Sindelfingen>>Wirtschafts-/Sozialgeschichte>>IBM>>IBM-Geschichte - Teil 2

Silikon und graue Zellen Quelle: Kreiszeitung/Böblinger Bote vom 27. September 2003



Autor: Otto Kühnle

Erinnern Sie sich noch an die heftigen Auseinandersetzungen um die Konti-Schicht bei IBM? Damals ging es darum, ob für die Chip-Herstellung auf der Hulb die Belegschaft rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche eingesetzt werden kann. Ohne diese kontinuierliche Produktion in einem langwierigen Herstellungsprozess in der Reinraumtechnik wäre eine Produktion unrentabel und mit zu hohen Ausschussquoten behaftet gewesen. Die damaligen Auseinandersetzungen sind Geschichte. Und beinahe wäre auch die Produktion von Chips und Halbleitern in Böblingen und Sindelfingen Geschichte. Zumindest bei der STP ist dies jetzt der Fall. Denn die IBM hat sich in weiser Voraussicht aus der Produktion Zug um Zug zurückgezogen. Wie unterschiedlich aber die Nachfolger mit den Fabriken verfahren sind, ist auch ein Lehrbeispiel für Managementqualität. Hatten doch nicht wenige befürchtet, dass auch Philips nach dem Ausstieg der IBM die Fabrik in Böblingen langfristig nicht wird halten können. Natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass eines Tages die Produktion auch auf der Hulb den Weg der STP geht. Derzeit aber weisen alle Zeichen darauf hin, dass der niederländische Konzern investiert und die Produktion fortentwickelt. Dies wurde mit der Einweihung der neuen Fertigung gestern eindrucksvoll demonstriert.

Genau daran aber ist nach Meinung von Experten STP gescheitert: Das Management war offenbar nicht in der Lage, die Fabrik und die Produkte so weiter zu entwickeln, dass sie ihren Markt finden. Dass dabei die Produktionskosten, insbesondere die Lohnkosten, nicht unbedingt die entscheidende Rolle spielen müssen, beweist Philips ebenfalls. Und die STP-Belegschaft hat bewiesen, dass sie flexibel und verzichtbereit ist. Genützt hat es, wegen der mangelnden Veränderungen und Innovationen durch das Management, wenig.

Wie lange das Glück anhält, hier noch Produktion am Standort zu haben, ist also von zwei Faktoren abhängig: Von der Innovationskraft der Firmen und der Flexibilität der Beschäftigten. Wird die Produktion nämlich erst verlagert, ist sie nicht mehr zurückzuholen. Damit aber sind diese Jobs dann auch unwiederbringlich weg. Doch wer heute schon den Blick nach vorne richtet, muss sich darauf einrichten, dass der harte Wettstreit um Produktionsbedingungen auch auf den Bereich der Dienstleistungen ausgedehnt wird. Je enger die digitale Welt zusammenrückt, desto leichter wird es, standardisierte Dienstleistung im Netz auf der ganzen Welt einzukaufen. Also heißt es auch im Bereich von Programmierung und Ingenieurdienstleistungen konkurrenzfähig zu bleiben.

Dass dies zu neuen Arbeits- und Organisationsformen führt, ist bereits eine Binsenweisheit. Zu besichtigen sind diese Strukturen heute schon im Softwarezentrum Böblingen/Sindelfingen. Wer sich dort umsieht, mit Leuten redet, weiß, was in einigen Jahren Arbeitsalltag sein wird. Dazu gehören zum Beispiel völlig neue Arbeitszeitmodelle. Und da wird sich nicht nur der Inhaber eines Klein-Unternehmens nach der Auftragslage und den Wünschen der Kunden richtet. Auch die Belegschaft mittlerer Firmen wird ihren Rhythmus kaum von Stechuhr und Manteltarifvertrag bestimmen lassen können. Denn ansonsten droht auch in diesen zukunftsträchtigen Bereichen die Arbeit - und damit die Jobs - verloren zu gehen. Auch hier gilt, was für die Halbleiterproduktion und Chipfertigung oben behauptet wurde: Innovationskraft und Flexibilität sichern die Jobs. Dafür müssen Management und Belegschaft fit sein. Oder gemacht werden.

Mit freundlicher Genehmigung der Kreiszeitung / Böblinger Bote



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