zeitreise bb
Neuweiler>>Oberamtsbeschreibung
" ... verräth nach seinem Aeußeren mehr Wohlhabenheit als man bei näherer Nachfrage findet"

Neuweiler in der Böblinger Oberamtsbeschreibung von 1850

Quelle: Beschreibung des Oberamts Böblingen. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau. Stuttgart und Tübingen 1850

Bild: Neuweiler - Postkarte aus dem Jahre 1925. (Aus: Heimatbuch Weil im Schönbuch, Breitenstein, Neuweiler; Autor: Walter Hahn, hrsg. von der Gemeinde Weil im Schönbuch 1988.) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Neuweiler ein Dorf mit 283 evangelischen Einwohnern, liegt 1½ Stunden südöstlich von Böblingen und ½ Stunde nördlich von seinem Mutterort Weil im Schönbuch am Anfang eines Seitenthälchens des Aichthals.

Der kleine, an der Vicinalstraße von Schönaich nach Weil im Schönbuch gelegene Ort, welcher eigentliche nur aus zwei längs der reinlichen Ortsstraße hingebauten Häuserreihen besteht, verräth nach seinem Aeußeren mehr Wohlhabenheit als man bei näherer Nachfrage findet. - Die kleine, etwas düstere Kirche, die übrigens für die Gemeinde genügend Raum hat, liegt frei am südlichen Ende des Orts und ist mit einem 18½ Ruthen1* großen, ummauerten Begräbnisplatz umgeben. Ursprünglich war sie nur eine im romanischen (byzantinischen) Styl erbaute Capelle, an die, ..., im Jahre 1488 das Chor im germanischen (gothischen) Styl angebaut wurde. ... Das gelb getünchte mit einem vorstehenden Schweizerdach versehene Schulhaus, in dem sich zugleich die Rathsstube und die Wohnung des Lehrers befinden, liegt ziemlich in der Mitte des Orts; ... An der Schule unterrichtet nur 1 Lehrer.

Neuweiler ist mit laufenden Brunnen, die sehr gesundes Wasser liefern, hinreichend versehen. Das Clima ist rauh, da die Nordwinde freien Zutritt haben ... und die Ernte tritt um 8-10 Tage später ein als in dem nahe gelegenen Schönaich. Die Felder liegen meist eben und haben einen mit verwittertem Stubensandstein gemengten Lehmboden, der in geringer Tiefe den Sandstein selbst zur Unterlage hat und deshalb ziemlich unergiebig ist. Unter diesen ungünstigen Verhältnissen ist es erklärlich, warum die Einwohner trotz ihres Fleißes und ihrer eingezogenen Lebensweise, dennoch in den Vermögensumständen zurück sind. Die Hauptnahrungsquelle derselben besteht in Feldbau, den sie im üblichen Dreifeldersystem umsichtig betreiben. ... Was die Gewerbe betrifft, so dienen diese nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen.

Die Gemeinde ist unbemittelt und hat nicht nur kein Capitalvermögen, sondern noch einige Tausend Gulden Schulden. Das Vermögen der Stiftungspflege besteht in 300 fl.2*, deren Zinsen für Brod an Unbemittelte verwendet werden. Eine Stiftung vom Kloster Bebenhausen herrührend, reicht den Armen jede Woche 20 Pfund Brod. ...

Zunächst (nördlich) am Ort soll nach einer Sage auf einem zwischen zwei Thälchen liegenden Vorsprung, "Hanwald" genannt, eine Burg gestanden seyn, von der übrigens keine Spuren mehr sichtbar sind.

Neuweiler gehörte den Pfalzgrafen von Tübingen; Gotfried, von dieser Familie, verkaufte den 15. Mai 1295 alle Güter an das Kloster Hirschau. ... Sonst hatten allhier noch Güter und Leute Dieterich und Conrad von Altdorf; diese gerieten mit dem Kloster Bebenhausen wegen des Gerichts in einen Streit. ... Sofort kam der Ort an das Kloster Bebenhausen, welches hier noch mehrere Erwebungen ... machte. ...

1

1 (Quadrat)-Ruthe = 21,01 qm. Die Ruthe wurde auch als Längenmaß verwendet. Seit 1806 galt: 1 Ruthe = 10 Fuß = 2,86 m.

2

1 Gulden (fl) = 60 Kreuzer (kr). Nach der Währungsumstellung entsprach 1 Gulden ca. 1,71 Mark. Legt man für eine grobe Währungsumrechnung bestimmte aktuelle Lebensmittelpreise zugrunde, dürfte ein Kreuzer etwa den Gegenwert von 0,80 € gehabt haben. Die Guldenwährung im süddeutschen Raum bestand von ca. 1550 - 1875.

Der Text wurde gekürzt.

Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Neuweiler finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource.

Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 26. Band erschien 1850 die Beschreibung des Oberamts Böblingen. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden.

Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt

Diese Seite drucken
Zum Seitenanfang

www.zeitreise-bb.de