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Die Schweizer Straße Waldenbuch war wichtige Station auf der Nord-Süd-VerbindungQuelle: zeitreise bb Autorin: Susanne Schmidt | ||||||||||
Bild: Gasthof Post in Waldenbuch um 1900. Bei der einstigen Post- und Umspannstation wurden auf der Straße von Stuttgart nach Tübingen bis 1845 die Pferde gewechselt. Seit 1875 war hier der „Telegraph“ stationiert. (Foto: Archiv Waldenbuch) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern Es war gegen „halb neun Uhr“, als am Morgen des 7. Septembers 1797 der geheime Rat Johann Wolfgang von Goethe auf der Durchfahrt in die Schweiz das kleine Örtchen Waldenbuch passierte. (Fast) nichts unkommentiert lassend, notierte er am Abend in Tübingen in sein Tagebuch: „Waldenbuch selbst ist ein artiger zwischen Hügeln gelegener Ort mit Wiesen, Feld, Weinbergen und Wald und einem herrschaftlichen Schloss, der Wohnung des Oberforstmeisters.“1*Um 5.30 Uhr war Goethe in Stuttgart aufgebrochen. Die Fahrt nach Waldenbuch hatte drei Stunden gedauert. In der Postkutschenzeit reiste man gemächlich. Die Tagesleistung betrug kaum mehr als 40 Kilometer. Wenn alles gut ging, war man in etwa sieben Stunden in Tübingen. Siebenmal musste die Kutsche den Berg hinauf und wieder hinunter. Dabei durchquerte sie die Täler der Körsch, des Reichenbachs, der Aich, der Schaich und des Goldersbachs. Jahrhunderte lang war die sogenannte „Schweizer Straße“ die wichtigste Fernverbindung Württembergs nach Süden. Sie führte von Stuttgart über Waldenbuch nach Tübingen und von dort aus weiter über Balingen und Rottweil nach Schaffhausen. Bild: Der Festwagen erinnert an die goldenen Zeiten der Schweizerstraße, als Waldenbuch eine wichtige Etappe auf der Nord-Süd-Route war. (Foto: Archiv Waldenbuch) Abenteuer Reisen im 18. JahrhundertIn der Regierungszeit Herzog Karl Eugens (1737-93) wurde Württemberg führend im Straßenbau. Die Schweizer Straße war eine der ersten im Lande, die „chaussiert“, d.h. befestigt wurde. Man kann sich leicht ausmalen, wie es zuvor auf der Straße ausgesehen hat, wenn die Wege nach längerem Regen knietief verschlammt waren und der Karren wieder einmal „aus dem Dreck gezogen werden musste“. Die Beschwerlichkeiten, die Reisende noch Ende des 18. Jahrhunderts auf sich nehmen mussten, waren beträchtlich und nicht selten mit Gefahr für Leib und Leben verbunden. „Phlegmatische Postknechte“, „das unbequeme enge Sitzen“ und der „pestilenzartige Gestank unsauberer Reisegesellschafter“, über die sich 1793 der weit gereiste Verleger Johann Georg Heinzmann beschwerte, waren da noch das geringste Problem.2* In der Kutsche saßen vor allem betuchte Reisende. Goethe fuhr 1797 mit der „Extrapost“, d.h. die Kutsche war ihm von seinem Landesherrn zur Verfügung gestellt worden, Pferde und Postillion wechselte man jeweils an der nächsten Post- und Umspannstation. Gewöhnliche Reisende mussten in der Regel mit der „Ordinaripost“ (Jedermannspost) Vorlieb nehmen. 1751 kostete die Fahrt von Stuttgart nach Tübingen einen Gulden3*. Ab 1823 ging zusätzlich zur normalen Post, die zweimal die Woche verkehrte, noch fünfmal der Eilwagen nach Tübingen. Neben den Postkutschen bevölkerten schwer beladene, vier- oder sechsspännige Handelswagen die Straße, die Waren aller Art von Frankfurt oder Heilbronn über Stuttgart in die Schweiz transportierten. Dazu gesellte sich noch der regionale Güterverkehr. Um die berüchtigte Steigung in Richtung Dettenhausen – sie betrug bis zu 16 Prozent – zu meistern, brauchten die schweren Wagen ein zusätzliches Pferdegespann, den sog. „Vorspann“. Davon profitierten wiederum die vorspannberechtigten Waldenbucher Bauern, die dadurch einen regelmäßigen Zugewinn hatten. „Schoppen in Waldenbuch“ Die größte Anzahl der Reisenden auf der Schweizer Straße war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts „auf Schusters Rappen“, d.h. zu Fuß, unterwegs. Entlang der Strecke luden immer wieder Gasthäuser zur Einkehr ein. In Echterdingen erlangte der Gasthof „Hirsch“ internationale Berühmtheit und die Waldenbucher „Krone“ war ein beliebter Treffpunkt für Tübinger und Hohenheimer Studenten. Der Schriftsteller Ludwig Uhland hat auf dem siebenstündigen Fußweg von Tübingen nach Stuttgart immer wieder seinen Durst in Waldenbuch gestillt. „Schoppen in Waldenbuch. Geldklemme“,4* notierte er am 5. Dezember 1818 in sein Tagebuch. 