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„Der Ort selbst ist unansehnlich“

Waldenbuch in der Beschreibung des Stuttgarter Oberamts von 1860

Quelle: Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau, Stuttgart 1860.

Bild: Abbildung von Waldenbuch in der Stuttgarter Oberamtsbeschreibung von 1860

Waldenbuch Gemeinde II. Kl. mit 2106 Einw., a. Waldenbuch, Stadt, 1812 einw., wor. 1 Kathol. b Glashütte, W., 220 Einw. c. Hasenhof, W., 39 Einw., d. Bachenmühle, 14 Einw., e. Obere Sägmühle, 21 Einw. - Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Stuttgart eingepfarrt.

Das Städtchen Waldenbuch, 4 Stunden südlich von Stuttgart an der Aich (hier Aia gesprochen) und einem von Weil im Schönbuch herkommenden Bach, der zuerst Todtenbach, dann Segelbach, weiter unter Seitenbach und zuletzt Heimbach genannt wird, auf und an einem beinahe ganz freistehenden, in das Aichthal vorgeschobenen, schön abgerundeten Hügel gelegen, ist der Sitz eines Revierförsters und eines Amtsnotars. Auch befindet sich hier ein mit Wartgeld von der hiesigen und den umliegenden Gemeinden angestellter Arzt, nebst einer im Jahr 1820 als Filial von Plieningen errichteten Apotheke. Der vorerwähnte Hügel, auf dessen Kuppe das Schloß, welches Herzog Christoph auf den Grund einer älteren Burg erbaute, ferner die Kirche, das auf der alten Stadtmauer ruhende alte Pfarrhaus und das Schulhaus stehen, hängt nur gegen Westen mit dem sog. Weilerberg durch einen schmalen Sattel zusammen, und ist rings mit Wasser umgeben. Am Abhange desselben gegen Süden liegen das Rathhaus mit einem kleinen Marktplatz, sowie die eigentliche alte Stadt. ... Das alte Waldenbuch läßt sich an der Stadtmauer, die um der darauf erbauten Häuser willen, beinahe noch ganz erhalten ist, leicht erkennen. Es hatte vier Thore, wovon eines gegen Süden, mittelst einer unterirdischen Treppe in die Burg führte; die Spuren des Stadtgrabens, von dem auch eine Straße „am Graben“ heißt, sind noch vorhanden. Den Graben und den grasbewachsenen nördlichen Theil des Schloßberges umgab früher ein Zaun, inner welchem, so lange das Schloß noch Sitz eines Oberforstamts war (bis 1807), Hirsche und Rehe gehalten wurden.

Der Ort selbst ist unansehnlich, uneben, hat alte, unregelmäßig gebaute Häuser und schmale Straßen, welche innerhalb der Ringmauern gepflastert, außerhalb derselben meist gekandelt sind. Vermöge seiner Lage zwischen ziemlich hohen Bergen, ist derselbe reich an Quell- und andern Wassern, sogar auf der Höhe beim Schloß und Rathhaus sind reichlich laufende Brunnen. ... Im Jahre 1834 ließ Ernst Fried. Kaiser, Müller, im Aichthal, westlich vom Ort, artesische Brunnen bohren, theils um mehr Wasser auf die Mühle zu erhalten, besonders aber um zur Winterszeit des beschwerlichen und kostspieligen Eisens überhoben zu seyn; ... Die Luft ist bei den rings umliegenden, ausgedehnten Waldungen und den hier zusammenführenden Thälern, die ihr freien Durchzug gestatten, sehr rein und gesund. Hagelschlag trifft die Gegend nur selten, ... dagegen schaden öfters Ueberschwemmungen den im Thal liegenden Gebäuden und Gütern.

Die massiv aus Quadern erbaute Kirche hat einige bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. Mittelalterlich ist zwar nur der untere Theil des Thurms. An ihn war, wie man von Außen noch deutlich wahrnimmt, die frühere Kirche so angebaut, daß sein unterer Theil den Chor bildete. Nach dem, vermuthlich um mehr Raum für das Schloß zu gewinnen, erfolgten Abbruch der alten Kirche wurde nun durch den Baumeister Schickhard 1607 unter Herzog Friedrich der neue Bau auf die entgegengesetzte Seite des Thurms, und zwar, weil die Fläche des Bergs hier bald zu schmal wird, in der Weise schief gestellt, daß jetzt der Thurm mit einer Ecke in die Kirche herein steht. Bei der nachgeahmten gothischen Bauart hat sich an der Kirche Vieles vom Barokstyl eingeschlichen. ...

