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Hanns Klemm - Ein schwäbischer Tüftler hebt ab

Quelle: Sindelfinger Zeitung vom 23. April 1999

Autor: Hans-Jörg Zürn
"Der Stein des Weisen und das perpetuum mobile liegen noch im Bereich der Träume, aber das Problem des Menschenfluges scheint gelöst", Hanns Klemm sah im Flugzeug das Verkehrsmittel der Zukunft. 1926 machte sich der studierte Bauingenieur als Flugzeugbauer selbstständig und siedelte seine Fabrik 1927 in Böblingen an.

Foto: Hanns Klemm vor der großen Werkshalle in Böblingen, ca. 1935 (Foto: Stadtarchiv Böblingen) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.


Wer als Sportpilot abheben wollte, kam in den 20er Jahren an einer Klemm-Maschine nicht vorbei. Elly Beinhorn, Liesel Bach, Wolf Hirth oder Karl Schwabe - sie alle saßen in Klemm-Modellen. Die Erfolgskurve zeigt steil nach oben, nachdem der schwäbische Tüftler 1919 das erste Leichtflugzeug der Welt entwickelte: die Daimler-Klemm, angetrieben von einem Fahrradmodell mit 7,5 Pferdestärken.

Jeder sollte fliegen können, Anschaffung, Betrieb und Unterhalt eines Flugzeuges kein Luxus sein. Diese Vision trieb Hanns Klemm zu immer neuen Varianten seines erfolgreichen Prototyps. 1923 konstruierte er einen Tiefdecker, baute Schulungsflieger, Kabinen- und Wasserflugzeuge. Das Unternehmen wuchs ständig. 1928 folgte eine Niederlassung im amerikanischen New Jersey, 1932 eine in London.
Hanns Klemm ruhte sich aber nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern brütete ständig über Verbesserungen und neuen Erfindungen. So entwickelte er 1936 den nach ihm benannten Leim, der noch heute im Flugzeugbau verwendet wird. Außerdem ersann er die Halbschalen-Bauweise für die Serienproduktion. Sein Unternehmen wuchs zum größten Arbeitgeber der Stadt Böblingen, rund 800 Mitarbeiter verdienten dort 1939 ihren Lebensunterhalt.

Foto: Prospekt der Böblinger Firma Leichtflugzeuge Klemm. (Stadtarchiv Böblingen) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.

Dabei war Hanns Klemm die Technik nicht in die Wiege gelegt worden. 1885 in Stuttgart wurde er als Sohn eines Küfermeisters und Weingärtners geboren. Doch schon früh erwachte sein Interesse an allem, was mit Technik zu tun hat. Hanns-Klemm besuchte nach dem Abitur die Technische Hochschule Stuttgart und wurde Diplom-Bauingenieur. Rund um Friedrichshafen machte er sich mit Brücken und der Bodensee-Uferstraße als Konstrukteur einen guten Namen.

Wechsel zu Daimler
Doch schon damals sah Hanns Klemm "die Zukunft in der Luft". Fasziniert von den ersten Luftschiffen wechselte er als Leiter des Versuchbaus zu Zeppelin. Am 01. April 1918 wurde Hanns Klemm Chefkonstrukteur des Flugzeugbaus bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft.

Ein Jahr später stieg der leidenschaftliche Flieger vorübergehend auf das Auto um. Er übernahm bei Daimler die Leitung des Konstruktionsbüros des Karosseriebaus und war von 1920 bis 1927 Technischer Direktor des Karosseriewerks in Sindelfingen.
Obwohl jetzt der Bau von Autos sein tägliches Brot war, verlor der Tüftler seine hochfliegenden Pläne nie aus dem Auge. Er gründete 1926 mit 3.000 Reichsmark Startkapital seine Flugzeug-Fabrik und ließ sich damit 1927 in Böblingen nieder. Eigentlich ein Zufall, denn ursprünglich wollte Hanns Klemm seine Flieger am Sindelfinger Goldbach bauen.

Foto: Hanns Klemm mit dem Versuchstyp L 17 (Foto: Stadtarchiv Böblingen) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern.

Die Landesbeamten in Stuttgart beanstandeten jedoch die Verträge. Sindelfingens Stadtschultheiß Hörmann bemängelte außerdem, dass "Herr Klemms Benehmen nicht in Ordnung war. Er hat sich in Böblingen angesiedelt. Wir weinen keine Träne nach". Worüber die Verhandlungspartner stritten, liegt im Dunkel der Geschichte. Im Dritten Reich drängte die Militärfliegerei Sportpiloten und zivile Luftfahrt immer mehr in den Hintergrund. Sehr zum Missfallen von Hanns Klemm. 1943 trat er als Geschäftsführer seines Werkes zurück und aus der NSDAP aus. Der Konflikt mit den Machthabern gipfelte in die Verhaftung des Flugzeugpioniers durch die Gestapo im Jahr 1944.

Mit dem Krieg endete auch die Ära Klemm. Die Siegermächte ließen 1945 das Werk des mittlerweile 60-jährigen in Böblingen demontieren. Zehn Jahre später ernannte Böblingen Hanns Klemm zum Ehrenbürger, 1960 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz. Am 30. April 1961 starb der Luftfahrt-Pionier in seinem Alterssitz Fischbachau in Oberbayern.


Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung


Weitere Materialien zu Hanns Klemm:
Leben und Werk von Dr. Hanns Klemm in Daten
Die Klemm-Leichflugzeuge - Technische Daten
Beschlagnahme des Betriebes und Einsetzung eines Reichskommissars bei der Firma Hanns Klemm Flugzeugbau, Leichtflugzeuge GmbH am 12. Juni 1944.

Literaturhinweise:
Böblingen gedenkt seiner Fliegertradition - 100 Jahre Dr. Hanns Klemm (1885-1961),70 Jahre Militärflugplatz (1915-1918), 60 Jahre Landesflughafen (1925-1938). Ausstellung und Katalog: Erich Kläger und Dr. Günter Scholz, Böblingen 1985.
Peter Supf: Hanns Klemm - Der Schöpfer des Leichtflugzeuges, Stuttgart 1955.
Erwin Funk: Böblingen - Fliegerstadt und Garnison, Böblingen 1974.
Erwin Funk: Böblingen im Dritten Reich. Erinnerungen und Erfahrungen in Berichten und Dokumenten, Böblingen 1987.
Dr. Hanns Klemm - 1885-1961. Broschüre zur Gedächtnisausstellung IM HÖFLE 1982, herausgegeben vom Stadtarchiv Böblingen 1982.
Günter Scholz (Hrsg): Als man in Böblingen noch in die Luft ging ..., Böblingen 1990, (Böblinger Museumsschriften 3)
Böblingen und der Traum vom Fliegen. Mit Beiträgen von Wolf-Dieter Dorn, Carola Eberhard und Günter Scholz. Herausgegeben von Carola Eberhard und Günter Scholz, Stadt Böblingen/Böblinger Museen 2000.

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