1825 soll Wilhelm Hauff seinen Namen in den berühmten Holztisch im Gasthaus Krone geschnitzt haben und Nikolaus Lenau wurde auf der Straße von Stuttgart über Waldenbuch nach Schaffhausen zu seinem berühmten Gedicht „Der Postillion“ angeregt. In seiner „Geschichte der altwürttembergischen Landstadt Waldenbuch“ zitiert Otto Springer den Dichter Karl Mayer, einen Freund Uhlands, der im Alter schwärmerisch über die Schweizer Straße schrieb: „Waren es nicht noch in ihrer Art schöne Zeiten, als junge, rüstige, geisteslebendige Männer, wie der Tübinger Prokurator Schott und Uhland, es nicht verschmähten, den waldreichen, siebenstündigen Weg zwischen Stuttgart und Tübingen über Echterdingen und Waldenbuch und über die famosen sieben Berge zu Fuß zu machen, und ist es zu verwundern, wenn mich, der ich dieses Wegs auf gleiche Weise so oft in meinem Leben gewandert bin, noch später nicht selten die Sehnsucht anwandelte, diese nun so verlassene Straße in derselben Art noch einmal zu bewandern?“5* Bild: Autobus der Linie Stuttgart – Tübingen um 1925 vor dem Gasthof Post in Waldenbuch (Foto: Archiv Waldenbuch) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern Ende einer Ära: die verlassene Straße1845, als das Postlehen der Thurn und Taxis abgelöst und in württembergischen Besitz übergegangen war, wurde nach 154 Jahren die Posthalterei in Waldenbuch aufgehoben. Neue Stationen entstanden stattdessen in Echterdingen und Dettenhausen, was die Waldenbucher als schwere Demütigung empfanden. Das Ende der Schweizer Straße im überregionalen Verkehr brachte jedoch das Eisenbahnzeitalter. 1861 war die Strecke Stuttgart - Tübingen durchs Neckartal fertig gestellt worden. 1879 wurde die Gäubahn von Stuttgart – Böblingen – Herrenberg – Horb in Betrieb genommen. Von hier aus hatten die Reisenden direkten Anschluss über Rottweil und Singen nach Schaffhausen. 1880 gab es bereits keine direkte Postverbindung mehr von Stuttgart nach Tübingen über Waldenbuch. Wer von Waldenbuch in die Universitätsstadt wollte, musste zu Fuß nach Dettenhausen und dort in die Postkutsche einsteigen. Waldenbuch war verkehrstechnisch ins Abseits geraten. Erst um die Jahrhundertwende wurde die alte Schweizer Straße durch die inzwischen ebenfalls „alte B 27“ ersetzt. Hier und da können Wanderer abseits der heutigen Straßenführung im Schönbuch noch die alte Pflasterung ausmachen. Nachdem alle Bemühungen um einen Eisenbahnanschluss für Waldenbuch zunächst enttäuschend verliefen, wurde 1910 die Automobilstrecke Degerloch-Waldenbuch eröffnet. Am 30. Mai 1910 feierte man in Waldenbuch den letzten Postwagen. Ab 1. Juni fuhr dreimal täglich ein vierzehnsitziger Omnibus, der zwischen dem Gasthaus Ritter in Degerloch und dem Gasthaus Post in Waldenbuch verkehrte. Bereits 1911 wurde die Strecken nach Tübingen verlängert.
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Literatur: Anne Lipp/Andreas Schmauder, Ein Jahrhundert Leben in Waldenbuch. Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, WEGRAhistorik-Verlag, Stuttgart 1996, S. 32-34 Siegfried Schulz, Aus der Postkutschenzeit – Von Elend und Abenteuer des Reisens. In: Siegfried Schulz, Einblicke - Skizzen zur Geschichte der Stadt Waldenbuch, hrsg. von der Stadt Waldenbuch aus Anlass ihres Jubiläums „700 Jahre Waldenbuch“, 1996, S. 44-49 Walter Hahn, Eine Wanderung durch den Schönbuch. Ein Heimatbuch vom Schönbuch, Aalen 1956 Otto Springer, Geschichte der altwürttembergischen Landstadt Waldenbuch, Stuttgart 1912 Diese Seite drucken |
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