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Feldpostbriefe eines Altdorfers aus dem 1. Weltkrieg

„Auf Wiedersehen, aber wann?“

Quelle: Blitzlichter aus dem Kreisarchiv Böblingen, Teil 9, Oktober 2007

Autorin: Dr. Helga Hager
1917 abgestempelter Feldpostbrief

Bild rechts: Am 26. 5. 1917 abgestempelter Feldpostbrief von Johannes Henne an seine Familie in Altdorf. (Foto: Kreisarchiv Böblingen) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

„Auf Wiedersehen, aber wann?“ –, so beendet der Altdorfer Bauernsohn Johannes Henne zumeist seine Briefe von der Front in Frankreich im Jahre 1917. Diese wertvollen Zeitzeugnisse – über 270 Stück – befanden sich nahezu 100 Jahre lang in Familienbesitz und wurden nun an das Kreisarchiv Böblingen übergeben. Wo könnten die persönlichen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges besser zum Ausdruck kommen, als in solch authentischen biographischen Quellen? Johannes Henne

Bild links: Johannes Henne. Der Altdorfer fiel mit 19 Jahren bei Verdun. (Foto: Kreisarchiv Böblingen)

Der 19-jährige Johannes Henne schreibt in altdeutscher Schrift, zumeist mit Bleistift, und füllt dabei jede Lücke des fragilen Briefpapiers aus. Wenn wir seine Briefe in der Hand halten, vermögen wir uns den jungen Infanteristen richtiggehend vorzustellen, ja in unserer Phantasie entwickeln sich Bilder, die uns jene fernen Kriegserfahrungen näher bringen. So berichtet Johannes Henne etwa am 23. Mai 1917, wie ein ganzes Bataillon bei „lebendigem Leibe“ begraben wurde: Es war in einem Eisenbahntunnel geflüchtet, woraufhin die gegnerische Seite die Tunnelausgänge unter Beschuss genommen hat. Dramatisch wird es auch, wenn der Altdorfer in einem seiner letzten Briefe einen Gasangriff seitens der Franzosen schildert, der allerdings keine schwerwiegenden Folgen nach sich zog, da die Gasmasken „tadellos“ funktionierten.

Doch nur selten geht er so detailliert auf das unmittelbare Kampfgeschehen ein, zumal die Feldpostbriefe ja auch der Zensur unterlagen. Vielmehr vermittelt er einen Einblick in den „Alltag“ des Krieges an der Westfront: „Wir erhalten 1/3 Brot, mittags gibt’s Graupensuppe und Pferdefleisch oder Drahtverhau und Pferdefleisch“, womit er auf ironische Weise die Verpflegung im Schützengraben anspricht. Diese sei im Übrigen so knapp ausgefallen, „dass man ständig Kohldampf schieben“ müsste.

Unter solchen Umständen wird dann auch klar, wieso er sich in all seinen Briefen so dankbar für die Pakete aus der Heimat zeigt, die neben Brot, Butter, Honig und Zucker auch ab und zu Kuchen oder sogar eine Metzelsuppe beinhalteten. Neben der Nahrung spielt auch der Zustand seiner Bekleidung eine wichtige Rolle. Nicht selten beauftragt er seine Schwester, sie solle ihm „sofort ein paar frische Socken und eine Unterhose schicken!“

Vielfach deutet sich auch seine psychische Verfassung zwischen den Zeilen an. Beispielsweise schreibt er im August 1917 über das vergebliche Warten auf den Urlaub: „Ihr könnt Euch auch nicht vorstellen, wie es ist, wenn man beinah’ den Urlaubsschein in der Tasche hat und dann noch auf einen Ersatzmann acht bis zehn Tage wartet. Des Herrn Wille geschehe!“ Diese Ablösung kommt nicht zustande, da er in eine andere Kompanie versetzt wird. Nur ein paar Tage nach seiner Versetzung spürt man förmlich, wie sich die Situation an der Front zuspitzt: „Wir sind keine Minute sicher, ob wir nicht verschüttet werden, verwundet oder gar den Tod erleiden müssen.“ Im selben Brief noch bringt er die Aussichtslosigkeit der Lage zur Sprache, wenn er schildert, wie er sich „täglich, ja stündlich“ an den Heiland wende, „er wolle ihm doch einen Schutzengel an die Hand geben, der ihn behütet vor jeder Verwundung und gar vor dem Tode.“

Johannes Henne fiel im September 1917 in Verdun.



Quellenanlage:

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Feldpostbrief von Johannes Henne vom 23. Mai 1917 (Fotos: Kreisarchiv Böblingen) - Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern. Feldpostbrief von Johannes Henne vom 23. Mai 1917, Seite 1 (rechts) und Seite 4 (links). (Foto: Kreisarchiv Böblingen) - Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern. Feldpostbrief von Johannes Henne vom 23. Mai 1917, Seite 2 (links) und Seite 3 (rechts). (Foto: Kreisarchiv Böblingen) - Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.


Die Feldpostbriefe von Johannes Henne – Anmerkungen zur Schriftart und Hilfestellung zum Lesen

Johannes Hennes Feldpostbriefe aus dem Jahre 1917 sind für uns heute wertvolle Quellen. Doch wird es den meisten schwer fallen, die klein beschriebenen Blätter im Original zu entziffern. Die Briefe sind in der sog. „Deutschen Kurrentschrift“ (lat.: currere = laufen) verfasst, die in Deutschland bis in die Mitte des 20. Jahrhundert gebräuchlich war. Typografisch gehört sie zu den gebrochenen Schriften. Umgangssprachlich werden deutsche Schreibschriften oft als Sütterlinschrift bezeichnet. Genau genommen ist die Sütterlinschrift eine ganz besondere Schulausgangsschrift, die 1911 vom Grafiker Ludwig Sütterlin entwickelt wurde. 1941 wurde sie zugunsten der lateinischen Schrift abgeschafft.

Um Ihnen das Lesen dieses und anderer in Deutscher Kurrentschrift verfasster Schriftstücke zu erleichtern, stellt Ihnen das Kreisarchiv hier einige Hilfeleistungen zur Verfügung.

Für eine Abschrift des abgebildeten Briefes von Johannes Henne vom 23. Mai 1917 klicken Sie bitte auf folgenden Link

Abschrift des Feldpostbriefes von Johannes Henne

Wenn Sie den Brief im Original lesen wollen, oder bei der Lektüre ähnlicher Schriftstücke Hilfestellung suchen, dann finden sie im folgenden Link Abbildungen des bis 1941 gültigen Schriftalphabets (Deutsche Schrift und Sütterlin).

Schriftalphabet Deutsche Schrift und Sütterlin



Mit freundlicher Genehmigung des Böblinger Kreisarchivs

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