| ||||||||||||
„ein besonderer Vorzug ist ihre Reinlichkeit in den Häusern“ Ehningen in der Beschreibung des Böblinger Oberamts von 1852 Quelle: Beschreibung des Oberamts Böblingen. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau. Stuttgart und Tübingen 1850 | ||||||||||||
Bild: Nach einer Zeichnung gestaltete Postkarte von Ehningen. Rechts die 1913/15 in den Fronäckern neu erbaute Schule. (Aus: Ehningen – Bilder aus einem schwäbischen Dorf im Gäu, Ehningen 1985, S. 20) EhningenPfarrdorf mit Marktrecht und 1607 Einwohnern, worunter drei nach Dätzingen eingepfarrte Katholiken, liegt 1¼ Stunde südwestlich von der Oberamtsstadt an der Landstraße, welche mitten durch den Ort von Böblingen nach Herrenberg führt. Das große, mit reinlichen, gut gekandelten Straßen versehene Dorf hat eine ganz sanft gegen Süden geneigte Lage auf der rechten Seite der Würm, die so nahe am Ort vorbeifließt, daß sie beim Austreten öfters den unteren Theil desselben unter Wasser setzt. Die Ansicht des, in einem obstbaumarmen Flachlande gelegenen Orts, der sich übrigens durch seine zum Theil stattlichen Häuser und seine Ausdehnung vor anderen Orten auszeichnet, ist etwas monoton. ... Gutes Quellwasser ist nothdürftig vorhanden und wird nur aus Zieh- und Pump-Brunnen gewonnen, übrigens tritt nie eigentlicher Wassermangel ein, da der am nordöstlichen Ende des Orts befindliche Stöckelsbrunnen nie versiegt. Die Luft ist wegen der freien, ungeschützten Lage beinahe das ganze Jahr hindurch etwas scharf; die Sommernächte sind meist kühl und Frühlingsfröste häufig. ... Die beinahe mitten im Ort gelegene Pfarrkirche zur heiligen Maria ist ursprünglich sehr alt, wurde aber in spätere Zeit, zu Anfang des 15. Jahrhunderts, an der Stelle der alten Kirche entweder ganz neu aufgebaut oder doch so sehr verändert, daß sich von dem ursprünglichen Baustyl keine Spuren mehr erhalten haben. Ihre gegenwärtige Bauweise ist die germanische (gotische) mit spitzbogigen, gothisch gefüllten Fenstern an Schiff und Chor. ... Das Innere der Kirche ist geräumig, aber durch Emporkirchen verfinstert und verbaut. An den Brüstungen der Emporkirchen sind biblische Scenen in Hautrelief aus Gyps1* dargestellt, die nicht gegossen, sondern mit dem Grabstichel künstlich ausgearbeitet scheinen. Zwei in der Kirche aufgehängte Oelgemälde auf Holz, die noch von dem früheren Hochaltar herrühren, haben sowohl Kunst- als Alterthumswerth.2* ... Nur etwa 50 Schritte von der Kirche entfernt, liegt die Wohnung des Ortsgeistlichen, ein angenehm und gesund gelegenes Eckhaus mit der Aussicht auf vier Straßen. Die Unterhaltung desselben hat der Staat. Zwei gut erhaltene Schulgebäude mit Lehrerwohnungen, wovon das eine 1824, das andere 1843 erbaut wurden, stehen ebenfalls ganz in der Nähe der Kirche. An den Schulen unterrichten 1 Schulmeister, 1 Unterlehrer und 1 Lehrgehilfe. Die hier bestandene Industrie- und Kleinkinder-Schulen sind seit 2 Jahren eingegangen. Beinahe in der Mitte des Dorfes steht das 1844 mit einem Aufwand von 13.000 fl.3* im modernen Rundbogenstyl geschmackvoll erbaute Rathhaus mit Thürmchen und Balkon. Das alte Rathhaus wurde niedergerissen und dadurch die Hauptstraße namhaft erweitert und verschönert. Ein Gemeindebackhaus besteht seit 1838. Südöstlich vom Ort auf der linken Seite der Würm liegt in der Thalebene das Freiherrlich von Breitschwert’sche Schloß mit seinen Nebengebäuden. ... Die kräftigen mitunter groß gewachsenen Einwohner leben mäßig und eingezogen. Sie sind fleißig, stolz, wissbegierig, nachdenkend und lesen viel; ein besonderer Vorzug ist ihre Reinlichkeit in den Häusern. Ihre Vermögensumstände sind in Vergleichung mit anderen Orten vortheilhaft, dabei sind sie gute Zähler und ein Presser4* im Ort gehört zu den Seltenheiten. Die Hauptnahrungsquellen bestehen im Feldbau und in der Viehzucht, beides wird mit Umsicht und mit Fleiß betrieben; zweckmäßige landwirtschaftliche Neuerungen ... haben längst Eingang gefunden. Die Güter der Gemarkung liegen ziemlich eben und haben einen tiefgründigen, fruchtbaren Diluviallehmboden, der durch gewöhnlichen Dünger und Gyps erhalten und verbessert wird. Im System der Dreifelderwirtschaft werden die gewöhnlichen Ceralien5*, besonders Dinkel und Hafer, gebaut. ... Hinsichtlich der Gewerbe ist nichts zu erwähnen, da diese nur dem örtlichen Bedürfnisse dienen; eine Ziegelhütte liegt südwestlich vom Ort an der Landstraße nach Herrenberg, Es bestehen 5 Schildwirthschaften6*, worunter 4 mit Bierbrauerei. ... Der Ort hat jährlich 2 Märkte, an denen besonders lebhaft mit Vieh gehandelt wird; auch besteht seit 1842 eine Privatleihkasse. ... Bedeutende zunächst des Orts gelegene Muschelkalksteinbrüche, aus denen Straßenmaterial und Kalk zum Brennen gewonnen wird, ferner südöstlich von Ort gelegene Keuperwerksteinbrüche sind Eigentum der Gemeinde. Die Grundlasten an den Staat sind theils schon abgelöst, theils in der Anlösung begriffen. Den großen Zehenten bezieht der Staat, welcher ihn theils von der geistlichen Verwaltung Böblingen, theils von der Kartause Güterstein erhalten hat. Der kleine Zehente wurde von der Pfarrei übernommen. Der Ort scheint sehr alt zu seyn und verdankt, ..., seine Gründung ohne Zweifel den Römern, wofür einige an dem Ort nahe vorbeiführenden Römerstraßen zeugen. ... Ehningen hieß ursprünglich, z. B. 1252, Februar 18., in einer Kloster Reichenbacher Urkunde, wo es zuerst vorkommt, Ondingen (...) oder Oendingen. Die frühesten näher bekannten Oberherren dieses, nach aller Wahrscheinlichkeit ursprünglich gräflich calwischen Orts waren die Pfalzgrafen von Tübingen. ... Von diesem Hause kam der Ort mit Böblingen 1357 an Württemberg. ...
| ||||||||||||
Der Text wurde gekürzt.
Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Ehningen finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource. Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 26. Band erschien 1850 die Beschreibung des Oberamts Böblingen. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden. Diese Seite drucken |
||||||||||||