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Merklingen>>Oberamtsbeschreibung
"... ziemlich regelmäßig gebaut und von städtischem Aussehen ..."

Merklingen in der Beschreibung des Leonberger Oberamts von 1852

Quelle: Beschreibung des Oberamts Leonberg. Herausgegeben von dem königlichen statistischen topographischen Bureau, Stuttgart 1852.

Bild: Merklingen (Aus: Eduard Paulus, Die Kunst u. Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg, Esslingen 1906)
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Merklingen, Gemeinde II. Kl. mit 1415 Einw., ... - Ev. Pfarrei.

Das marktberechtigte Pfarrdorf, ziemlich regelmäßig gebaut und von städtischem Aussehen, liegt gesund und angenehm in dem wiesenreichen Würm-Thale, das hier eine Breite von etwa 1/8 Stunde erhält, 3 ½ Stunde südwestlich von der Oberamtsstadt. An der östlichen Seite des, theils in der Thalebene gelegenen - theils an den leicht ansteigenden, nordöstlichen Thalabhängen hinaufgebauten Orts, fließt die muntere Würm vorüber, welche nicht selten austritt und dann besonders zur Zeit der Heu- oder Oehmdernte durch das Wegschwemmen des Futters schädlich wird, wogegen die Ueberschwemmungen im Herbst und Winter durch Ablagerung des Schlamms, als Düngung für die Wiesen, nützlich werden. Die Gegend ist reich an frischen Quellen, von denen jedoch einzelne den Sommer über versiegen, während der außerhalb des Orts gelegene sogenannte Urbrunnen besonders wasserreich ist und das ganze Jahr hindurch die Brunnen des Orts versieht. ...

Im westlichen Theil des Dorfs steht ziemlich erhöht die Pfarrkirche, welche im Verein mit einigen ehemals zu dem Klosteramt Herrenalb gehörigen Gebäuden, ringsum mit doppelten Mauern und tiefem Wassergraben umgeben war und eine feste Stelle, ehemals die Stadt genannt, bildete. Die Befestigungswerke wurden in den Jahren 1796 - 1800 eingerissen und der Graben größtentheils ausgefüllt und mit Häusern überbaut oder zu Gärten angelegt; ... Die Pfarrkirche, deren Grundform die der ältesten Basiliken ist, trägt noch Spuren von der früheren, im romanischen Style erbaut gewesenen Kirche, welche 1425 abbrannte. ...
Der viereckige Thurm mit seinen 6 Fuß 1* dicken Mauern, hat Schießscharten und scheint früher zur Vertheidigung gedient zu haben. ...

Zunächst (westlich) der Kirche steht das oben erwähnte Steinhaus, (gegenwärtig als Fruchtkasten benützt), ein massives, aus 3 Stockwerken bestehendes, beinahe quadratförmiges Gebäude, dessen Mauern im untern Theil 6 ½ Fuß, im obern 4 Fuß Dicke haben. ...

Das alte, aber gut erhaltene Pfarrhaus liegt etwa 100 Schritte von der Kirche und bildet mit seinen Oekonomie-Gebäuden einen wohl geschlossenen Pfarrhof; die Unterhaltung desselben liegt dem Staate ob. Am westlichen Ende des Orts steht das ehemals als Cameralamtssitz benützte Gebäude, welches die Gemeinde im Jahr 1837 um 6000 fl. 2* erkaufte und zu Schulen und Wohnungen der Lehrer zweckmäßig einrichten ließ. ... Das an dem ehemaligen Kirchgraben stehende Rathhaus, welches sich in gutem Zustande befindet, wurde nach einer über dem Eingang desselben angebrachten Jahreszahl 1601 erbaut. Ein öffentliches Waschhaus besteht schon längst. ...

Die fleißigen Einwohner finden ihren Haupterwerb in Feldbau und Viehzucht. Obgleich der Gesundheitszustand vorzüglich ist und Epidemien zu den Seltenheiten gehören, so ist doch seit mehreren Jahren die Bevölkerungszunahme gering. ...

