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Weil im Schönbuch>>Webschule

Von der Webschule zu Weil im Schönbuch

Quelle: : "Aus Schönbuch und Gäu. Beilage des Böblinger Boten", 34/1952

Autor: O. Rathmann
Weil im Schönbuch zählte rund 2500 Seelen, da man schrieb: 1856. Die Gemeinde hat "schon seit Ende des 17. Jahrhunderts eine nicht geringe Anzahl von Armen, welcher früher durch das sogenannte Klosterbrod von Bebenhausen im Betrag von wöchentlich 240 Pfund unterstützt wurden." Hagelschlag, unglückliche Leihkassenspekulationen und sonstiges Ungemach bewirkten, dass zur genannten Zeit in Weil wirklich arge Not und viel Leid herrschten. Bettel und Landstreicherei nahmen überhand, die Gemeindeväter sahen eine böse Zukunft, als sich die Armenkommission in Stuttgart bereit fand, hier eine Webschule in Verbindung mit der Zentralstelle für Handel und Gewerbe einzurichten.

Wir haben einen authentischen, aufschlussreichen Bericht über diese Schule, ihr Werden und Gedeihen und wollen einige Sätze daraus hervorholen, da sie doch zugleich ein Stück Heimatgeschichte enthalten.

"Zur Einrichtung derselben bot sich in dem alten Rathause (Kaufhaus Wörn) ein bequemes Lokal dar, welches die Gemeindebehörden bereitwillig zu diesem Zweck zur Disposition stellten. Ein alter Saal im obern Stock konnte mit acht Stühlen sogleich bezogen werden, die parterre befindliche große Remise wurde mit einem Kostenaufwand von 300 Gulden zu einem weiteren Websaale mit zwölf Stühlen eingerichtet. Es war erfreulich zu sehen, wie die Quadersteine des alten massiven Zuchthäusleins, das in genannter Remise sich befunden hatte, zu Fensterstöcken für den neuen Websaal umgearbeitet wurden." Es meldeten sich gleich eine Anzahl arbeitsloser junger Burschen, von denen mehrere erst eine Unterstützung zur Anschaffung von Bekleidung erhalten mussten, um überhaupt zur neuen Arbeitsstätte gehen zu können (!) "Etliche von ihnen hatten nur ein einziges, zerrissenes Werktagsgewand und ein dergleichen Hemd, sodass einige derselben aus Scham seit Jahr und Tag in keine Kirche gekommen waren ..."

Weblehrer Erlenbusch aus Stuttgart trat seinen Dienst am 15. April an und wurde im Webhaus einlogiert. Es wurden Stühle aufgekauft, zumeist gebrauchte, sowie die nötigen Gerätschaften hierzu. Diese Stühle kamen bloß nach und nach an, ebenso konnten auch die Schüler bloß von Fall zu Fall angenommen werden, sodass es zwar langsam, aber gründlich mit ihrer Ausbildung voranging.

Im Juli holte man einen Unteraufseher, einen ehemaligen Militär, der für gute Ordnung zu sorgen wusste, zur Unterstützung des Herrn Erlenbusch nach Weil. Für die Gemeinde war diese Webschule eine große Erleichterung; es meldeten sich immer mehr Schüler, und solche, die ausgelernt hatten, schafften nunmehr daheim am eigenen Webstuhl. Ein Lehrling dieser Schule verdiente bald 14 Kreuzer am Tage, und sein Einkommen stieg stetig mit seiner Geschicklichkeit.

"Jeder Lehrling ist verpflichtet, in dieser Anstalt wenigstens sechs Monate zu bleiben, nach Umständen, wenn Arbeit vorhanden ist, noch länger; in keinem Falle darf einer austreten, der nicht anderweitige Arbeitsgelegenheit bestimmt nachweisen kann. Eine Ausnahme findet nur bei solchen statt, welche einen eigenen Webstuhl haben und nachweisen, dass sie auf demselben arbeiten. So viel von den Anfängen dieser wirklich segensreichen Einrichtung in Weil im Schönbuch im Jahre 1856.

Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e. V.

Literaturhinweis:
Walter Hahn: Heimatbuch Weil im Schönbuch - Breitenstein - Neuweiler
herausgegeben von der Gemeinde Weil im Schönbuch, 1988

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