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Mühlordnungen und Streitigkeiten

Quelle: „Aus Schönbuch und Gäu“, hrsg. vom Heimatgeschichtsverein für Schönbuch und Gäu e.V., Nr. 2, 1954

Autor: Helmut Graessle

Eine Mühlordnung (für Sindelfingen) wird erstmals 1435 erwähnt. Damals trugen Stift und Stadt mit den Müllern vor dem Stadtgericht Tübingen einen Rechtsstreit wegen einer neuen Mühlordnung aus.

Das Statutenbuch von 1534 enthält ausführliche Ordnungsbestimmungen, die die Müller samt ihrer Familie und ihren Knechten und Mägden jährlich zu beschwören hatten. Ein Knecht durfte nur mit Zustimmung der Bürgerschaft und mit Wissen seines letzten Meisters eingestellt werden; wenn er seines Handwerks kundig war und sein „Mannrecht“1* vorlegte. Der Mahllohn war im einzelnen festgelegt. Auf der Verwendung falschen Maßes stand strenge Strafe. Den Mahl- oder Gerbmodel2* mussten die Müller auf ihre Kosten bei der Stadt Tübingen abholen lassen. Die Mühlordnung enthält dann noch ins einzelne gehende technische Vorschriften. Ferner wird die Unterhaltungspflicht in den Mühlgräben geregelt. Für die Sindelfinger Walkmühle ist bestimmt, dass sie stets eine solche bleiben soll. Die Lohmühle wurde vom Gerber benutzt, auch für sie bestanden vertragliche Bestimmungen. – Wir sehen also, dass solch eingehende Reglementierungen keineswegs etwa eine Errungenschaft unserer Zeit sind, oft im Gegenteil.

Als Beispiel für die dauernden Streitigkeiten mit der Nachbargemeinde Dagersheim sei erwähnt, dass am 22. August 1435 sechs wirtembergische und reichsstädtische Baumeister aufgeboten werden mussten, um einen Streit zwischen einerseits Stift und Stadt Sindelfingen und andererseits denen von Dagersheim wegen eines Mühlbaues der Dagersheimer und der Wasserführung dorthin zu schlichten. Denn die Dagersheimer Mühle war bei der geringen Wasserführung der Schwippe weitgehend davon abhängig, wie der Riedmüller das Wasser abließ. 1487 wurde hierwegen erneut ein Prozeß geführt. Der Streit zog sich noch Jahrhunderte lang hin, bis er 1916 durch Auflassung der Riedmühle und Verlegung des Mühlkanals gegenstandslos wurde. Ähnliche Vergleiche und Verträge mussten auch zwischen der Riedmühle und der Rohrmühle zu Böblingen und mit der Goldmühle geschlossen werden.

1

Rechtsstellung, Bürgerrecht, auch Leumund

2

genormte Maßgefäße



Mit freundlicher Genehmigung des „Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.“

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