Im Würm-Thale kommt Moor und Torf vor; auch wurde früher im Ried zwischen Merklingen und Weil d. St. ein Torfstich angelegt, aber wegen der geringen Mächtigkeit des nur 3 - 4' tiefen Lagers und des geringen Brennstoffgehalts der Ausbeute bald wieder aufgegeben. Die Luft ist gesund, jedoch etwas rauh. ... Die Landwirthschaft, welche im Dreifeldersystem betrieben wird, steht im Allgemeinen auf einer blühenden Stufe. ...

Im Ort befinden sich ein praktizirender Arzt und eine Apotheke. Neben den gewöhnlichen Handwerkern für den örtlichen Bedarf sind eine verbesserte Mahlmühle mit 3 Mahlgängen und 1 Gerbgang, 4 Schildwirthschaften 3*, worunter 2 mit Brauereien, 5 Branntweinbrennereien, 1 Handlung und 3 Kramläden vorhanden.

Neben der Volksschule, an der 1 Lehrer, 1 Unterlehrer und 1 Lehrgehilfe unterrichten, ist vor etwa 20 Jahren auch eine Industrieschule in's Leben getreten. ...

Unter der herzoglich württembergischen Verwaltung bestand in Merklingen ein mit einer kirchenräthlichen Pflege verbundenes Oberamt, und der Ort war somit auch Sitz eines Amtsschreibers und eines Amtspflegers. Im Jahr 1806-7 wurden diese Aemter aufgehoben und dagegen das Cameralamt Merklingen errichtet, welches im Jahr 1837 durch Eintheilung seines Bezirks in die Cameralämter Leonberg, Sindelfingen und Hirschau wieder aufgelöst wurde. Zu dem ehemaligen Oberamt Merklingen hatten die Orte Simmozheim, Hausen, Gechingen, Alt- und Neu-Hengstett gehört. ...

Die erste Nennung des Orts geschieht im Jahr 1075, als Marchilingan; er wird erwähnt unter den Orten, in welchen das Kloster Hirschau in sehr früher Zeit Güter besaß und welche denselben im genannten Jahr wieder zugestellt wurden.

Merklingen gehörte den Grafen von Calw. ... Im 12. Jahrhundert gelangte hiesiger Calwer Besitz (...) mit der Hand der reichen Calwer Erbtochter Uta († um 1196) an Herzog Welf VI. († 1191). ... Durch mehrere Käufe, ..., erwarb das Kloster [Herrenalb] bis zum Jahr 1469 vollends den ganzen Ort, wo es auch den Blutbann 4* hatte. Merklingen bildete sofort einen eigenen Stab des Klosteramtes Herrenalb. Von dem Orte schrieb sich eine längst erloschene Adelsfamilie, deren Schloß im Jahr 1426 zum Kirchenbau verwendet wurde. ...

Die hiesige Kirche war dem heiligen Remigius geweiht; ... Den Neubau nach ihrem Brande unterstützte eine päbstliche Ablassbulle vom 24. November 1426. ... Mit dem Kloster Herrenalb ging das Patronat und die Nomination 5* zu der Kirche an Württemberg über. ...

1

Längenmaß, seit 1806: 1 Fuß = 10 Zoll = 28,65 cm

2

1 Gulden (fl) = 60 Kreuzer (kr). Nach der Währungsumstellung entsprach 1 Gulden ca. 1,71 Mark. Legt man für eine grobe Währungsumrechnung bestimmte aktuelle Lebensmittelpreise zugrunde, dürfte ein Kreuzer etwa den Gegenwert von 0,80 € gehabt haben. Die Guldenwährung im süddeutschen Raum bestand von ca. 1550 - 1875.

3

Schildwirtschaften waren, im Gegensatz zu Straußenwirtschaften, berechtigt, Gäste zu beherbigen und zu bewirten. Straußenwirtschaften waren nur zu gelegentlichem Ausschank, meist im Herbst, berechtigt.

4

Gemäß altdeutschem Recht Gerichtsbarkeit über Leben und Tod

5

Benennung eines Kirchenamtskandidaten

Der Text wurde gekürzt.

Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Merklingen finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource.

Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt.

Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen

Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 30. Band erschien 1852 die Beschreibung des Oberamts Leonberg. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden.

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