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Die Sage vom Ranzenpuffer

Quelle: Der Häseltrog - Sagen und Geschichten aus Schönbuch und Gäu. Bearbeitet von Eberhard Benz, Böblingen 1950. (Veröffentlichungen des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V. - Bd. 1)

Nebel im Winterwald

Bild: Nebel im Winterwald. Schon immer galt der Wald als unheimlicher Ort, in dem allerhand Gefahren von Räubern, wilden Tieren oder übersinnlichen dunklen Mächsten drohten. (Bild: LMZ 090110)

Im Schönbuch, zwischen Tübingen und Böblingen, geht ein Jäger um, der schreckt durch Brüllen, Aufhocken und allerlei Spuk die Leute, die in den Wald gehen, namentlich die Holzleser. Man nennt ihn „Ranzebuffer".  

Bei einer Jagd läßt er sich immer durch lautes Hundegebell und Hallogeschrei vernehmen, und er fährt schnell wie der Blitz durch den Wald einher. Auch beschäftigt er sich damit, daß er mit einem Hammer das Holz anschlägt, wie beim Holzverkauf, oder wie wenn man die Stämme anblattet, die man hauen will. Man hört ihn oft so klopfen.

  Zu Rübgarten, Walddorf und Gniebel wird der Ranzebuffer „Brüller" und „Reiter" genannt. Den Holzgängern erscheint er dort gern als Jäger, pufft sie erst recht herum und gibt ihnen dann Holz, das sich aber beim Heimkommen in stechende Dornen verwandelt. Auch setzt er sich wohl selbst auf das Holzbündel, damit die armen Leute glauben, sie hätten recht viel. Die Jäger neckt er, indem er tut, als ob Holzdiebe im Wald wären, und bald hier, bald dort Holz haut.  

Gern verwandelt er sich in Hunde, Schweine und Kälber, und er erschreckt dabei die Leute durch Brüllen. Besonders soll er es auf die Schläfer abgesehen haben; denen brüllt er unheimlich stark in die Ohren, und dann verschwindet er. Ja, er kommt selbst in die Häuser, stellt sich hinter die Bettlade und brüllt; ist das vorbei, so grunzt er wie ein Schwein und geht auch in Schweinsgestalt wieder fort. Einmal ließ er sich als Kalb fangen und einsperren; aber am andern Morgen stand er als grüner Jäger angebunden im Stall.

  Gewöhnlich macht der Ranzebuffer im Wald ein so wüstes Geschrei, grad wie einer, der von einem Baum gefallen ist. Sobald einer zu Hilfe eilt, so schreit der Geist an einer andern Stelle, und er treibt das so fort, bis er genug hat. Dann brüllt er dem, den er zum Narren gehalten, so arg ins Ohr, daß schon mancher dadurch sein Gehör auf ein paar Wochen verloren hat.  

Eigentlich war der Ranzebuffer einst ein Jäger auf dem Einsiedel. Er führte ein gottloses Leben, liebte Wein, Weiber und Würfelspiel mehr als Arbeit, quälte seine Nachbarn und alle, die mit ihm zu schaffen hatten, und trieb auch Zauberei, wofür er nun zur Strafe geistweis umgehen muß. Es heißt, er spuke in dem ganzen Revier, das ihm einst unterstanden sei, vor allem in den Wäldern zwischen dem Einsiedel und Dettenhausen, bei der Blaulach zwischen Lustnau und Kirchentellinsfurt, aber auch sonstwo im Schönbuch, woselbst er sich im Bärloch aufhalten soll.  

Da kommt er dann auf seinem Schimmel zu den Leuten hergejagt, als wolle er sie umreiten; allein er erschreckt sie bloß. Der Schimmel, auf dem der Geist dahinfährt, war ein hohes, vortreffliches Pferd, das er sich aus dem Meer geholt hatte. Er ging nämlich auf den Rat eines andern mächtigen Geistes einst am Karfreitagmorgen vor Sonnenaufgang ans Meer; da stieg der herrliche Schimmel aus den Wellen hervor und ließ sich vom Ranzebuffer an den Ohren fassen, ließ ihn gehorsam aufsitzen und trug ihn ohne Sattel und Zaum, wohin er wollte. Ein Schimmel ist überhaupt ein edles Tier, denn er hat Himmelsfarb'; in der Hölle gibt es deshalb auch bloß schwarze Rappen.

