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Böblingen>>Geschichte>>Garnison und Flughafen>>Landesflughafen 1925-1939
Böblingen: Am 29. April 1925 schwebte die erste Linienmaschine ein

Drehscheibe der zivilen Luftfahrt

Quelle: Das 20. Jahrhundert im Spiegel der Zeit. Der Kreis Böblingen im Rückblick von 100 Jahren. Röhm Verlag, Sindelfingen 1999, S. 62

Bild: Der Böblinger Flughafen aus der Luft. Am 29. April 1925 landete hier die erste Linienmaschine. In wenigen Jahren entwickelte sich der Landesflughafen zu einer wichtigen Drehscheibe der damaligen Luftfahrt. Von hier aus ging es mit dem Flieger bis nach Südamerika. (Foto: Stadtarchiv Böblingen) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

„Es kommt, es kommt" - die Böblinger reckten die Hälse, als sie das Brummen der Motoren hörten. Am 29. April 1925 schwebte das erste Verkehrsflugzeug im Landeanflug auf den Flugplatz im Westen der Stadt zu. Damit wurde Böblingen zur Drehscheibe der zivilen Luftfahrt.

Ackerbau und Viehzucht statt moderner Verkehrstechnik - so sah es noch wenige Jahre zuvor auf dem Gelände im Westen der Stadt aus. Nach dem Ersten Weltkrieg fielen die meisten Gebäude des ehemaligen Militärflughafens Böblingen der Spitzhacke zum Opfer. Die Liegenschaftsverwaltung des Reiches schaffte es allerdings in zähen Verhandlungen, dass der rund 120 Hektar große Platz wenigstens nicht wieder in einzelne Parzellen aufgeteilt wurde.

Eine riesige Baustelle
Sechs Jahr schlummerte die Fläche im Dornröschenschlaf, diente als Weide, Acker und Garten. Erst 1925 wurde sie mit Donnergetöse geweckt, denn Bauunternehmer richteten eine der größten Baustellen jener Zeit ein. Die Arbeiter bewegten 18 000 Kubikmeter Erde, planierten 120000 Quadratmeter Oberfläche, säten 60000 Quadratmeter Wiese ein, bauten 28000 Quadratmeter Straßen, Gehwege und Vorplatzbefestigungen. In wenigen Monaten entstand der neue Landesflughafen Stuttgart/Böblingen. Die ersten Passagiere mussten dabei noch auf Komfort verzichten. Erst im Sommer war das neue Empfangsgebäude fertig. In diesem Holz-Blockhaus gab es einen Warteraum mit Verpflegung für die Fluggäste, die Abfertigung, einen Ruheraum für die Piloten und die Büros der Fluggesellschaften „Deutsche Aero-Lloyd" und „Junkers-Luftverkehr". Ebenfalls schon 1925 wurde eine neue Flugzeughalle gebaut.

Bild: Das neue Empfangsgebäude des Böblinger Landesflughafens. Das Flughafengebäude ist eines der wenigen bis heute erhaltenen Beispiele moderner Architektur der 20er Jahre im Kreis Böblingen. (Aus: Böblingen gedenkt seiner Fliegertradition, Böblingen 1985, S. 59) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Rasanter Aufschwung
Eine Reise mit dem Flugzeug gehörte zu jener Zeit nicht gerade zum Alltag der Menschen. Trotzdem zählte die Flughafenverwaltung Böblingen schon im ersten Sommer 4097 Passagiere. 38,4 Tonnen Post und Fracht wurden verladen, 2271 Starts und Landungen im Linienflugverkehr registriert. Der Vergleich zu heute: Das Flughafenpersonal in Stuttgart betreute letztes Jahr 7,24 Millionen Passagiere bei 140 000 Starts und Landungen.

Der Luftverkehr entwickelte sich prächtig. 1926 eröffnete die Deutsche Lufthansa ihre planmäßige Linie Berlin – Halle – Erfurt - Böblingen – Zürich. Bald verband der Landesflughafen das Schwabenland mit Metropolen wie London, Amsterdam, Oslo, Moskau, Bukarest, Rom, Madrid oder Paris. 1927 wurden bereits knapp 8000 Passagiere gezählt. Jeden Tag starteten und landeten 22 Verkehrsmaschinen in Böblingen.

