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Dagersheim>>Pietismus>>Gebrüder Ziegler
„Lerne das Fleisch kreuzigen...“

Die Brüder Ziegler in Dagersheim

Quelle: „Durch Leiden zur Herrlichkeit“ - Immanuel Gottlieb Kolb und der Dagersheimer Pietismus. In: Dagersheim – Vom Frühmittelalter zur Gegenwart, Böblingen 1998. (Gemeinde im Wandel, Band 6. Eine Schriftenreihe des Instituts für Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Universität Tübingen, hrsg. von Sönke Lorenz und Andreas Schmauder), S. 91 – 98

Autor: Dr. Günter Scholz

Bild: In dem 1830 erbauten elterlichen Haus in der Dagersheimer Mühlgasse (weißes Haus im Vordergrund) ließen die Brüder Ziegler einen Versammlungssaal für Erbauungsstunden einrichten. Es ist bis heute Sitz der Hahn'schen Gemeinschaft.

Immanuel Gottlieb Kolbs Lebenswerk wurde von den Brüdern Gottlieb Ziegler (1798-1875) und Johann Georg Ziegler (1800-1872) fortgeführt. Ihre Eltern waren Gottlieb Ziegler, Tuchmacher in Dagersheim und Marie Dorothee, geb. Baitermann.

Nach dem Schulbesuch bei Kolb erlernte Johann Georg Ziegler in Dagersheim das Schuhmacherhandwerk. 1816/17 empfing er - ganz im Sinn von Kolbs Bekehrungsgedanken - „ein neues Leben" aus Gott. In der Folgezeit war er zeitweilig Schuhmachergehilfe in Calw. Der Wunsch, Missionar zu werden, blieb ihm verwehrt; stattdessen erlernte er zusätzlich das Seilerhandwerk, das er gemeinsam mit seinem Bruder Gottlieb in Dagersheim ausübte.

In dem 1830 neu erbauten elterlichen Haus in der Mühlgasse ließen die Brüder Ziegler einen Versammlungssaal für Erbauungsstunden einrichten - bis heute Sitz der Hahn'schen Gemeinschaft. Obwohl von zartem und nervenschwachem Naturell, übernahmen die Brüder Ziegler nach Kolbs Tod die Leitung der Hahn'schen Gemeinschaft in Dagersheim; unterstützt wurden sie von Karoline Reinhardt (1823-1891), die den schriftlichen Nachlass Kolbs bearbeitete.

Die theologische Gedankenwelt Johann Georg Zieglers ist ähnlich wie die von Kolb in einer umfangreichen Nachlasssammlung überliefert. Ziegler begegnet uns darin als Verfechter eines entschiedenen, vom Pietismus geprägten Christentums. Selbst bei seinen pietistischen Glaubensbrüdern beobachtete Ziegler Lauheit und Weltlichkeit:

„Da gehen die Leute in die Kirche und auch noch teilweise in die Versammlung und denken: so, jetzt habe ich meine Schuldigkeit wieder getan; und am Montag fangen sie wieder an, der Eitelkeit zu leben... Wie kann man doch so töricht sein und für die Zeit leben, statt für die Ewigkeit! Das ist ein Jammer! Jetzt haben auch viele der sogenannten Pietisten ein Christentum erfunden, bei welchem man Gottesdienst und Weltdienst vereinigen kann." Ziegler war auch von einem lebhaften Glauben an die Vorherbestimmung erfüllt: „Es ist alles von Gott vorausbestimmt, wo und wann wir geboren werden, wer unsere Eltern sind...".

Das Erdenleben als Erziehungsschule
Auch für Ziegler war das Erdenleben nur Zwischenetappe auf dem Weg zu Gott - von der Finsternis zum Licht. Irdische Anfechtungen in Gestalt von Fleischeslust und Augenlust interpretierte er als von Gott auferlegte Prüfungen, für die man dankbar sein müsse: „Das Erdenleben ist für die Gläubigen eine Erziehungsschule für den Himmel", formulierte Ziegler. Mit besonderer Blickrichtung auf die Jugend verlangte er: „Lerne das Fleisch kreuzigen samt den Lüsten und Begierden. Das liebe Bett ist für einen jungen Menschen gut und gefährlich; sechs, sieben, höchstens acht Stunden liegen ist... genug... Seine bestimmte Zeit fleissig arbeiten, damit die Gedanken eine Beschäftigung haben, ist auch ein gutes Hilfsmittel. Ebenso ist Mäßigkeit im Essen und Trinken hauptsächlich des Abends, für das jugendliche Alter sehr gut..."

Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Pietismus im Böblinger Raum

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