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Böblingen und der Bauernkrieg

Die Böblinger Schlacht vom 12. Mai 1525

Quelle: Der deutsche Bauernkrieg von 1525. In: Böblingen – Vom Mammutzahn zum Mikrochip. Im Auftrag der Stadt Böblingen herausgegeben von Sönke Lorenz und Günter Scholz, Böblingen 2003, S. 179-189

Autor: Dr. Günter Scholz
Die Schlacht bei Böblingen war das düsterste Ereignis der Böblinger Stadtgeschichte - mehr als 3000 Bauern verloren ihr Leben. Heute wird die Erinnerung an den Freiheitskampf von 1525 im Deutschen Bauernkriegsmuseum in der historischen Böblinger Zehntscheuer wachgehalten.

Zinnfiguren-Diorama

Bild: Die Schlacht bei Böblingen. Ausschnitt aus dem Zinnfiguren-Diorama von Bernhard Kempin im Deutschen Bauernkriegsmuseum Böblingen. (Bild: StadtA BB, Bildarchiv) – Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Der Bauernkrieg im Südwesten
Der deutsche Bauernkrieg begann 1524 mit Erhebungen am Hochrhein und im Südschwarzwald. Ende 1524 sammelten sich die Bauern südlich von Ulm im Baltringer Haufen. In der Fürstabtei Kempten kam es Mitte Februar 1525 zum Aufstand. Anfang März 1525 entstand der Bodenseehaufen. Aus den regionalen Aufständen wurde seit März 1525 ein die Territorialgrenzen überschreitender „Bauernkrieg". Allerdings standen nicht nur Bauern auf, sondern ebenso die unteren Bevölkerungsschichten in den Städten, Bergknappen, entlaufene Mönche und Priester, Landsknechte und Frauen. Bis Ende April waren ganz Süd- und Oberdeutschland, das Elsass, die Pfalz, Franken und Thüringen in Aufruhr. Im Mai 1525 ergriff der Bauernkrieg Tirol, das Salzburger Land und die Steiermark.

In Württemberg kam der Aufstand in der zweiten Aprilhälfte 1525 zum Durchbruch. Nachdem der Neckartal-Odenwälder Haufen am 16. April 1525 die württembergische Amtsstadt Weinsberg gestürmt und ihre adelige Besatzung durch die Spieße gejagt hatte, bildete sich noch am Abend der „Weinsberger Tat" nach einer Bauernversammlung auf dem Wunnenstein bei Großbottwar ein württembergischer Bauernhaufen. Seine Führer waren Matern Feuerbacher und Hans Wunderer. ...

Karte

Bild: Die Karte zeigt die für unseren Raum entscheidende Phase des Bauernkriegs, der mit der vernichtenden Niederlage der Bauern in der Schlacht bei Böblingen am 12. Mai 1525 zu Ende ging. (Karte: Historischer Atlas Baden-Württemberg, Stuttgart 1972-1988, Karte VI, 11) – Für eine Gesamtansicht der Karte klicken Sie bitte in das Bild.

Die Böblinger Schlacht vom 12. Mai 1525
Rasch an zahlenmäßiger Stärke zunehmend, zog der württembergische Bauernhaufen nach Art einer Massendemonstration durch das Land. Inzwischen auf ca. 8000 Mann angewachsen, nahm er am 25. April Stuttgart ein; von dort war die habsburgische Regierung nach Tübingen ausgewichen. Anschließend zogen die Aufständischen ins Rems- und ins Filstal. Als sie von Kirchheim/Teck nach Tübingen vorstoßen wollten, erreichte sie die Nachricht, dass der Truchsess von Waldburg ihnen vom Hegau aus entgegenrückte. Daraufhin änderten die Aufständischen ihren Weg und zogen über Degerloch am 6. Mai nach Böblingen und Sindelfingen. Bereits am 20. April hatte sich ein Bauernhaufen in der Grafschaft Hohenberg, im Amt Herrenberg, im Schönbuch und im Ammertal gebildet. Tags darauf zogen rund 200 Bauern in die Dörfer des Schönbuchs und zwangen ihre Bewohner zum Anschluss. Auch der Böblinger Amtsschreiber Joachim Ayttinger hatte sich zur Bauernsache bekennen müssen. Die Bauern im Amt Böblingen wollten nicht mitziehen und begründeten dies damit, dass man ihnen nach dem Einfall Herzog Ulrichs im März 1525 die Waffen genommen habe. Vergeblich suchten sich die Dagersheimer den Aufständischen zu entziehen. Die Darmsheimer hatten sich aus dem Dorf entfernt. Andererseits tat sich der Dagersheimer Leonhard Schwarz als Hauptmann der Bauern hervor und überfiel die Klöster Hirsau und Bebenhausen.

