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Architektur als lebendiges Formenspiel Das Orplid-Hochhaus in Böblingen Autorin: Susanne Schmidt | ||||
Bild: Große Baumassen eigenwillig in Szene gesetzt. Das am westlichen Stadtrand gelegene „Orplid“ des Berliner Architekten Scharoun gilt als Böblingens schönstes Hochhaus - klicken Sie in das Bild, um es zu vergrößern Ein Hochhaus von vielen am Böblinger Stadtrand, Baujahr 1967, 15 Stockwerke, 90 Wohneinheiten. Ein gewöhnliches Mietshaus ist das „Orplid“ dennoch nicht. Schon der Name des Gebäudes klingt geheimnisvoll, der des Architekten, Hans Scharoun, ist indessen weltbekannt.Das Böblinger Orplid-Haus gehört zweifellos zu den bedeutendsten Beispielen moderner Architektur im Kreis. Obwohl noch nicht einmal 40 Jahre alt, steht es bereits seit 1995 unter Denkmalschutz. 1967 begannen die Bauarbeiten an dem 15 Stockwerke hohen Gebäude, 3 Jahre später waren die Wohnungen bezugsfertig. Im Gegensatz zu vielen anderen Hochhausbewohnern fühlen sich die meisten Bewohner im „Orplid“ sehr wohl, empfinden es geradezu als Privileg hier wohnen zu dürfen. Das Gebäude wurde von Scharoun bewusst so konzipiert, dass auf einer Ebene jeweils nur 5 oder 6 Familien wohnen. Dadurch entstand keine anonyme Schlafburg, sondern ein Wohnblock, in dem sich, wie in kleineren Mietshäusern, intakte Nachbarschaftsbeziehungen entwickeln können. „Baukunst muss ihre Grundlage im Gefühlsleben der Menschen haben“. Diesen Grundsatz hat Scharoun auch im „Orplid“, einem seiner letzten Wohnbauprojekte, beherzigt. Bild: Eingangsbereich auf der Nordseite des „Orplid“ mit verglastem Treppenhausvorbau Altmeister moderner ArchitekturHans Scharoun (1893-1972) gehört zu den Altmeistern der architektonischen Moderne. Bereits in den 20er Jahren war er als einer der Hauptvertreter des „Neuen Bauens“, der deutschen Variante des internationalen „weißen“ Stils, hervorgetreten. In Berlin stehen noch einige seiner frühen Wohnbauten. Den internationalen Durchbruch erzielte Scharoun jedoch 1927 mit seinem eigenwilligen Einfamilienhaus auf der Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Was Scharoun zu einer Ausnahmeerscheinung unter den deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts macht, ist nicht zuletzt die Tatsache, dass er erst nach 1945 seinen unverwechselbaren Stil entwickelte. In einem Alter, in dem andere allmählich an die Rente denken, erzielte er seine größten Erfolge. Seine häufig umstrittenen Projekte, allem voran die Neue Philharmonie (Bau ab 1960) oder die Staatsbibliothek (Bau ab 1967) in Berlin zählen zu den Marksteinen der deutschen Nachkriegsarchitektur. Bild rechts: Laubengänge und abgerundete Ecken gehören zum „scharounesken“ Standartrepertoire. Bewegte Architekturplastik statt einfallsloser BetonkisteBesonders augenfällig wird die architektonische Qualität von Scharouns „Orplid“ im Vergleich zur Banalität der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Hochhäuser. Neben der wuchtigen Betonschachtelarchitektur, typische Beispiele für den nüchternen Funktionalismus dieser Zeit, birgt das Orplid jede Menge Überraschungen und unkonventionelle Details wie die maritim anmutenden Bullaugenfenster. Auf vielfach gebrochenem Grundriss gliederte Scharoun die Baumassen so gekonnt, dass zu keiner Zeit Monotonie aufkommt. Von jeder Position aus bietet das Gebäude eine andere Ansicht. Gemäß den Grundsätzen der organischen Architektur konzipierte Scharoun seine Bauten bewusst von innen nach außen. Das Diktat des rechten Winkels wurde aufgebrochen, wo immer es möglich erschien. Mit seinen mehrfach geknickten Außenwänden, den pathetisch hervorspringenden Balkonen, dem verglasten Treppenhausvorbau und der bewegten Dachlandschaft wirkt das Orplid tatsächlich wie eine dynamische architektonische Großplastik, in der die kristallinen Visionen des Expressionismus nachklingen. Mörike oder Gottfried Benn? „Orplid“ - Wer oder was verbirgt sich nun hinter diesem Namen? Zum Mörikejahr 2004 begab sich Erich Kläger dem Geheimnis auf die Spur und bietet uns drei Erklärungsmöglichkeiten an: fiktive Insel, Hauptstadt eines mythischen Königreiches oder visionäres Refugium. Bleibt die Frage, ob sich Scharoun nun von Mörike oder von Gottfried Benn inspirieren ließ? Wie dem auch sei, in jedem Fall war Scharoun offensichtlich nicht nur architektonisch, sondern auch literarisch ein versierter Mann. Wenn Sie sich für den am 28. 08. 2004 in der Böblinger Kreiszeitung erschienen Artikel von Erich Kläger interessieren, können Sie ihn hier in ungekürzter Fassung einsehen - „Woher das 'Orplid' seinen Namen hat“ | ||||
Stadt Böblingen
Weitere Scharoun-Bauten Neben dem „Orplid“ besitzt Böblingen noch weitere Bauten von Hans Scharoun. In der Waldsiedlung „Rauher Kapf“ entstanden das Ladenzentrum und 6 weitere Häuser nach seinen Plänen. Nicht weit weg von Böblingen, in Stuttgart-Zuffenhausen-Rot, stehen Scharouns bereits in den 50er Jahren erbaute Wohnhochhäuser „Romeo und Julia“ und in der Großsiedlung Fasanenhof das 1961-63 realisierte Projekt „Salute“. Umfangreiches Material zu Hans Scharoun, seinen Bauten und Projekten finden Sie auf der Online-Datenbank archINFORM. Diese Seite drucken |
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