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Freie Fahrt für die Schönbuchbahn

Im Juli 1911 wird das „Sauschwänzle" von Böblingen über Weil im Schönbuch nach Dettenhausen in Betrieb genommen

Quelle: Das 20. Jahrhundert im Spiegel der Zeit. Der Kreis Böblingen im Rückblick von 100 Jahren. Röhm Verlag, Sindelfingen 1999, S. 30

Lange Zeit hat es gedauert, ehe in Weil im Schönbuch der Qualm der Dampfeisenbahnen zu sehen war: Am 15. Oktober 1910 wurde das Schönbuch-Bahn-Teilstück von Böblingen nach Weil eröffnet. Erst ab dem 28. Juli 1911 war die Schönbuchbahn komplett: An diesem Tag wurde die Strecke von Weil nach Dettenhausen in Betrieb genommen.

Bild: Bahnhofsgebäude in Weil im Schönbuch. Die Bahnlinie Böblingen – Weil wurde im Oktober 1910 eröffnet und gab der Gemeinde wichtige Entwicklungsanstöße. Bereits Mitte der 20er Jahre pendelten von rund 2300 Einwohnern 600 täglich in den Industrieraum Böblingen-Sindelfingen-Stuttgart aus.

Bereits 1865 wurde in einem Regierungsentwurf die Eisenbahnlinie von Böblingen nach Tübingen über Holzgerlingen, Weil im Schönbuch, und Dettenhausen unter denjenigen aufgezählt, die „in den nächsten fünf Finanzperioden" - so hieß damals ein Haushaltsjahr - gebaut werden sollten. Dieser Plan wurde von allen betroffenen Städten und Gemeinden begrüßt. Allein, er wurde erst knapp 50 Jahre später durchgeführt.

Die Gemeinden ließen über die Jahrzehnte hinweg nicht locker. 1898 wandten sie sich an die Ständeversammlung mit der Bitte um den Bau einer Strecke von Sindelfingen über Böblingen nach Weil im Schönbuch. Diese Strecke stand in Konkurrenz mit einer anderen Linie: der von Vaihingen über Waldenbuch und Weil nach Tübingen.

Dieser Vorschlag hatte einen gravierenden Nachteil. Nach Berechnungen der Regierung wäre sie um 1,5 Millionen Reichsmark teurer geworden, so der Inhalt einer Denkschrift vom Februar 1906. Zudem kam die Eisenbahnverwaltung zu der Ansicht, dass die Fortführung der Trasse bis nach Dettenhausen wirtschaftlich sinnvoll sei.

Hickhack um die Trassenführung
Die endgültige Entscheidung über den Bau einer bestimmten Strecke fiel noch lange nicht. Im Gegenteil: Neue Linienführungen wurden ins Feld geführt. So war im Schwarzwälder Boten von 8. Februar 1906 von einer Linie Vaihingen - Schönaich - Weil im Schönbuch - Tübingen die Rede. Diese Linie unterstützte vehement der Schönaicher Gemeinderat Samuel Ulmer (der 1914 die Zigarrenfabrik „Zisch" eröffnete).

Der engagierte Schönaicher pries in einem langen Text die Vorzüge dieser Bahn gegenüber den nach seiner Meinung deutlichen Nachteilen der Stichbahn von Böblingen nach Tübingen. Seiner Ansicht nach würde das „Gebiet Schönbuch als Ganzes durch das Vaihinger Projekt besser durchgeführt als durch die Linie Böblingen." Die Gegenrede ließ nicht lange auf sich warten. Ein „Anhänger des ältesten Projekts Böblingen - Tübingen" führte aus: „Außer einer Erleichterung des Verkehrs mit der Oberamtsstadt (Böblingen) kommt für die Böblinger - Holzgerlinger Linie noch in Betracht, dass eine Fortsetzung der Bahn gegen Norden möglich ist und Orte berührt wie Sindelfingen, Maichingen, Magstadt, Renningen, die volkswirtschaftlich von größerer Bedeutung sind als Schönaich, Waldenbuch, Steinenbronn."

Am 25. April 1906 beriet und entschied die volkswirtschaftliche Kommission der Abgeordnetenkammer über den Bahnbau. Mit 14 Stimmen wurde der Regierung die Errichtung einer Nebenbahn von Böblingen nach Weil und Dettenhausen mit der möglichen Weiterführung nach Tübingen empfohlen. Die Abgeordnetenkammer hat dieser Entscheidung am 28. Juni 1906 zugestimmt und der königlichen Regierung „zur Berücksichtigung empfohlen". Der erste Spatenstich war damit aber noch lange nicht getan.

Diskutiert wurde im Januar 1907 die Trassenführung der Schönbuchbahn. Die Eisenbahnverwaltung berücksichtigte so weit als möglich die Wünsche der Gemeinden, behielt sich aber die Entscheidung über die Linienführung und die Anlagen vor.

Bild: Der Bahnhof von Holzgerlingen. Eine von den benachbarten Altdorfern geforderte Umbenennung der Bahnstation in „Altdorf-Holzgerlingen“ lehnten die Holzgerlinger entschieden ab. Das historische Bahnhofsgebäude wurde mittlerweile in eine Wirtschaft umgebaut.

