganze Anstalt wurde 1792 wieder aufgehoben. Inzwischen hatte Gülich aber 1785 eine eigene Baumwollspinnerei eröffnet, doch schon im folgenden Jahr siedelte er nach Pforzheim über als Faktor und offenbar später auch Teilhaber der dortigen Tuchfabrik. Hier veröffentlichte er 1786 eine Anweisung zur Färberei auf Schafwolle und 1800 eine "Genau Anweisung zur Manchaster- Pique-, Mousselin- und Cashmir-Druckerei". 1807 ist sein Gesamtwerk über Farbentechnik in zweiter Auflage erschienen. Seine Vielseitigkeit als Schriftsteller zeigt Gülich durch zwei weitere Veröffentlichungen aus dem Jahre 1777, nämlich eine Abhandlung über Ebbe und Flut und eine technische Studie über "das Mittelding zwischen Einfach und Zusammengesetzt", beides in Haugs Schwäbischem Magazin. Die "Privilegierte Woll- und Tuchfabrik" Pforzheim, die bisher Zeuge3* und Strümpfe hergestellt hatte, ging 1801 auf Gülichs gleichnamigen Sohn über, der sich mit Samuel L. Finkenstein assoziierte und sich nun ausschließlich auf Tuche für das großherzogliche Militär, sowie feine Tuche und Cashmirstoffe verlegte, daneben aber auch einen Handel mit Wolle, Salpeter und Schießpulver betrieb. Der Vater Gülich aber scheint seinen Lebensabend in Augsburg verbracht zu haben, wo er wohl an der dortigen Tuchfabrik zumindest finanziell beteiligt war. Im September 1803 ist er gestorben. Waren nun in Gülichs reichbewegtem Leben die Jahre, die ihn mit Sindelfingen verbanden, auch nur kurz, so waren es doch die entscheidenden und für die Entwicklung der Färberei bedeutsamsten Jahre, die ihn in geistige Verbindung mit einem Goethe gebracht haben. Schon diese Tatsache mag es rechtfertigen, dass wir uns heute mit diesem Mitbürger Sindelfingens befassen.
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Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V. Diese Seite drucken |
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