Bild: Blick vom Café des Flughafenhotels auf das Rollfeld. (Foto: Stadtarchiv Böblingen) - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern

Sportfliegerei und Schulung
Daneben erlebte die Sportfliegerei und der Schulbetrieb einen rasanten Aufschwung. Schon 1924 wurde die erste württembergische Fliegerschule in Böblingen gegründet, 1925 kam die „Süddeutsche Sportflug-Gesellschaft" dazu. 1926 eröffnete der Luftfahrtpionier Hanns Klemm in Böblingen eine eigene Werksfliegerschule und 1927 richtete der Württembergische Luftfahrtverband einen Jugendfliegerhorst ein.

Der Flughafen Böblingen startete jetzt voll durch mit über 37 000 Starts und Landungen von Sportpiloten, Flugschülern und Linienmaschinen. Über 100mal am Tag hob ein Flugzeug ab oder setzte wieder auf der Rollbahn auf. Das lockte viele Besucher an.

Die fanden im modernen Hotel auf dem erweiterten Empfangsgebäude Unterkunft in acht Zimmern. Das Restaurant galt seinerzeit als das modernste und von der Lage her interessanteste der Stadt. Inhaber Fritz Diener richtete nicht nur Faschingsbälle oder Hochzeiten aus. Bei ihm traf sich die Gesellschaft der Stadt etwa zu Tanzabenden „mit erstklassiger Jazz-Kapelle". 1931 wurde mit dem Deutschen Luftfahrtmuseum ein weiterer Anziehungspunkt für Besucher eröffnet. Die Ausstellung zog 1935 nach Berlin um.

Ozeanlinie nach Südamerika
1933 hoben zum ersten Mal Frachtmaschinen auch nachts mit Post und eiligen Gütern ab. Am 3. Februar 1934 nahm die Lufthansa ihre Ozeanlinie von Berlin über Böblingen nach Südamerika in Betrieb. 1938 übernahm das Militär den Flugplatz, 1939 zog das 1. Jagdgeschwader 52 ein.1*

Mit dem Kriegsende 1945 endete auch die Geschichte von Böblingen als Fliegerstadt. Die Pisten des neuen Landesflughafens entstanden auf den Fildern.

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Bereits ab 1937 wurden die neuen Fliegerhorstkasernen gebaut. Für die Verlegung des Zivilflughafens entstand eine neue Anlage in Echterdingen. Von Herbst 1938 bis September 1939 gab es in Böblingen noch ein Nebeneinander von militärischer und ziviler Nutzung.

Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung

Auf dem Landesflughafen konnten immer wieder prominente Gäste begrüßt werden. Die Ankunft hochrangiger Vertreter der NSDAP in den 1930er Jahren wurde meist mit publikumswirksamen Propagandaveranstaltungen verbunden. Lesen Sie hier zwei Berichte aus der Lokalpresse:

Ankunft Adolf Hitlers in Böblingen am 30. 07. 1932
Besuch des Reichsleiters der DAF (Dt. Arbeitsfront) Robert Ley am 23. 03. 1936.

Literaturhinweis:
Böblingen und der Traum vom Fliegen. Mit Beiträgen von Wolf-Dieter Dorn, Carola Eberhard und Günter Scholz. Herausgegeben von Carola Eberhard und Günter Scholz, Stadt Böblingen/Böblinger Museen 2000
Günter Scholz (Hrsg): Als man in Böblingen noch in die Luft ging ..., Böblingen 1990 (Böblinger Museumsschriften 3)
Böblingen gedenkt seiner Fliegertradition. - 100 Jahre Dr. Hanns Klemm (1885-1961), 70 Jahre Militärflugplatz (1915-1918), 60 Jahre Landesflughafen (1925-1938). Ausstellung und Katalog: Erich Kläger und Dr. Günter Scholz, Böblingen 1985.
Erwin Funk: Böblingen - Fliegerstadt und Garnison, Böblingen 1974

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