Das Schloß bildet ein unregelmäßiges gegen Norden geöffnetes Hufeisen. Seine ursprüngliche Bestimmung als Jagdschloß dauerte bis in dieses Jahrhundert fort, indem ein Oberforstmeister bis 1807 hier seinen Sitz hatte, und auch König Friedrich zur Jagdzeit häufig hier verweilte. Jetzt sind die Schloßgebäude, mit Ausnahme des Theils, welcher zur Wohnung des Revierförsters dient, zu Aufbewahrung von Militär-Effecten dem Kriegsdepartement überlassen, welches die entbehrlichen Wohnungen vermiethet. Auch wurden im südlichen Flügel im Jahr 1834 Stationsgefängnisse für Transportgefangene eingerichtet. Von 1812 bis 1815 diente das Schloß als Kaserne und Spital.

Das Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten und im Jahr 1834 wesentlich verbessert hat, liegt angenehm, frei und gesund. Das Schulhaus mit Lehrer-Wohnung, welches im Jahr 1820 neu erbaut wurde und 3 Schulzimmer enthält, in welchem ein Schullehrer, ein Unterlehrer und ein Lehrgehülfe unterrichten, steht zunächst bei der Kirche. ... Ein weiteres Schulzimmer für den weiter angestellten 4ten Lehrer ist in dem im J. 1847 neu aufgeführten Bau eingerichtet, in welchem sich auch das Gemeinde-, Wasch- und Backhaus befindet. Eine Industrieschule besteht seit dem Jahr 1835. Das Rathhaus erhielt erst im Jahr 1781 seine Bestimmung als solches; ein früheres, welches den Marktplatz verengte, wurde damals abgebrochen. ...

Durch die Stadt, in welcher seit Verlegung der Poststation, die sich früher hier befand, eine Postablage errichtet wurde, führt die Landstraße von Stuttgart nach Tübingen; eine in den Jahren 1834/37 und 1841/44 erbaute Vicinalstraße, ..., verbindet die Freudenstädter Straße, von der sie bei Böblingen abgeht, mit der Alpstraße, in die sie bei Aich einführt und vermittelt eine weitere Verbindung mit der Stuttgart-Ulmer Straße über Nürtingen und Kirchheim. Diese Vicinalstraße, von dauerhaftem Bau, gerade Richtung und wenig Steigung, hat nicht allein die einzelnen Schönbuchsorte einander näher gebracht, sondern namentlich den stark bevölkerten Gegenden am mittleren Neckar und am Fuße der Alp einen leichteren Zugang zu dem Holzreichthum des Schönbuchs und des Schwarzwalds aufgeschlossen. ...

Die im Allgemeinen minderbemittelten, mit einer Summe gerichtlich versicherten Kapitalschulden von 174.000 fl.1* belasteten Einwohner sind sehr fleißig, sparsam und gutmüthig. Ihre Hauptnahrungsquelle bildet der Feldbau, der hier wegen der meist unebenen Lage der Güter, wegen des magern, zum größten Theil aus einer Auflösung des grobkörnigen Keupersandsteins bestehenden Bodens, sowie wegen der häufigen Ueberschwemmungen, welche denselben wegführen und seine Ersetzung nöthig machen, mit vieler Mühle und Anstrengung betrieben werden muß und einen auffallenden Gegensatz zu dem Ackerbau der Filder bietet.

Die Gemeinde ist im Besitz von 240 Morgen2* Waldungen, welche meist mit Nadelholz bestockt sind; der jährliche Ertrag derselben von etwa 60 Klaftern3* und 2000 Stück Wellen4* wird für die Gemeindekasse verkauft. Außerdem haben die Waldenbucher seit alter Zeit bedeutende Schönbuchsgerechtigkeit, welche durch Vertrag vom Juni 1830 zwischen der Staatsfinanzverwaltung und der Gemeinde dahin bestimmt wurden, daß die Besitzer der Häuser, welche innerhalb den Grenzen des alten Städtchens liegen, jährlich 400 Klafter und 10.000 Stück Wellen gegen Ersatz des Holzmacherlohns, und die außerhalb Etters5* wohnenden Bürger 40 Klafter und 1.000 Büschel gegen Entrichtung des ganzen Schönbuchpreises aus den Staatswaldungen erhalten. ... Die Bevorzugung der innerhalb Etters Wohnenden hat übrigens die sichtbare Folge, daß selten außerhalb gebaut wird und die Wohnungen im Städtchen sich immer mehr drängen. ...

