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Spuren jüdischer Geschichte in Steinenbronn

Quelle: Steinenbronner Gemeindenachrichten vom 10.11.1994

Autor: Paul E. Schwarz
Wie aus der Übersicht über die Ergebnisse der Volkszählungen von 1806 bis 1933 hervorgeht, war in der ganzen Zeit lediglich im Jahr 1910 ein israelitischer Einwohner in Steinenbronn gemeldet.
Diese Angabe wird bestätigt durch das Württembergische Hof- und Staatshandbuch von 1912, wo von den 1031 Einwohnern ebenfalls einer als Israelit ausgewiesen ist. Das Staatshandbuch 1922 und spätere zählen keinen israelitischen Einwohner mehr auf.

Der Name des 1910 hier ansässigen israelitischen Bürgers und die Dauer seines Aufenthalts in Steinenbronn konnten weder durch Umfrage bei älteren Einwohnern noch durch Überprüfung der von 1891 bis 1922 fortgeschriebenen Bürgerlisten im Gemeindearchiv festgestellt werden.1*

Belegt ist außerdem, dass 1905 der Handelsmann Maier Wolf Levi als Nachbar von Johannes Gechter, Ochsenwirt "in der Pfarrgasse", heute Stuttgarter Straße, Bereich Dorfplatz, ein Haus besaß.
Die Textilhändler Levi und Hirsch aus Haigerloch übernachteten vor dem Ersten Weltkrieg oft im Gasthaus "Zum grünen Baum".

Weitere schriftliche oder andere Zeugnisse vom Leben von Juden in unserer Gemeinde lassen sich nicht nachweisen. Dies ist jedoch kein Beweis dafür, dass keine Spuren jüdischen Wirkens vorhanden seien. Vielmehr ist nach den Aussagen einiger alter Steinenbronner Bürger durch mündliche Überlieferung verbürgt, dass Juden im Handel und im Kreditgeschäft bis in die Zwanzigerjahre unseres Jahrhunderts auf das wirtschaftliche Geschehen in unserer Gemeinde einen starken Einfluss ausgeübt haben.

Dieser Einfluss wurde damals und auch in den überlieferten Erinnerungen sehr positiv, sachlich und fern jeder abfälligen Regung geschildert.

Einfluss von Juden auf das wirtschaftliche Geschehen der Gemeinde
Ein Steinenbronner Bauer, der in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts von Stetten auf den Fildern nach Steinenbronn gezogen war, um hier eine bäuerliche Existenz zu gründen, habe oft gesagt, dass es ihm ohne die Hilfe des Juden nicht gelungen wäre, sein landwirtschaftliches Anwesen in so kurzer Zeit aufzubauen.

Die Zusammenarbeit habe sich nach seinen Schilderungen so abgespielt: Der jüdische Viehhändler nahm ihm das, meist im Herbst zu verkaufende Vieh (Kühe, Ochsen, Jungbullen und Kälber) ab. Mit dem Erlös kaufte er sich wieder ein weiteres Grundstück. Wenn der Vieherlös dazu nicht ausreichte, gab ihm der Jude den fehlenden Betrag als Kredit.

Je nach Kreditwürdigkeit seines Kunden ließ dieser sich eine Grundschuld einräumen. Hatte sich die Zusammenarbeit als zuverlässig und tragbar erwiesen, gewährte der Jude seine Kredite auch ohne grundbuchmäßige Absicherung, ja teilweise sogar ohne Bürgschaft.

Hauptgeschäftspartner des genannten Bauern war angeblich Herr Levi aus Haigerloch. Die gleichen Erfahrungen wurden von mindestens drei alteingesessenen Familien des Ortes erzählt bzw. bestätigt. In einem der überlieferten Fälle sei der Jude spontan mit einem Personalkredit helfend eingesprungen, als einer seiner Geschäftspartner in akute Zahlungsunfähigkeit geraten war.

Juden als Gläubiger im Spiegel der Steinenbronner Grundbücher
Um diese Angaben auch dokumentarisch bestätigt zu finden, wurden die Grundbücher einer Familie und die Güterbücher und Unterpfandsbücher der Gemeinde von 1875 bis 1900 im Archiv durchgesehen.

Dabei wurden folgende Gläubiger festgestellt, die in der Gemeinde wiederholt als Kreditgeber aufgetreten sind:

1892/97 - Simon Löwenthal, Pferdehändler in Cannstatt,
1894/95 - Joseph Haller, Hutmacher in Stuttgart,
1890/95 - Jung Maier Wolf Levi, Handelsmann in Haigerloch,
1878/90 - Abraham Levi, Händler in Haigerloch,
1896/97 - Abraham Levi, Handelsmann in Haigerloch, Witwe Theresia geb. Bach,
1898 - deren Sohn Joseph Levi in Haigerloch.

Keinen Angaben aus der Zeit nach 1933
Aus der Zeit nach 1933 konnten keine dokumentarischen Angaben über das Leben und Wirken von Juden in Steinenbronn ermittelt werden.

Ein Steinenbronner erinnert sich aber daran, wie er auf dem Weg zur Arbeit in Stuttgart am Morgen nach der sogenannten "Reichskristallnacht", in der auch die Synagoge in der Hospitalstraße niedergebrannt worden war, in der Calwer Straße die Spuren brutalster Zerstörung von jüdischen Geschäften mitansehen musste. Als er seiner Empörung darüber spontan Luft gemacht habe, sei er sofort von uniformierten SA- und Polizeiposten bedroht und aufgefordert worden, schleunigst weiterzugehen. Ein weiteres Aufbegehren oder das Weitererzählen dieser ungeheuerlichen Eindrücke hätte sicher nicht nur den Augenzeugen selbst, sondern auch seine Angehörigen und Freunde in größte Gefahr gebracht.

Über die darauf folgenden weiteren Verbrechen des NS-Regimes an den jüdischen Mitbürgern erfuhren die Steinenbronner meist nur vage Vermutungen hinter vorgehaltener Hand, oder nur das, was in den NS-Medien veröffentlicht wurde.

1

Diese Bürgerlisten enthielten allerdings nur die im Besitz des Gemeindebürgerrechts befindlichen Personen und die wohnsteuerpflichtigen Einwohner im Alter von über 25 Jahren. Es kann daher auch angenommen werden, dass dieser Einwohner israelitischer Religion nur vorübergehend in Steinenbronn ansässig war.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Die Zusammenfassung der damaligen Berichte aus den Gemeinden erschien in dem Buch von Joachim Hahn, "Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg", Theiss-Verlag Stuttgart 1988.

Eine Neuveröffentlichung dieses und anderer heimatgeschichtlicher Artikel von Paul E. Schwarz erschien 2002 in dem Sammelband "Steinenbronn - Neues von Gestern und Vorgestern", hrsg. vom Heimatverein Steinenbronn e.V., Geiger-Verlag, Horb am Neckar, S. 79-80.


Links zur jüdischen Geschichte
  • Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
  • Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland.


  • Gemeinde Steinenbronn
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