Bild: Der „Bauernjörg“, Georg III. Truchsess von Waldburg (1488-1531). Bild von Christoph Amberger, nach 1536. (Bild: StadtA BB, Bildarchiv) - Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Am 8. Mai stürmten die Bauern Herrenberg. Nachdem der Truchsess ihnen hier entgegengetreten war und sie mit seinem Geschütz eingeschüchtert hatte, wichen sie bei Nacht fluchtartig wieder nach Böblingen und Sindelfingen zurück. Dabei fiel ihre Kanzleitruhe mit wichtigen Dokumenten dem Gegner in die Hand. Da der Truchsess seinen Truppen den ausstehenden Sold nicht bezahlen konnte, war er zunächst zur Untätigkeit gezwungen und lagerte mit dem Heer bei Weil im Schönbuch. Nachdem der Sold eingetroffen war, zog der Truchsess am 12. Mai frühmorgens über Mauren durch den Wald in Richtung Böblingen. Die Bauern nahmen daraufhin zwischen Böblingen und Sindelfingen Aufstellung: Ein Haufen bei Sindelfingen, der „Gewalthaufen" vermutlich am Goldberg und der „verlorene Haufen" am Wald östlich des Galgenbergs. Als Heinrich Traisch von Buttlar mit der „Schützenfahne" auf die Anhöhe hinter dem oberen Tor anrückte, wurde er vom „verlorenen Haufen“ der Bauern wieder zurückgetrieben. Wegen des Sumpfgeländes zwischen Böblingen und Sindelfingen war der Truchsess nicht in der Lage, die Bauern frontal unter Einsatz der Reiterei anzugreifen. Als er Knechte mit Hakenbüchsen vor das untere Stadttor schickte, wurden diese zunächst nicht in die Stadt eingelassen - entgegen der Zusage des Vogts Lienhart Breitschwert.

Als der Truchsess massiv drohte, er würde sie mitsamt Weibern und Kindern erwürgen und die Stadt schleifen lassen, öffneten die Böblinger das Tor. In der Stadt gab es offensichtlich zwei Strömungen gegenüber den Bauern. Die amtsstädtischen Honoratioren unterstützten den Truchsess. Kleinbürger und Bauern sympatisierten eher mit den Aufständischen. Dabei standen sie unter dem Einfluss der Predigten des Kaplans der St.-Anna-Pfründe, Jakob Engelfried aus Kuppingen, der in weltlichen Kleidern am Bauernkrieg teilgenommen habe. Die Schüsse der Hakenbüchsenschützen aus dem inzwischen von ihnen besetzten Schloss und das Anrücken des Grafen Wilhelm von Fürstenberg ließen die Bauern hinter dem Schloss zurückweichen. Inzwischen war der Galgenberg vom Schwäbischen Bund besetzt. Auf die Höhenstellung hinter dem oberen Tor wurden vier leichte Geschütze gebracht. Als sie gegen die andringenden Bauern abgefeuert wurden, wandte sich deren „verlorener Haufen" zur Flucht, bald darauf auch der „Gewalthaufen“. Zuvor hatte die Reiterei des Truchsessen bereits auf dem Galgenberg Stellung bezogen. Aus der Schlacht wurde sehr rasch ein Massaker an den Bauern, die in die benachbarten Wälder zu fliehen versuchten. Dabei schnitt ihnen der ortskundige Truchsess den Weg ab und ließ sie niedermetzeln. Innerhalb weniger Stunden war das 15000 Mann starke Bauernheer von den Truppen des Truchsessen, die nur 7000 bis 8000 Mann zählten, blutig besiegt worden. Die Angaben über die Zahl der Opfer schwanken in den Quellen zwischen 2000 und 9000. Tatsächlich dürfte sie bei ca. 3000 gelegen haben. Dem gegenüber seien die Verluste auf Seiten des Schwäbischen Bundes nach Angaben der Sieger außerordentlich gering gewesen - nur ca. 25 Reiter und 15 Fußsoldaten. Die Kriegsbeute an Zelten, Wagen, Geschütz und Waffen war erheblich. In Sindelfingen gefangen genommen wurde noch am Abend der Schlacht einer der Hauptschuldigen an der Weinsberger Tat. Melchior Nonnenmacher aus llsfeld; er wurde an einen Baum gekettet und lebendig „gebraten".