Zwistigkeiten zwischen den Gemeinden
Zwistigkeiten zwischen den einzelnen, von der Linie betroffenen Gemeinden, brachten das Projekt mehrfach in Gefahr. So gab es zwischen Holzgerlingen einerseits sowie Altdorf und Vertretern der Regierung andererseits hitzige Debatten wegen der Bahnhofanlage in Holzgerlingen. Ein Machtwort von Finanzrat Müller ließ beide Parteien einlenken. Er betonte, „dass noch viele Eisenbahnpetitionen um die Aufnahme in das Eisenbahnkreditgesetz vorliegen, dass gar nicht alle berücksichtigt werden könnten." Gäbe es keine Einigung, so bestünde die Gefahr, dass die Linie Böblingen - Dettenhausen 30 Jahre in den Akten verschwinden würde.

Der Bau der Strecke über den Schönaicher First sorgte für Unmut bei den Holzgerlingern. Sie rechneten vor, dass Bewohner des nördlichen Endes aufgrund der Schleife zu Fuß so schnell in Böblingen wären wie mit der Bahn. Diese hätte eine Länge von 8,9 Kilometer, während es per pedes nur 5,8 Kilometer wären. Sorge hatten die Holzgerlinger zudem, dass „den Schönaichern noch mehr entgegengekommen werden müsste".

Bild: Die Bahnarbeiter, hier beim Brückenbau über die Weilemer Schulsteige, hatten vor allem mit dem rutschenden Knollenmergel zu kämpfen. Beim Eisenbahnbau wurden viele ausländische Arbeitskräfte, überwiegend Italiener, beschäftigt. Einer davon, Anton Rebellato, machte sich hier 1911 sesshaft und gründete in Weil im Schönbuch eine Familie. (Foto: Bildarchiv Walter Hahn) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Februar 1909 – Baubeginn für das „Sauschwänzle“
Nach jahrelangem Hickhack zwischen den Schönbuchgemeinden, der Oberamtsstadt Böblingen und der Regierung war dann am 19. Februar 1909 Baubeginn der auch „Sauschwänzle" genannten Bahn. Rund 20 Monate später fuhr die erste Lokomotive von Böblingen in Richtung Weil.

Bevor die Züge von Weil nach Dettenhausen unter Dampf gesetzt werden konnten, mussten noch einige, naturgegebene, Schwierigkeiten bewältigt werden. Die zum Bahndamm aufgeschüttete Erde im Gebiet des Weilemer Knollenmergels rutschte ständig zur Schaichtalsohle ab.

Grund dafür waren Erdbewegungen wegen der nassen Witterung im Jahr 1910. In der Sindelfinger Zeitung vom 1. August 1911 ist in einem Bericht anlässlich der Streckeneinweihung zu lesen: „(...), dass es endlich gelungen sei, die Berggeister zu bezwingen, das eiserne Joch der Schienen zu tragen ohne nach rechts und links auszuweichen."

Ganz Weil im Schönbuch war auf den Beinen, als am 28. Juli 1911 das letzte, vier Kilometer lange Schönbuchbahn-Teilstück von Weil nach Dettenhausen eröffnet wurde.

Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung

Die Kosten der Schönbuchbahn
Grunderwerb:
211 000 Mark
Für den Bau:
1 550 000 Mark
Kosten im Ganzen:
1 761 000 Mark

Kosten pro Kilometer Wegstrecke:
Grunderwerb:
13 000 Mark
Für den Bau:
97 700 Mark
somit im Ganzen:
110 700 Mark
Dazu kamen noch Umbaukosten für den Böblinger Bahnhof in Höhe von 100 000 Mark.

Gerechnet hat die Eisenbahngesellschaft mit jährlichen Einkommen in Höhe von 70 000 Mark und mit Ausgaben in Höhe von 65 000 Mark. Somit wurde der Gewinn mit 5 000 Mark veranschlagt. Die beteiligten Gemeinden mussten die Grunderwerbskosten übernehmen, zudem das Wasser für den Betrieb der Bahnhöfe Böblingen und Dettenhausen liefern. Zusätzlich mussten die Gemeinden einen Betrag von 5 000 Mark pro Kilometer in bar bezahlen, zusammen also 84 000 Mark (Bei 16,8 Kilometer Streckenlänge). Die Bahnverwaltung musste demnach noch 1 649 000 Mark an Baukosten tragen.

Die Strecke von Weil nach Dettenhausen beträgt vier Kilometer. Die Arbeiter bewegten beim Bau ungefähr 150 000 Kubikmeter Erde. Gekostet hat das Teilstück 700 000 Mark.


Die Landesschau unterwegs zeigte am 18. 6. 2012 den Film "Auf der Erfolgsschiene - die Schönbuchbahn", den Sie in der Mediathek des SWR ansehen können.

Literatur:
Ein Kapitel über die Schönbuchbahn finden Sie auch in dem von Walter Hahn verfassten „Heimatbuch Weil im Schönbuch – Breitenstein – Neuweiler“ (Weil im Schönbuch 1988), S. 253-256

Einen kurzen Überblick über die Eisenbahngeschichte im heutigen Landkreis Böblingen mit Links zu weiteren Eisenbahnthemen auf www.zeitreise-bb finden sie hier.

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