Von den Gewerben sind eine Ziegelhütte und eine Mahlmühle welche sich im Ort befinden, zu nennen; weitere Mühlen außerhalb desselben. Geschickte Handwerker, namentlich Schuster und Schneider, die zum Theil nach Stuttgart, Tübingen und sonst in die Umgegend arbeiten, sind mehrere hier; von den Schneidern wird auch viele Arbeit für die Militärverwaltung gefertigt. Die Roth- und Weißgerber, deren sich 12 Meister hier befinden, sind in Waldenbuch zünftig, von den 7 Hufschmieden, welche auf dem Gewerbe arbeiten, geben sich mehrere mit der Fertigung von Brabanter und Suppinger Pflügen ab, die weithin verkauft werden. Zahlreich sind die Korbmacher (12), die ihre Waare in der ganzen Umgegend absetzen. Im Ort bestehen 2 Handlungen und 7 Schildwirthschaften6*, worunter eine mit Bierbrauerei. Der Holzhandel, der früher sehr stark betrieben wurde, hat abgenommen. Ueberhaupt ist der Ort in gewerblicher Beziehung gegen früher zurückgekommen. ...

Waldenbuch gehörte wohl ursprünglich den Pfalzgrafen von Tübingen, von denen der Ort bereits im Jahr 1307 pfandweise an Diepold von Bernhausen gelangt war; ... bald darauf aber gelangte Waldenbuch auf unbekannte Weise an den Herzog Reinhold von Urslingen, welcher mit seinem Sohne Konrad 1363 Sept. 14 an die Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg die Stadt Waldenbuch nebst Zugehör, Leuten, Gütern, auch mehrere benachbarten Dörfern verkaufte (...). Als jedoch Graf Rudolf von Hohenberg seine Besitzungen den 26. October 1381 an Herzog Leopold von Oesterreich verkaufte, war darunter auch die Mannschaft in Waldenbuch Burg und Stadt, die er von Württemberg hat (Hist. stat. Archiv für Süddeutschl. 1, 181), und erst 1499 gab Oesterreich seine Ansprüche an Württemberg ganz auf (Steinhofer 3,493).

Bei Waldenbuch stand ein Waldbruderhaus (Besold. Virg. 568), auch geht die Sage von einem Templerhaus, welches im Jahr 1312 zerstört wurde (Steinhofer 2, 47). ...

Im Sept. 1634 wurde der Ort von den Kaiserlichen ausgeplündert und die Einwohner gräulich mißhandelt; am 8. und 9. Febr. 1643 erfuhr er gleiches Schicksal durch die Baiern unter Jean de Werth.

Das Ortswappen ist ein sprechendes, eine Buche.

1

1 Gulden (fl) = 60 Kreuzer (kr). Nach der Währungsumstellung entsprach 1 Gulden ca. 1,71 Mark. Legt man für eine grobe Währungsumrechnung bestimmte aktuelle Lebensmittelpreise zugrunde, dürfte ein Kreuzer etwa den Gegenwert von 0,80 € gehabt haben. Die Guldenwährung im süddeutschen Raum bestand von ca. 1550 – 1875.

2

1 württ. Morgen = 31,52 Ar

3

1 Klafter = 3,386 Raummeter

4

Reisigbündel

5

Etter hieß der in der Regel geflochtene Zaun, der bis ins 19. Jahrhundert den gesamten Dorfkern umgab. Der Zaun sollte verhindern, dass das frei umherlaufende Vieh in die Felder hinauslief. Der Etter war auch eine Rechtsgrenze.

6

Schildwirtschaften waren, im Gegensatz zu Straußenwirtschaften, berechtigt, Gäste zu beherbergen und zu bewirten. Straußenwirtschaften waren nur zu gelegentlichem Ausschank, meist im Herbst, berechtigt.

Der Text wurde gekürzt.

Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Waldenbuch finden sie im Internet im Moment bei Google Books.

Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt

Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 28. Band erschien 1850 die Beschreibung des Amtsbezirks Stuttgart.

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