Bild: Erinnerung an die Schlacht bei Böblingen 1525. Denkmal für die geschlagenen Bauern des Nebringer Künstlers Lutz Ackermann an der Stuttgarter Straße.) - Klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Uneinigkeit der Bauern
Das Erscheinungsbild, welches das Bauernheer bei Böblingen bot, war alles andere als einheitlich. (...) Den Kern des Bauernheeres bildeten ca. 10000 württembergische Bauern, darunter ein Fähnlein von ca. 500 Mann aus dem Amt Böblingen. Außerdem nahmen an der Böblinger Schlacht ca. 5000 bis 6000 Bauern aus dem Schwarzwald und aus dem Hegau teil. Sie hatten sich am 8.Mai vor dem Angriff auf Herrenberg mit den Württembergern vereinigt. (...)

Die Aufständischen verfochten bei Böblingen sehr unterschiedliche Ziele: Sie reichten von vergleichsweise „konservativen" Gedanken im Umkreis von Matern Feuerbacher über die „gemäßigten" Forderungen der Zwölf Artikel1* bis hin zu radikalen, von Thomas Müntzer beeinflussten Entwürfen der Schwarzwälder, die eine grundlegende Umgestaltung von Staat und Gesellschaft erstrebten. Solche Unterschiede haben zu einer Verschärfung der Spannungen im Bauernlager beigetragen – und damit den Herren den Sieg über einen uneinigen Gegner erleichtert.

Die Niederlage
Am Freitag, dem 12. Mai 1525 wurden die Bauern bei Böblingen innerhalb weniger Stunden vernichtend geschlagen. Zu ihrer raschen Niederlage trugen ihre ungenügende Bewaffnung, mehr noch ihre Uneinigkeit bei. Ihre Niederlage hat gewiss auch die harsche Abkehr Martin Luthers von der Bauernsache befördert, wie sie in seinem unbarmherzigen Traktat „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern" erkennbar wird.

Die Bilanz des Krieges war schrecklich: die Zahl der Todesopfer lag bei insgesamt ca. 75 000 bis 100 000. Der bäuerlichen Niederlage folgte das herrschaftliche Strafgericht. Aus Furcht vor einer Wiederholung der Erhebung machten die Obrigkeiten aber auch Zugeständnisse: die Leibeigenschaft wurde bisweilen gemildert, die oft unbeschränkten Frondienste wurden fixiert und das Erbrecht verbessert. Selbst der Reichstag wurde aufmerksam. Er verlangte 1526 von den Herrschaften, ihre Untertanen nicht „wider Billigkeit" zu belasten. Anders als von der älteren Bauernkriegsforschung behauptet, schieden die Bauern nicht aus dem politischen Leben aus. In einem „sozialen Dauerbeben" kam es in der Frühen Neuzeit verbreitet zu Widerstand. So führt der Weg der deutschen Freiheitsgeschichte vom Bauernkrieg von 1525, unter anderem mit der Schlacht bei Böblingen, über die Französische Revolution von 1789 zu den Freiheitsbewegungen des 19.Jahrhunderts und zum demokratischen Staat von heute.

1

Die Zwölf Artikel wurden zum Manifest des Bauernkriegs. Sie wurden Ende Februar/Anfang März 1525 erstmals gedruckt und gehörten zu den Forderungen, die die Bauern in Memmingen gegenüber dem Schwäbischen Bund erhoben hatten. Siehe Artikel in Wikipedia

Der Text wurde gekürzt.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Stadt Böblingen

Quellenanhang: Georg III. Truchsess von Waldburg, der „Bauernjörg“, schreibt an den Schwäbischen Bund und schildert seinen Sieg über die aufständischen Bauern am 12. Mai 1525 bei Böblingen.

Die Böblinger Stadtgeschichte „Vom Mammutzahn zum Mikrochip“, wurde 2003 von Sönke Lorenz und Günter Scholz herausgegeben und erschien zum Preis von 35,80 € im Markstein-Verlag Filderstadt. (ISBN 3-935129-09-2)

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