  Mit diesem Schimmel konnte nun Ranzebuffer in der Luft wie auf der Erde und auf dem Wasser reiten, und er trieb allerlei Bossen mit dem Tier.

  Es geschieht oft, daß man den Ranzebuffer zu Fuß gehen sieht; dann ist er harmlos. Meist erscheint er dann in seiner Leibgestalt als ein grüner Jägersmann, mit dem Gewehr auf dem Rucken. Oft zeigt er sich des Nachts an der Blaulach, läuft neben den Fußgängern her und sucht sie ins Wasser zu treiben. Zuweilen erscheint er mit, zuweilen ohne Kopf, indem er diesen wie einen Hut unter dem Arm trägt.  

Gern schleicht sich der böse Geist hinter die Holzleser im Wald und schreit ihnen in die Ohren: „Waas, waas isch!?", so daß sie zusammenfahren und leicht erschrecken. Dann steht er als Fuchs vor ihnen, tut zwei, drei Beller, daß sie arg erschrecken und in Angst kommen. Überhaupt verwandelt er sich gern in Tiere, und es gehen vielerlei Reden über ihn um, wie und wo er sich also verwandelt und die guten Leute in den Schönbuchgemeinden erschreckt habe. Verwandelt sich der Ranzebuffer in Tiergestalten, so ist er nicht gefährlich, ob er sich nun in ein scheues Reh oder in eine Herde Wildsäue, oder gar in einen Ochsen verwandelt, wie damals zu Lustnau, als er einen Wengerter, der im Weinberg sein Mittagschläfle hielt, mit Brüllen aufweckte und als ein fetter, glotzender Ochs vor ihm stand, dem ein mächtig großer Haarwulst zwischen den Hörnern über die Stirn herabhing — das sind alles harmlose Bossen.

  Aber gefährlich ist der Ranzebuffer, wenn er sich zu Pferde zeigt, zumal in den Wäldern um den Einsiedel, wohin es ihn am meisten zieht, da er an jenem Ort sein böses Leben geführt hatte, als er noch ein Mensch war.

  Oft zeigte er sich auf seinem vortrefflichen Schimmel beim Bärloch, und machte daselbst wunderliche Teufelsstreiche. Da verwandelte er sich in einen Hasen und kletterte auf den Bäumen herum, hopste dann wie eine Gais, sprang in Feuersgestalt durch die Menschen hindurch, wälzte sich als Schlange um Eichen und Buchen, also, daß die Leute in Staunen und großen Schrecken fielen. Dann fuhr er plötzlich wieder in seine Menschengestalt, warf sein Gewehr auf den Rücken, bestieg den wiehernden Schimmel und brauste davon. So kam er einmal auf die Walddorfer "Hued" geritten, band den Schimmel an eine Eiche und ließ ihn weiden, warf dann eine Zeitlang mit Stecken und Steinen nach den Leuten, zwirbelte ihnen das Holz, das sie gemacht hatten, durcheinander, löste daraufhin seinen Schimmel wieder und jagte davon.

  Auch auf dem Einsiedel, seiner Erdenheimat, hat er sich öfters in verschiedenen Gestalten und Verwandlungen sehen lassen, bald als feuriger Hirsch, bald als feuriges Schwein.

  Aber immer wenn der Ranzebuffer auf seinem Schimmel ritt, hatte er Macht, Böses zu tun, denn aus dem Leib des Tieres strömte ihm die Kraft der dunklen Tiefe zu, die das Meerentstiegene aus den finstern Schlünden der Erde mitgebracht hatte. Aber unter all diesem Teufelsspuk und all den verübten Narrenbossen sind nach und nach die zweimal tausend Jahre, die der Geist des Ranzenbuffer hat umgehen und schweben müssen, wahrscheinlich abgelaufen. Neuerdings läßt er sich nicht mehr sehen, und er wird wohl nun erlöset sein.
Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsverein für Schönbuch und Gäu e.V.

Dem Ranzenpuffer widmet auch Walter Hahn in seinem Heimatbuch Weil im Schönbuch ein eigenes Kapitel. Lesen Sie hier, was er über den "rüpelhaften Grobian aus den nahegelegenen Wäldern unserer Heimat“ zu berichten weiß:

Walter Hahn: Der Ranzenpuffer im Rucksack

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