Sindelfingen>>Wirtschafts-/Sozialgeschichte>>IBM>>IBM-Geschichte - Teil 2

Keine frohe Botschaft

Quelle: Kreiszeitung/Böblinger Bote vom 19. April 2003

Autor: Otto Kühnle

Die IBM steigerte weltweit ihren Umsatz und ihren Gewinn im ersten Quartal 2003. Eine gute Nachricht. Die Weichen für ein solch gutes Standing im Markt hat die Firma schon seit Jahren gestellt. Zum Beispiel mit dem Verkauf von Halbleiterfabriken. Das Werk Sindelfingen als Tochter-GmbH hieß mit dem Namen Sindelfinger Technologie Produkte (STP) und ging an den Rundstrickmaschinenhersteller Mayer & Cie in Albstadt. Den Klotz Produktion am einen Bein war Big Blue damit los. Den Klotz auf der Hulb am zweiten Bein teilte man sich eine gewissen Zeit mit Philips, dann trat man auch dort den geordneten Rückzug an.

Vergessen die Gefechte um die Konti-Schicht bei der Chip-Produktion. Vergessen die Produktion generell in jener Gegend, die einmal das schwäbische Silicon Valley hieß. IBM ist nach wie vor hier präsent, mit einem erfolgreichen Forschungs-Labor am Schönaicher First. Doch die ehemaligen IBM-Mitarbeiter, die seinerzeit einen neuen Boss bekommen haben, werden heute mit Neid und Wut auf ihren einstigen Arbeitgeber schauen. Denn für die allermeisten, wenn nicht alle, wird die Stilllegung der STP, die diese Wochen verkündet wurde, das Aus in diesem Werk bedeuten.

370 sind bereits gekündigt, 450, davon 100 in Albstadt-Tailfingen, stehen nun auch bald auf der Straße. Mit düsteren Perspektiven. Gerade einmal zehn Prozent, so der Betriebsrat am Dienstag auf einer Pressekonferenz, haben wieder einen Job gefunden. Häufig nur befristet. Mit einem Durchschnittsalter über 40 ist die STP zudem kein "Olympiateam", da werden sich viele sehr schwer tun auf dem Arbeitsmarkt.

Da taucht die Frage auf: War der Zusammmenbruch zu vermeiden? Hätte sich nicht ein Investor finden lassen? Schuldige werden gesucht. Doch der Branche geht es insgesamt schlecht. Auch HP lagerte die Leiterplattenfertigung aus. Und auch Multek tut sich schwer. Bei Philips sieht's ebenfalls nicht gerade rosig aus, aber wenigstens gibt es Investitionen und Hoffnungsschimmer in Teilbereichen. Doch übernahm Würth dieser Tage einen insolventen Betrieb im badischen Schopfheim. Und immerhin schauten sich 20 Interessenten den Betrieb an der Autobahn an. Manche sicher nur aus Neugierde. Doch hohe Qualifikation und technischen Standard lobte auch der Insolvenzverwalter. Und die Mitarbeiter schluckten Kröte um Kröte, versuchten alles, den Arbeitsplatz zu erhalten. Da verwundert es schon eher, wie distanziert und nur bedingt engagiert angesichts des Zeitdrucks die Landesregierung eine Bürgschaft in Brüssel absegnen lassen wollte. Wie auch imer die Entscheidung ausfallen mag: Sie kommt zu spät. Womöglich aber will man in Stuttgart nicht riskieren, einer alten, sterbenden Produktion noch Geld hinterher zu schleudern. Und der Vorwurf der Managementfehler steht ebenfalls im Raum. Acht Geschäftsführer in vier Jahren sprechen an sich schon eine deutliche Sprache.

Tatsächlich aber ist das STP-Aus ein Menetekel für die verwandten Betriebe. Lässt sich hier zu Lande nicht zu konkurrenzfähigen Bedingungen produzieren? Gehört in Deutschland die Produktion von Halbleitern bereits zur "alten Industrie", ist sie dem Tode geweiht? Dann wäre das Ende der STP nicht nur eine niederschmetternde Botschaft für die unmittelbar Betroffenen. Von einer frohen Botschaft können dann auch die Beschäftigten in artverwandten Betrieben nicht sprechen. Und dies gerade zu Ostern. Bilder vom Kreuzweg kommen einem da viel eher in den Sinn als die von der Auferstehung.

Mit freundlicher Genehmigung der Kreiszeitung / Böblinger Bote



Diese Seite drucken
Fenster schließen